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La Divina Commedia – eine neue, musikalische Edition

Diese Webseite zur Aussprache des Italienischen enthält den ersten von drei Texten, die Sie etwas detaillierter in das sprachliche Fundament der Divina Commedia einführen wollen. Die anderen beiden Artikel zur Metrik und zu den Akzenten finden Sie unter den gleichnamigen Menüpunkten. Gemeinsam bilden diese drei Seiten eine didaktische Einheit, d.h. einen fortlaufenden Kommentar, der Ihnen alles vermittelt, was Sie benötigen, um unsere Edition mit Gewinn zu lesen.

Sollten Sie zunächst etwas Kompakteres suchen, darf ich Ihnen meine Einführung empfehlen. Sie enthält das Wichtigste vorab, ist pragmatisch gehalten und bietet Ihnen neben einer Reihe von Beispielen auch eine Zusammenfassung der von mir verwendeten Zeichen.

Sollten Sie hingegen mehr über die Aussprache selbst wissen wollen und auch einen methodischen Einblick in Wissenschaft oder Literatur nicht scheuen, dann sind Sie hier genau richtig. Sie erfahren etwas über die beiden phonetischen Hauptvarianten des heutigen Italienischen sowie das Problem moderner Wörterbücher. Sie vertiefen Ihr Verständnis der korrekten Wiedergabe kritischer Vokale und Konsonanten, erhalten Tipps zu einer leicht verständlichen Aussprache des Lateinischen und machen Bekanntschaft mit dem Altokzitanischen. Sie sind damit in der Lage, die einzelnen Worte der Divina Commedia korrekt auszusprechen und haben die erste Hürde eines authentischen Lesens genommen.

Einleitung

Die Divina commedia ist eine der bedeutendsten Dichtungen der Weltliteratur. Mit ihrer Sprachgewalt, die sich aus einer komplexen Vers- und Reimstruktur ergibt – dem Endecasillabo und der Terza Rima –, hat sie über Jahrhunderte hinweg Menschen in ihren Bann gezogen. Ein jeder, der sich auf dieses Werk einlässt, tritt ein in eine ganz eigene Welt der Poesie. Er ist eingefangen von ihrer Schönheit, eingebunden in die pulsierende Kraft ihrer Klänge.

Dieser besondere Zauber erschließt sich nicht im rein stillen Betrachten, sondern im Sprechen, im lauten Lesen oder im Vortrag. Erst hier entschlüsselt sich die Substanz des Werkes, entfaltet das Gedicht seine suggestive Wirkung.

Einem Muttersprachler oder einem in der Metrik versierten Leser ergeben sich die Parameter dieses Vortrags gleichsam implizit. Er weiß, wenn er liest, wie er lesen muss: er beherrscht die Aussprache und kennt die linguistischen Strukturbedingungen des Verses. Dem Laien ist dieses Wissen zunächst verschlossen. Er muss in mühevollem Studium sich vorantasten, entdecken, bevor er richtig sprechen kann.

Eine Edition, die diesen Prozess erleichtern kann, die es sofort gestattet lesend in das Gedicht einzutauchen, kann motivieren, faszinieren, die Freude am Entdecken und Sprechen aktivieren.

Drei linguistische Parameter müssen erschlossen sein, um dies zu erreichen: die Aussprache, die Metrik und die Akzente. Sehen wir uns etwas genauer an, wie das in der neuen Werkausgabe zu leisten ist.

I. Aussprache

1. Die Italienische Aussprache

A. Das neutrale Italienisch (Italiano neutro)

Unsere Edition befasst sich nicht mit der historischen Aussprache des Italienischen bzw. einer Rekonstruktion der Klangwirklichkeit im Mittelalter. Sie sucht daher auch nicht zu ergründen, wie Dante selbst oder seine Zeitgenossen das „Volgare“ der Divina Commedia, jene Verschriftlichung des Toskanischen, ausgesprochen haben.[1]

Ihr geht es vielmehr darum aufzuzeigen, wie man heute den uns vorliegenden Text korrekt und dialektfrei lesen sollte, wobei wir diesem Projekt die noch immer unübertroffene Ausgabe von Giorgio Petrocchi (2003) in der maßgeblichen dritten Auflage zugrunde legen. Für die entsprechende Erlaubnis bin ich dem Verleger (Casa Editrice Le Lettere) sowie dem Sponsor (Società Dantesca Italiana) zutiefst verbunden.

Wir stützen uns somit auf das heute gesprochene Italienisch, das sog. neutrale Italienisch (Italiano neutro).[2] Es ist jenes Idiom, das sich als kulturelles Erbe und politische Selbstverpflichtung des Risorgimento[3] aus der Notwendigkeit heraus entwickelt hat, einem geeinten Italien eine geeinte Sprache zu geben. Wir finden es mit den notwendig gewordenen moderaten Anpassungen in den modernen Wörterbüchern und in dem Referenzwerk zur Aussprache, dem DOP.

B. Klassisches und modernes neutrales Italienisch

Eine feinere Betrachtung erhellt, dass das neutrale Italienisch noch weiter unterteilt werden kann in eine klassische und moderne Variante (vgl. Canepari 2018). Die klassische Variante ist die schriftlich überlieferte. Sie lebt in den meisten Lexika von heute fort und stellt den ursprünglichen Standard dar, wie er in den ersten großen Wörterbüchern seit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts festgelegt wurde. Noch immer sind diese Bücher für den überwiegenden Teil des Vokabulars gültig.

Neben diesem traditionellen schriftlichen Italienisch hat sich aber eine mündliche Variante herausgebildet, das sog. „moderne“ Italienisch. Es berücksichtigt reale Ausspracheverschiebungen der Gegenwart, nimmt also jenes Idiom, das sich im aktuellen Sprachgebrauch durchgesetzt hat.

Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Spielarten des neutralen Italienisch zeigt sich im intervokalischen s und in einer gewissen Flexibilität bei der Aussprache der akzentuierten e und o. Wir werden darauf später noch genauer zurückkommen. Hier genügt es festzuhalten, dass auf dem Weg von der Klassik zur Moderne das s zwischen zwei Vokalen inzwischen fast durchwegs stimmhaft gesprochen wird, d.h. die einst partiell vorgesehene stimmlose Variante entfallen ist. Auch bei der Aussprache der e und o ist die rigide, am dominanten Toskanischen aufgerichtete Norm einer regionalen Freiheit gewichen, was bedeutet, dass bei vielen Worten beide Artikulationsweisen, die geschlossene und die offene, möglich sind.[4]

Unsere Edition schließt sich diesem modernen Gebrauch an und stellt, wie wir sogleich sehen werden, dem Leser beide Aussprachevarianten optional zur Verfügung.

C. Methodik

Der Zingarelli nimmt insofern eine Ausnahmestellung unter den heutigen Wörterbüchern ein, als er versucht, die soeben vorgestellten modernen Abwandlungen der klassischen Aussprache mit einzubeziehen. Er markiert also nicht nur jene kritischen intervokalische s-Konsonanten, sondern bezeichnet auch ambivalent akzentuierte o- und e-Vokale. Er beschränkt sich dabei auf das Aufzeigen dieser Möglichkeit und verzichtet darauf, die Unterschiede noch weiter nach Dialekten aufzuschlüsseln.[5]

Wir haben dieses Wörterbuch in erster Präferenz herangezogen. Daneben haben wir das Dizionario Garzanti, den Gabrielli (das Grande Dizionario Italiano HOEPLI) sowie das Vocabolario Treccani verwendet. In kritischen Fällen haben wir das DOP oder das DiPI konsultiert, ersteres vor allem bei Eigennamen oder geographischen Begriffen, die sonst nicht zu finden sind. Zuletzt sollten wir das allumfassende, legendäre Wörterbuch des Italienischen nicht vergessen: das Grande Dizionario della Lingua Italiana (Battaglia). In seltenen Ausnahmefällen hat es sich als nützlich erwiesen.

Mit Blick auf die oben genannten klassischen Konfliktfälle haben wir eine echte Ausspracheambivalenz vor uns, d.h. die nicht zu wertende Möglichkeit, ein Wort sowohl geschlossen als auch offen auszusprechen, wenn neben dem Zingarelli auch mindestens ein anderes Wörterbuch diese bestätigt. Falls sich sämtliche anderen Wörterbücher bei den offenen und geschlossenen e und o für eine bestimmte Variante entscheiden, sprechen wir von einer tendenziellen Vokalausrichtung. Hier sind zwar ebenfalls beide Ausspracheoptionen prinzipiell vorhanden, eine = die dominante wäre aber zu bevorzugen.

Wir sind jetzt bereit, die grafischen Zeichen unserer Edition kennenzulernen. Sie sind sämtlich in roter Farbe in den Text eingetragen, um sich vom Urtext Petrocchis abzuheben.

D. Die Vokale

a. Offene und geschlossene e und o

Diese Vokale bereiten für sich betrachtet keine Schwierigkeiten, da ihre Aussprache eindeutig ist und auch von allen Wörterbüchern gleich beurteilt wird. Man unterscheidet das offene e und o vom geschlossenen e und o. Die erstgenannten beiden Vokale werden mit einem sog. Accento acuto bezeichnet, die beiden letztgenannten mit dem Accento grave. Der Unterschied zeigt sich nur bei betonten Vokalen. Unbetonte e und o werden immer geschlossen ausgesprochen.

Zumeist folgt die Aussprache festen Regeln, die in den einschlägigen Standardwerken in unterschiedlicher Ausführlichkeit dargeboten werden. Auch ist es in vielen Fällen möglich, die Aussprache etymologisch vom Lateinischen abzuleiten. Grundsätzlich gilt aber, dass ungeachtet dieser Regeln Ausnahmen möglich sind, so dass man streng genommen nur von einer Aussprachetendenz ausgehen sollte. Es bleibt somit die Unsicherheit des Einzelworts und die Notwendigkeit, es im Wörterbuch nachzusehen.

Dem Lernenden ist aber dieses Wissen nicht oder nur bedingt zuzumuten. Die explizite Angabe der Betonungsvariante erspart mühevolles Nachblättern und ermöglicht das sofortige korrekte Lesen. In unserer Edition sind daher alle akzentuierten e und o selbst im Falle einer prosodisch klar festgelegten Aussprache explizit in roter Farbe als Accento acuto oder Accento grave ausgeführt.

b. Ambivalente e und o

Wie wir oben gesehen haben, gibt es Wörter, die sowohl offen als auch geschlossen ausgesprochen werden können, ohne dass die eine oder andere Variante zu bevorzugen wäre. Die Ambivalenz ist also substanziell in der italienischen Sprache verankert und nicht auf lexikalische Eigenwilligkeit zurückzuführen. Hintergrund dieser Doppeloption können regionale Unterschiede sein, die bei der Sprachnormierung nicht eineindeutig zugunsten eines bestimmen Dialekts bzw. einer bestimmten Ausspracherichtung aufgelöst sind. Die Mehrzahl der Wörterbücher zeigt in diesem Fall üblicherweise sowohl die offene als auch die geschlossene Option.[6]

In unserer Edition werden die ambivalenten Wörter mit einem Doppelpunkt unter dem e und o ohne Akzent bezeichnet.

c. Tendenzielle e und o

Eine andere, interessante Gruppe von Wörtern erhält sich zwar ebenfalls die prinzipielle Möglichkeit einer offenen oder geschlossenen Aussprache, zieht jedoch eine bestimmte Richtung vor.

Nun wäre es sicherlich wünschenswert anzunehmen, dass bei diesen Wörtern das dominante Toskanische die Tendenz der Aussprache vorgegeben hätte, wie man sie in den klassischen Wörterbüchern findet, das moderne Italienische diese dann aber später in regionalen Abweichungen wieder aufgelöst hätte. Letztere hätten sich schließlich auch in der gebildeten Hochsprache etabliert und wären nicht länger als Ausprägungen lokaler Dialekte diskreditiert.

Allein, die Realität sieht auch hier anders aus. Wir finden auch in dieser Wortgruppe im heutigen, modernen Toskanischen, das uns einzig vorliegt, überwiegend ambivalente Lösungen. Zwar bringen die regionalen Varianten des zentralen Italiens, die ebenfalls Normierungsrelevanz der Aussprache beanspruchen, die gewünschte Vielfalt, d.h. neben ambivalenten Instanzen auch solche, die sich für eine Ausspracheoption entscheiden, doch geht diese nicht immer in die gewünschte Richtung. Die in den großen, klassischen Wörterbüchern fixierte Tendenz lässt sich damit keinesfalls erklären.

In Ermangelung einer überzeugenden Übereinstimmung bzw. befriedigenden lexikalen Alternative müssen wir uns daher mit der Auskunft bescheiden, dass bei der hier in Frage stehenden Gruppe tendenzieller Wörter prinzipiell eine Aussprachefreiheit besteht, jedoch die klassische Richtung noch immer die zu bevorzugende Norm darstellt. Die führenden, aus der Klassik entstandenen Lexika geben in den neuen Ausgaben einen Konsens vor, von dem man nicht grundlos abweichen sollte.

Somit bleibt uns nichts übrig, als den oben eingeführten methodischen Grundsatz zu verfolgen, der darin besteht, dass wir uns auf die Entscheidung der Wörterbücher stützen und genau in jenem Fall ein tendenzielles Wort setzen, wo einzig ein Wörterbuch, der Zingarelli, eine Ambivalenz annimmt, alle anderen jedoch nicht. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass bei grundsätzlicher Freiheit der Aussprache das moderne Italienisch eine Richtung vorzieht. Wir empfehlen dem Leser, sich diesem gerichteten Weg anzuschließen.

Tendenzielle Silben sind durch einen Doppelpunkt unter dem Vokal und einen Akzent über ihm rot im Text markiert. Erster erinnert an die Aussprachefreiheit, letzterer an die bevorzugte Ausspracherichtung.

d. Starke, schwache und optionale Akzente

Sämtliche der genannten Akzente können in starker und schwacher Version auftreten. Alleine oder in Kombination mit anderen Akzenten bzw. Akzentgruppen können sie auch wegfallen. Sie wären dann optional oder fakultativ. Dies wird unten näher ausgeführt.

E. Konsonanten

Auch bei den Konsonanten treffen wir neben der üblichen eindeutigen Aussprache auf die Möglichkeit einer Ausspracheambivalenz. Im Gegensatz zu den Vokalen unterscheiden wir hier nicht zwischen geschlossenen und offenen, sondern zwischen stimmlosen und stimmhaften Ausprägungen.

Eine tendenzielle Variante entfällt. Sie war grafisch schlecht unterzubringen und hat sich als obsolet erwiesen, da sich bei der unten noch näher zu bezeichnenden kritischen Beurteilung des intervokalischen s sowie des z am Wortanfang eine klare Gegenüberstellung des Zanichelli zu den anderen klassischen Wörterbüchern ergibt. Methodisch sind wir hier so vorgegangen, dass eine ambivalente Artikulationsmöglichkeit vorliegt, wenn sie im Zanichelli auftaucht. Andernfalls haben wir eine eindeutige Aussprache vor uns.

Mit Blick auf die Artikulation der Konsonanten bereiten insbesondere die stimmlosen und stimmhaften s und z dem Lernenden Schwierigkeiten, da hier neben klaren Regeln Grenzfälle auftreten können. Mit dem Phänomen des intervokalischen s sowie des anlautenden z kehren wir zur Opposition zwischen Tradition und Moderne zurück, die uns bei den Vokalen bereits eingehend beschäftigt hat.

a. Stimmloses und stimmhaftes s

Betrachten wir zunächst den Buchstaben s und hier jene Wörter, deren Aussprache eindeutig ist, d.h. die zweifelsfrei der stimmlosen oder stimmhaften Gruppe zuzuordnen sind. Für diese einfachen Fälle existieren klare Ausspracheregeln.[7] Sie sind in den einschlägigen Referenzwerken der Diktion aufgeführt und lassen auch in den Lexika keine Unklarheit zurück. Gleichwohl wollen wir unterstellen, dass der Leser diese Regeln nicht immer kennt. Auch möchte er sprechen und nicht nachdenken oder erinnern. Es soll ja zu einem musikalischen Wortfluss kommen und nicht zu einem Vorantasten Wort für Wort. In unserer Ausgabe wird das einfache s ohne weitere Markierung immer stimmlos ausgesprochen. Ein einziger roter Punkt unter dem Buchstaben markiert das stimmhafte s.

Ein Blick in die Geschichte verrät, dass das klassische Latein kein stimmhaftes s kannte. Erst im Mittelalter trat in Italien eine – wenn auch unsystematische – Stimmhaftwerdung auf, deren Problematik sich vor allem im intervokalischen s zeigte. Ihr wollen wir uns jetzt zuwenden.

b. Das Problem des intervokalen s

Bereits in der traditionellen Sparte des neutralen Italienischen treten bei der Aussprache des zwischen zwei Vokalen gesetzten s Ambiguitäten auf, die sich nicht mehr auflösen lassen. Zwar mag man sich auch hier noch an groben Regeln orientieren. Es gibt jedoch nicht vorhersagbare Ausnahmen.[8] Dem Leser bleibt somit nichts anderes übrig, als sich bei jedem Wort eines Lexikons zu bedienen oder Listen von Vokabeln auswendig zu lernen, ohne die Gewissheit auf Vollständigkeit zu haben.[9]

Wir umgehen dieses Problem dadurch, dass wir auch bei dieser Wortgruppe eine eindeutige, wenn auch auszudifferenzierende Markierung vornehmen. Wörter, die in der klassischen Version des Italienischen stimmhaft ausgesprochen werden, erhalten immer einen Punkt unter dem s. Sie werden auch in der Moderne stimmhaft gesprochen.

Wörter hingegen, die traditionell stimmlos gesprochen werden, in der Moderne jedoch stimmhaft, erhalten zwei Punkte unter dem s, was besagt, dass beide Ausspracheoptionen bestehen. Dies wollen wir sogleich erklären und begründen.

c. Das ambivalente s der Moderne

Wie bereits eingangs beschrieben, ist es im letzten halben Jahrhundert zu einer graduellen Ausspracheverschiebung des intervokalen s von der stimmlosen Variante der Klassik zur stimmhaften der Moderne gekommen. Während manche Linguisten diese Gegenüberstellung für ein rein toskanisches Problem hielten, war doch nicht zu übersehen, dass in anderen Regionen sich eine klare Tendenz abzeichnete, das in Norditalien übliche stimmhafte s einzusetzen, eine Entwicklung, die schließlich ganz Italien einnahm. Selbst im öffentlichen Sprechen so maßgeblicher Bereiche wie des Schauspiels oder des Fernsehens hat sich heute die moderne Aussprache durchgesetzt.

Die Wörterbücher haben mit dieser Entwicklung leider nicht Schritt gehalten. Noch immer findet sich in den klassischen Referenzwerken die alte, traditionelle Aussprachenorm, mithin das stimmlose s. Einzig der Zanichelli und das DiPI machen eine verdienstvolle Ausnahme. Während sich der Zanichelli darauf beschränkt, die duale Möglichkeit grundsätzlich zu markieren, differenziert das DiPI diese für bestimme Wörter historisch und/oder regional weiter aus. Uns genügt die Genauigkeit eines Zanichelli, da sie eine konkrete Leseempfehlung realisieren kann, die wir dem vorzüglichen Manual von Carboni & Sorianello (2012: 86) entnehmen dürfen.

Die Autoren empfehlen, in Fällen eines intervokalen s grundsätzlich die heute im gesprochenen Italienischen relevante stimmhafte Aussprache zu wählen. Eine Ausnahme stellen lediglich zusammengesetzte Worte dar, bei welchen das intervokale s ein neues Halbwort beginnt, wie etwa semiserio oder caposanto. Hier wäre dann die stimmlose Aussprache vorzuziehen.[10]

Wir schließen uns dieser Empfehlung an. Da in der Divina Commedia freilich solche zusammengesetzten Worte nicht existieren, reduziert sich die Empfehlung auf den trivialen Sachverhalt, dass jedes intervokale s stimmhaft zu sprechen ist. Sollte sich ein Leser aus stilistischen Gründen für die traditionelle Version entscheiden, findet er in unserer Edition die hier verfügbaren Kandidaten.

Denn während Worte, die sowohl im Traditionellen als auch im Modernen stimmhaft gesprochen werden müssen, einen Markierungspunkt unter dem Buchstaben aufweisen, erhalten Worte, in denen die Vergangenheit eine stimmlose, die Gegenwart hingegen eine stimmhafte Aussprache vorzieht, zwei Punkte.

d. Stimmloses und stimmhaftes z

Wir wollen uns im Wissen, die komplexesten Ausspracheverhältnisse hinter uns gelassen zu haben, jetzt einer einfacheren Wortgruppe zuwenden, dem stimmlosen und stimmhaften z. Gleichwohl kommen wir auch hier nicht ganz ohne Verfeinerungen aus, die sich aber, wie wir sehen werden, wenigstens partiell auflösen.

Das stimmlose z gestaltete sich ursprünglich aus lateinischen, germanischen und arabischen Wurzeln und war am Wortanfang oder in der Wortmitte zu finden. Dort hat es bis heute seine Bedeutung bewahrt. Im Übergang von der Klassik zur Moderne ergab sich freilich ebenfalls eine Verschiebung. Im gesprochenen Italienischen ist das stimmlose z am Wortanfang praktisch verschwunden und durch das stimmhafte ersetzt. Wir werden dieses Phänomen im nächsten Abschnitt weiter verfolgen.

Hier genügt es festzuhalten, dass das unbestrittene stimmlose z in der Wortmitte unbezeichnet bleibt, was bedeutet, dass ein z ohne weitere Markierung immer stimmlos auszusprechen ist.

Auch das stimmhafte z hat eigene lateinische, griechische, arabische oder persische Wurzeln und gestattet daher eine gewisse historische Ableitung, nicht freilich ohne Ausnahmen. Der Leser will sich mit beidem nicht beschäftigen müssen und schätzt es, dass wir das stimmhafte z explizit mit einem Punkt unter dem Buchstaben sicher markiert haben. Oft tritt dieses Wort als Doppelkonsonant auf, der zwei Silben trennt. Hier sind natürlich beide Konsonanten einfach markiert.

e. Das ambivalente z der Moderne

Wir können die Besprechung der Konsonanten nicht beenden, ohne auf das ambivalente z der Moderne hinzuweisen, das uns im letzten Abschnitt bereits begegnete. Während das traditionelle Idiom am Wortanfang durchaus auch eine stimmlose Variante kannte, deren Herkunft historisch zu begründen war, und auch die traditionellen Lexika diese Aussprache bis heute exklusiv vertreten, ist die Realität des mündlichen Italienischen eine andere. In ganz Italien ist die stimmlose Aussprache praktisch verschwunden und der stimmhaften gewichen. Es macht daher Sinn, sich dieser Entwicklung nicht zu widersetzen und – wenn nicht stilistische Interessen dem entgegen stehen – das z am Wortanfang stimmhaft auszusprechen.

Das DiPI enthält die moderne Aussprache sowie die alte nach Regionen getrennt. Der Zanichelli begnügt sich damit, Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzuhalten, d.h. die historische Ambivalenz mit einem Doppelpunkt unter dem z zu markieren. Damit ist ausgedrückt, dass man das entsprechende Wort früher stimmlos, heute aber stimmhaft ausspricht. In jedem Fall ist erkennbar, dass es sich um ein ambivalentes z handelt. Unsere Edition übernimmt diese beiden Punkte und die Ausspracheempfehlung.

F. Mischformen

Hierbei handelt es sich zunächst um Vokale, bei denen zusätzlich zu einer Dieresis, die von Petrocchi im Urtext vorgenommen wurde, noch eine Akzentmarkierung hinzukommt. Wir beobachten dieses Phänomen bei geschlossenem und offenem e sowie bei den Vokalen a und i mit Dieresis.

Die zweite Gruppe von Mischformen betrifft Vokale, bei denen wir eine von Petrocchi abweichende Dieresis angenommen haben, wobei hier zusätzlich noch Akzente auftreten können. Die reine, ergänzte Dieresis haben wir bei den Vokalen i und u vor uns, die zusätzliche Akzenterweiterung bei geschlossenem und offenem e sowie in einem Fall einem geschlossenen o. Zuletzt war es in zwei Fällen nötig, eine im Urtext vorhandene Dieresis auf i aufzulösen.

Bei all diesen Misch- bzw. Sonderformen gibt es keine ambivalenten bzw. tendenziellen Akzente, so dass die Bezeichnung eindeutig ist.

2. Die Lateinische Aussprache

A. Geschichtliches

Die Aussprache des Lateinischen, das nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches sich über das gesprochene Vulgärlatein in romanische Hochsprachen auflöste und später nurmehr als Kunstsprache der Gelehrten oder der Amtskirche überlebte, hat interessante Wandlungen durchgemacht.

Die sog. klassische Aussprache, wie sie in der Zeit von Cicero oder Cäsar von gebildeten Römern gesprochen wurde, ist das Ergebnis einer linguistischen und philologischen Rekonstruktion Ende des 19. Jahrhunderts.

Neben ihr ist historisch jedoch vor allem die kirchliche Aussprache von Bedeutung. Sie löste das Vulgärlatein ab und dominierte, wenn auch in regionalen bzw. nationalen Färbungen, die internationale Phonetik des Lateinischen.

Zuletzt wäre es noch möglich, länderspezifische akademische Spielarten des Lateinischen zu unterscheiden, wie sie etwa an Universitäten oder Schulen gelehrt wurde.

Die modernen Wörterbücher beziehen sich sämtlich auf das klassische Latein und sind bemüht, die hier geltende Aussprache einzufangen. Wir wollen uns zunächst ihr zuwenden und dem Leser später eine mögliche Empfehlung der Vereinfachung an die Hand geben.

B. Lange und kurze Vokale

Bekanntlich unterscheidet das Lateinische nicht – wie das Italienische – akzentuierte von nicht-akzentuierten Vokalen, sondern lange von kurzen. Daneben gibt es noch ambivalente Vokale (auch ancipite oder bifronte genannt), die lang oder kurz ausgesprochen werden können. Die langen Vokale sind mit einem durchgezogenen Überstrich markiert, die kurzen mit einem abgerundeten Überstrich in U-Form. Die ambivalenten Vokale erhalten beide Zeichen.

Für die Länge eines Vokals innerhalb eines Wortes oder am Wortende gibt es zwar unterschiedlich bindende Regeln. Sie sind jedoch kontextabhängig, bringen zahlreiche Ausnahmen mit sich und sind nur dem Spezialisten vertraut.

Auch der Artikulationsmodus der Vokale, d.h. die Frage, wann sie offen und wann geschlossen auszusprechen sind, unterliegt einer differenzierten Regelung. Wenn man davon ausgeht, dass das Lateinische fünf Vokale kannte bzw. sechs, falls man das in griechischen Fremdwörtern vorkommenden Y hinzunimmt, dann gilt, dass die kurzen Vokale im allgemeinen kurz und offen (oder halb offen) ausgesprochen wurden, die langen Vokale lang und geschlossen (oder halb geschlossen). Für Diphthonge gelten eigene Anweisungen. Hinzu treten Grundregeln für Konsonanten und Assimilationseffekte zwischen ihnen.

Unserer Edition war es natürlich nicht möglich, die Vielzahl der Ausspracheregeln des Lateinischen unterzubringen. Wir haben uns – ähnlich wie beim Italienischen – auf die Notierung der Vokale (und einen Konsonanten, das notorische intervokale s) beschränkt. Wir haben für jedes Wort die Wortlänge über dem Vokal eingetragen und es so dem Leser überlassen, die entsprechende offene oder geschlossene Aussprache selbst vorzunehmen. Sämtliche Markierungen des Lateinischen sind in grüner Farbe gehalten, um sich vom Italienischen, aber auch dem Alt-Okzitanischen (s.u.) abzuheben.

C. Wörterbücher

Fünf Referenzlexika aus drei Ländern haben uns dabei entscheidende Dienste geleistet. Zunächst das Standardwerk des Deutschen, der Menge-Güthling, dann seine modernisierte Umarbeitung durch Pertsch. Der Castiglioni-Mariotti als italienische Referenz sowie zwei französische Lexika, der Gaffiot (2016) und der auf ihm aufbauende Jeanneau (2017), beide online über die Website Collatinus web verfügbar, durften nicht fehlen.

Der Vergleich der Vokabeln erbrachte eine erstaunliche Divergenz zwischen diesen Werken. Auch fehlen vielfach Längenbezeichnungen. Im Allgemeinen sind wir nach dem Mehrheitsprinzip vorgegangen, d.h. wir haben diejenige Bezeichnung gewählt, die von der Mehrzahl der Wörterbücher vertreten wird. In Grenzfällen haben wir dem modernen deutschen Lexikon von Pertsch vertraut, das sich vielleicht am ausführlichsten zur Aussprache geäußert hat.

Der Leser mag sich fragen, warum wir nicht auf die lateinspezifische Markierung verzichtet und uns statt dessen mit Blick auf die einzig in Frage kommende Vokalbezeichnung für die aus dem Italienischen kommende der offenen und geschlossenen Vokale entschieden haben. Die Antwort wollen wir nicht schuldig bleiben. Zum einen bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit, neben dem e und o auch kurze und lange i, a und u auszuschreiben. Zum anderen erhält es die Freiheit, eine andere als die klassische Aussprache zu wählen.

D. Das akademische Latein des Italienischen

Zuletzt aber bietet sich uns die Chance, dem Leser eine Empfehlung vorzuschlagen, die ihn in die Nähe Dantes bzw. der muttersprachlichen italienischen Rezitatoren bringen kann. Denn es stellt sich heraus, dass sämtliche dieser Sprecher sich einem vereinfachten Ausspracheschema fügen, das in der akademischen Variante des italienischen Lateins verborgen ist.

Hier unterscheidet man nur fünf phonetische Vokale[11] in betonter Position und spricht das e und o im betonten Fall immer offen aus, im unbetonten Fall immer geschlossen. Auch sonst liegt die Aussprache nahe am neutralen Italienischen. Wir können also – wenn man von der Abweichung des e und o absieht – die oben vorgestellten Grundsätze korrekter Aussprache desselben auch hier verwenden.

Dies ist auch der Grund, warum wir uns bei unserer Empfehlung für die akademische und nicht die historisch vielleicht bedeutsamere ekklesiastische Version entschieden haben. Zwischen beiden besteht nach Canepari kein nennenswerter Unterschied.[12] Auch geht es uns weniger um eine historische, als eine nahe am heutigen, mündlichen Italienischen liegenden Aussprache.

Wenn wir davon ausgehen, dass auch Dante eine italienische oder toskanische Spielart des Lateins gesprochen haben dürfte, wäre diese Vereinfachung bzw. nationale Bevorzugung nicht von vorneherein zu tadeln.

E. Sonderzeichen

Der Vollständigkeit halber wollen wir ergänzen, dass es neben den sechs langen und kurzen Vokalen auch zusätzlich akzentuierte sowie ambivalente Vokale gibt. Auch treten Vokale mit Dieresis im Urtext auf. Unsere Edition hat diese Sonderzeichen in eigenen, vertikal übereinander liegenden Markierungen sorgfältig ergänzt.[13]

3. Die Aussprache des Altokzitanischen (Lingua d’Oc)

Die Divina Commedia enthält acht Verse in altokzitanischer Sprache, der sog. Lingua d’Oc. Sie werden dem großen Troubadour Daniel Arnaut in den Mund gelegt und lassen bedeutsame Spekulationen über die Wertschätzung Dantes für diesen Dichter und seine Sprache zu.[14] Wir haben uns darauf beschränkt, auch hier eine Markierung der Aussprache vorzunehmen.

Grundlegend war zunächst das Standardwerk von William D. Paden (1998). Auch die ihm beigegebene CD mit der Sopranistin Elizabeth Aubrey half bei der Aussprache bestimmter Worte. Daneben waren in zweiter Präferenz noch die Arbeiten von Smith & Bergin (1984) und Rourret (2006) zu konsultieren. Zuletzt haben sich auch das von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften geförderte Dictionnaire de l’occitan médiéval (DOM) sowie das Dizionario ItalianoOccitano-OccitanoItaliano als hilfreich erwiesen.

Unsere Edition enthält eine präzise Markierung der offenen und geschlossenen e und o, der akzentuierten i, a und u sowie des y. Auch das stimmhafte s sowie harte und weiche Konsonanten sind in den Text in violetter Farbe eingetragen. Im Internet finden wir den Audio-Clip der Arnaut-Zeilen, gesprochen von einer Kennerin des heutigen Okzitanischen. Wir verweisen gerne darauf.[15]

Fussnotenstrich
  1. [1]Tatsächlich haben sich vom Mittelalter zur Moderne im Italienischen nur moderate Veränderungen ergeben, die in einschlägigen Abhandlungen nachzulesen sind. So befindet etwa Vittorio Formentin in der Enciclopedia Italiana (2010): … mentre per l’inglese, il francese e lo spagnolo le trasformazioni fonetiche intervenute tra medioevo ed età moderna sono rilevantissime, per l’italiano sono invece, tutto sommato, di entità modesta“. Und: “Se si prende come punto di riferimento della norma odierna il cosiddetto italiano standard, non sono molti i cambiamenti da registrare rispetto al quadro del fiorentino medievale appena tracciato.” Interessierte Leser sind auf die Grundsatzarbeit von Paolo Manni (2013): La lingua di Dante verwiesen. Sie schlüsselt die Sprache unseres Poeten nach Werken getrennt auf und befasst sich explizit mit der Phonologie, der Morphologie, dem Wortschatz und Stil der Divina Commedia.
  2. [2]Vgl. Carboni & Sorianello (2011) oder Canepari (2018) sowie Canepàri & Giovannelli (2012).
  3. [3]Mit dem Risorgimento ist bekanntlich jene Periode der italienischen Geschichte gemeint, in der das Land ausgehend von revolutionären Protestbewegungen schließlich 1861 mit der Proclamazione del Regno zur nationalen Vereinigung fand.
  4. [4]Vgl. Canepari (2018): 243 und detaillierter Canepàri & Giovannelli (2012): 29. Der skrupulöse Forscher gerät hier in ein scheinbares Dilemma. Zum einen zeigen die am klassischen Idiom ausgerichteten Wörterbücher bei jenen kritischen, potentiell unentschiedenen Vokabeln oft die Hinwendung auf eine einzige, klare Aussprache der e und o, zum anderen manifestiert – wie uns das Speziallexikon DiPI aufzeigt – das moderne Toskanische bei eben diesen Wörtern eine Ambivalenz. Erklärbar ist diese Diskrepanz dadurch, dass sich das traditionelle Toskanische auf dem Weg zur Moderne gewandelt hat und dass es ähnlich wie die regionalen Varianten des zentralen Italiens, welche für die heutige Aussprache Relevanz beanspruchen, eine Hinwendung zur Ambivalenz = zur möglichen offenen und geschlossenen Aussprache erfahren hat.
  5. [5]Auch wir folgen diesem Gebrauch. Dem Leser darf genügen zu wissen, dass er ein Wort sowohl offen als auch geschlossen aussprechen kann oder – wie wir unten zeigen werden – vorwiegend geschlossen oder offen. Er muss nicht weiter erfahren, welche der vielen regionalen Dialekte welchem Gebrauch folgt. Das DiPI bietet dem Interessierten hier eine noch differenzierte Auflistung, freilich auch nicht aller Worte, so dass man mit Blick auf Vollständigkeit doch auf das DOP verwiesen ist oder jene anderen großen Wörterbücher, die aber der klassischen Domäne angehören.
  6. [6]Diese vorsichtige Formulierung verweist den Leser auf die reale Komplexität des Sachverhalts. Eine Auflistung der Worte und ihrer unterschiedlichen Beurteilung in den Wörterbüchern zeigt, dass es kaum möglich ist, allgemeine Grundsätze festzuhalten. Fast immer liegt bei echter Ambivalenz eine solche auch im (heutigen) Toskanischen vor, wobei es auch hier wenige Ausnahmen gibt. Einmal gehen die Wörterbücher sogar in eine entgegengesetzte Richtung. Methodisch haben wir uns daher auf die oben bereits vorgestellte Regel eingeschworen: Wenn neben dem Zanichelli ein weiteres Wörterbuch (zumeist der Garzanti, gelegentlich auch das DOP) die Ambivalenz bezeichnet, dann haben auch wir sie angenommen. Wenn nur der Zanichelli die Ambivalenz vornimmt und sonst kein anderes Wörterbuch, gehen wir von einem tendenziellen Akzent aus (s.u.). Sicherlich handelt es sich hierbei um eine willkürliche Festsetzung, die durchaus diskutiert werden kann, d.h. beispielsweise durch eine Mehrheitsentscheidung beteiligter Wörterbücher ersetzt werden könnte. Dies würde freilich die Sonderstellung des Zanichelli aufheben, dem die in der Doppeloption liegende Aussprachefreiheit am Herzen liegt. Uns ging es darum, zum einen sicherstellen, dass eine mögliche genuine Ambivalenz nicht vergessen wird, zugleich aber eine wirkliche Tendenz auch dargestellt wird.
  7. [7]Carboni & Sorianello (2012): 84-86 bieten eine gute Übersicht. Ebenfalls sehr detailliert mit konkreten Wortlisten äußert sich Dal Piai (2008): § 146 - 162.
  8. [8]So z.B. bei Vokalen mit der Wortendung -esi oder -osi. Stimmlos spricht man etwa Verbformen des Passato remoto oder des Participio passato wie accesi, compresi, nascosi oder risposi, stimmhaft hingegen gelehrte Vokabeln wie teṣi, criṣi oder nevroṣi.
  9. [9]Hierbei hilft es auch nicht, dass die stimmhafte Variante üblicherweise nur bei Vokabeln nicht-lateinischen Ursprungs auftritt, da das Studium einer neuen Sprache nicht zumutbar erscheint und auch hier die absolute Sicherheit nicht zu gewinnen ist.
  10. [10]Auch Canepari (2018: 77) äußert sich entsprechend: “as far as VsV [Vocal s Vocal] is concerned, modern neutral pronunciation resolves the problem of traditional pronunciation. Actually, every postvocalic intralexemic [= intervocalic] -s- (ie in simple words, not in compound) is voiced”. [Unsere eckige Klammer].
  11. [11]Hier geht es rein um die Klangrealisation der Vokale (= Phoneme), d.h. um ihre Artikulation, was bedeutet, dass z.B. das betonte e und o im akademischen Latein nur auf eine einzige Weise ausgesprochen werden kann. Im klassischen Latein kannte man zwar ebenfalls vom y abgesehen nur fünf Vokalbuchstaben (= Grafeme), jedoch konnten beispielsweise das betonte e und o offen oder geschlossen ausgesprochen werden, was zwei zusätzliche phonetische Vokale erbringt. Tatsächlich ergibt die vollständige Betrachtung aller sechs betonter Vokale des klassischen Lateins (inklusive des y), da alle geschlossen oder offen ausgesprochen werden können, insgesamt 12 Artikulationsmöglichkeiten (Canepari 2018: 497/498).
  12. [12]Church Latin or International Latin (Italic, IE) is similar to Italian Academic Latin, and in fact it should be pronounced exactly like it.” (Canepari 2018: 510).
  13. [13]Der Kenner wird sich wundern, dass auch das stimmhafte s, wenngleich selten, in unserer Edition alternativ, d.h. ambivalent zum stimmlosen s angeboten wird, kennt doch das klassische Latein – so will es scheinen – ausschließlich das stimmlose s. Tatsächlich ist aber die genaue (historische) Artikulation des s umstritten. Am Wortanfang und Wortende bzw. vor einem Konsonanten wurde es immer stimmlos artikuliert. Es ist möglich, wenn auch nicht bewiesen, dass es im Wortinneren zwischen Vokalen auch stimmhaft werden konnte. Daher haben wir ausschließlich für diesen intervokalen Fall ein ambivalentes s gesetzt, insbesondere aber dann, wenn das italienische Pendent stimmhaft ist.

    Zuletzt betrifft unsere Wahl vielfach Wörter wie Miserere oder Osanna, die nicht der klassischen lateinischen Sphäre angehören, sondern später Bestandteil des Kirchenlateins wurden. Sie dürften somit auch in der Aussprache näher am Italienischen stehen. Tatsächlich spricht heute niemand die beiden genannten Wörter stimmlos aus. Ob es in früheren Zeiten anders war, wollen wir mit der Ambivalenz offen lassen.
  14. [14]Die unermüdliche Einzelkämpferin Maria Soresina sieht in diesen wenigen Versen einen Beleg für die häretische Grundüberzeugung Dantes, genauer: für seine Hinwendung zum Katharismus. Wir überlassen das Urteil Anderen, wollen aber einräumen, dass die von der genannten Autorin in mittlerweile drei Büchern (2020, 2009, 2002) und diversen Videosequenzen engagiert vorgebrachten Argumente eine sorgfältige Überprüfung verdienen. Auch ist kaum abzuweisen, dass Dante sich von einer orthodox-katholischen Auslegung des Christentums gründlich entfernte und vermutlich seine ganz eigene Religion und Weltsicht entwickelt hat, welche in das grandiose Schlussbild des Paradiso einmündet: hier findet sich der Mensch schließlich selber als Abbild Gottes. So ist denn neben den vielen möglichen Deutungen des Gedichts auch die nicht auszuschließen, dass es sich bei der Divina Commedia nicht ausschließlich um ein religiöses Werk handelt, sondern um ein tiefenpsychologisches, das seiner Zeit nicht nur hier weit voraus war und das den Menschen über seine eigene Pathologie (Inferno) und eine Anerkennung derselben (Purgatorio) in die seelische Freiheit (Paradiso) führt.
  15. [15]Auf der Webseite der Associazione Espaci Occitan: http://www.espaci-occitan.org/occitano-e-occitania/lingua-occitana/lingua-doc/

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