Left Pixel Bild

III. Akzente

Diese Webseite schließt unsere Zusammenfassung der sprachlichen Grundlagen der Divina Commedia ab. Die Akzente definieren den Puls, den Rhythmus des Verses und gehören zu den zentralen, vielleicht auch am schwersten greifbaren Aspekten der italienischen Sprache. Ihre linguistische Struktur hat die Wissenschaft in heftige Kontroversen gestürzt, die bis heute nicht gänzlich gelöst und verstanden sind.

Als Belohnung für die anspruchsvolle Lektüre darf ich Ihnen versprechen, dass Sie hier etwas finden, was sonst nicht zu haben ist: ein neues Arsenal von Betonungsmöglichkeiten, das vielleicht besser, brauchbarer, musikalischer den Klangstrom der großen Dichtung aufnimmt und ausdrücken kann.

Denn um der beeindruckenden rhythmischen Komplexität in Dantes Schöpfung gerecht zu werden, war es nötig, das nicht mehr hinreichende klassische Akzentschema kanonischer Betonungen zu erweitern. Meine Edition führt – dies wäre ihr wissenschaftlicher Beitrag – eine dreiwertige Akzentlogik ein, bestehend aus starken und schwachen Akzenten sowie aus alternativen, optionalen und inklusiven Betonungsabfolgen. Die Kombination dieser Komponenten gestattet es, reale Vortragsmöglichkeiten abzubilden und versetzt Sie in die Lage, selbst im Lesen kreativ tätig zu werden.

Mit dieser dritten Webseite beenden wir unsere Zusammenfassung der sprachlichen Grundlagen der Divina Commedia. Sie haben jetzt das Rüstzeug einer kompetenten Rezitation dieses Werks, die zum einen die strengen Vorgaben des Endecasillabo einhält, zum anderen sich aber auch dessen besondere Freiheiten aufbewahrt. Und liegt nicht gerade in diesem nicht mehr weiter eingrenzbaren Wechsel der besondere Reiz unserer Dichtung?

Sollten Sie sich selbst weiterbilden wollen, schauen Sie doch auf der Webseite zur Lektüre vorbei oder nehmen Sie das eine oder andere der Bücher unserer abschließenden Literaturauswahl zur Hand.

1. Grunddefinition des Endecasillabo und Projekt seiner Kanonisierung

Um die besondere Faszination der Akzente und ihre Bedeutung für die Dichtung Dantes zu verstehen, ist es erforderlich, sich etwas eingehender mit dem Versmaß der Divina Commedia zu beschäftigen, dem Endecasillabo, und seiner besonderen Metrik. Bekanntlich formt er jede Zeile unserer Dichtung, wobei zusätzlich die Terza Rima, eine Endreimverkettung vorliegt, die uns aber hier nicht weiter zu besorgen hat.

Der Endecasillabo besitzt als Minimalvoraussetzung eine einzige, ausnahmslos geltende Strukturbedingung: er ist auf der zehnten Silbe betont. In seiner Grundform, die dann gegeben ist, wenn das letzte Wort auf der vorletzten Silbe betont ist, weist er elf metrische Silben auf.[30] Prinzipiell könnten also die anderen Silben ad libitum akzentuiert werden. Bald jedoch stellte sich heraus, dass bestimmte Akzentkombinationen häufiger als andere auftreten und daher als zusätzliches Definitionsmerkmal in Betracht kommen. So entstand das Projekt der Kanonisierung, der Beschreibung eben jener Grundmuster des Endecasillabo, und schließlich das weitergehende Postulat, dass alle Verse echter Poesie sich diesem Arrangement zu fügen hatten.[31]

Wenn auch der Versuch einer Kanonisierung in letzter Instanz als gescheitert zu betrachten ist, d.h. es nicht möglich ist, alle Verse dem System einzugliedern, wollen wir es doch kurz vorstellen, einerseits, um seinen Wert, anderseits um seine Grenzen aufzuzeigen. Wir sind dann bereit, in Überwindung des rigiden Diktats zur eigentlichen und, wie wir sehen werden, ursprünglichen rhythmischen Vielfalt des Endecasillabo fort- bzw. zurückzuschreiten.

2. Der kanonische Endecasillabo

Von einem kanonischen Endecasillabo darf man dann ausgehen, wenn zusätzlich zum uns bereits bekannten Iktus[32] auf der zehnten Silbe die vierte und/oder die sechste Silbe betont sind, was gleichbedeutend mit dem Sachverhalt ist, dass beide nicht unbetont sein dürfen. In diesem Fall hätte man einen nicht-kanonischen Endecasillabo vor sich.

Das kanonische System unterscheidet nun zwei Grundtypen, den Endecasillabo a maiore und a minore, wobei letzterer ebenfalls noch einmal verzweigt. Der Endecasillabo a maiore ist auf der sechsten Silbe betont, der Endecasillabo a minore auf der vierten Silbe. In der häufigeren Variante besitzt er eine weitere Betonung auf der achten Silbe (4-8). In der selteneren „daktylischen“ Variante ist hingegen die siebte Silbe betont (4-7). Abgesehen von diesen Grundbedingungen ist die restliche Silbenverteilung im Wesentlichen frei (Beltrami 2002: 182). Die Betonung sowohl der vierten als auch der sechsten Silbe bedient offenkundig beide Grundtypen des Endecasillabo, den a maiore als auch a minore, was aber die Linguisten nicht weiter besorgte, konnte man doch dem Rezitator überlassen, wie er einen solchen Vers auffassen bzw. lesen wollte.

Ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des kanonischen Schemas stellt sicherlich die auch heute noch richtungsweisende Arbeit von Bertinetto (1973) dar. Der Autor bezieht auch Randpositionen jenseits der zentralen Silben 4 bis 8 mit ein und legt eine umfassendere Typologie des Endecasillabo vor. Sie hat sich mit nicht ausbleibenden kleineren Modifikationen bei der Analyse anderer klassischer Werke bewährt und stellt das heute gültige System dar.[33] Ergänzt werden sollte diese Taxonomie noch durch das Phänomen des schon zuvor bekannten Kontraakzents (auch Scontro di Ictus oder Accento Ribattuto).[34] Hier sind zwei benachbarte Silben betont, oft die Silben 6 und 7, aber andere Kombinationen sind denkbar und in der Divina Commedia realisiert.

Mit dieser letzten Verfeinerung hat das Modell zulässiger kanonischer Varianten seine Grenze erreicht, will es sich nicht durch weitere Verästelungen gänzlich unbrauchbar machen. Es besteht aus einer Liste der wesentlichen Versformen des Endecasillabo und dem Zutrauen, damit die dichterische Realität fast vollständig abgebildet zu haben. Tatsächlich aber ist die Wirklichkeit komplexer. Denn das System besitzt ungeachtet seiner Qualität zwei Problemstellen, von denen wenigstens eine sich nicht mehr durch eine noch so raffinierte Anpassung aus der Welt schaffen lässt.

3. Probleme des kanonischen Systems

A. Fehlende Kodifizierung und irreduzible Existenz nicht mehr kanonisierbarer Verse

Beginnen wir mit dem kleineren Problem. Wir vermerkten oben, dass im kanonischen System die überwiegende Anzahl der Verse Dantes zuverlässig abgebildet wird und haben auch die modernen Verbesserungen dieses Projekts zur Kenntnis genommen. Gleichwohl bleibt auch hier ein Wertmutstropfen. Denn während in der Grunddefinition des Endecasillabo a maiore oder a minore neben den Akzenten auf 4, 6, 7 oder 8 grundsätzlich eine freie Akzentwahl bestand, konkretisierte das moderne Modell diese Varianten und hob damit die vollständige Freiheit wieder auf. So besitzt etwa der Endecasillabo a maiore mit Hauptakzent auf der 6. Silbe je nach Nebenakzent am Versanfang die Unterformen 1.6.10, 2.6.10 und 3.6.10. Dasselbe gilt für die alternative Version mit zusätzlicher Betonung auf der 8. Silbe. Hier ergeben sich dann die Varianten 1.6.8, 2.6.8, 3.6.8 sowie 1.3.6.8. Beim klassischen Endecasillabo a minore notieren wir mit der Hauptform 4.8.10 die Untervarianten 1.4.8.10 sowie 2.4.8.10. Und beim „daktylischenEndecasillabo a minore mit Zweitbetonung auf Silbe 7 ergeben sich die Hauptvariante 4.7.10 sowie die Untervarianten 1.4.7.10 und 2.4.7.10. Ähnliche Einschränkungen finden wir auch bei jenen Varianten des Endecasillabo, die auf den Silben 4 und 6 betont sind.

Wir haben uns diese Ausführlichkeit nicht erlaubt, um den Leser abzuschrecken, sondern um darzulegen, dass hier keine vollständige zusätzliche Akzentfreiheit vorliegt, sondern eine eingeschränkte, was bedeutet, dass Varianten, in denen andere Akzente oder Akzentfolgen vorkommen, fehlen: so etwa die Betonung der fünften Silbe, die Betonung der 9. Silbe oder die Kontraakzente.

Nimmt man sich nun der konkreten Akzentverteilung der Divina Commedia an, so gewahrt man viele dieser Sondervarianten, ja ein faszinierendes Spiel der Akzente und Akzentreihen, das sich schlicht einem so vergleichsweise übersichtlichen Schema selbst in seiner letzten Ausfertigung nicht fügt. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass zur Zeit Dantes eine explizite Kodifizierung des Endecasillabo bzw. seiner Grundtypen fehlte, was dem Dichter mehr Freiheit als späteren Autoren gab.[35] Vielleicht ist es auch einfach so, dass sich Dante dieser strukturell-normativen Enge bewusst entzog, dass er die sprachlichen Möglichkeiten, genauer: die Permutationen des Endecasillabo ausreizen wollte und am Wechsel des Rhythmus Gefallen fand.

Natürlich mag man auch hier rein metrische Gründe vorschieben, d.h. die Notwendigkeit, einen Vers im strengen Gerüst des Endecasillabo bzw. der Terza Rima unterzubringen, doch sind dies unsere Gründe. Wir haben keinen Anlass daran zu zweifeln, dass Dante die Setzung der Akzente und damit den Rhythmus einer jeden Zeile genau so gestaltete, wie er es wollte. Wir würden den besonderen Reiz dieser Variation, ja die Kraft des Ungewöhnlichen, die aus diesen Versreihungen folgt, einer bloßen technischen Notwendigkeit zuschieben und damit die dichterische Fähigkeit des Poeten herabsetzen.

Gleichwohl könnte man einwenden, dass ein verbessertes, flexibleres kanonisches System, also etwa eines, das noch feinere Ausnahmeklauseln einführt, wenigstens prinzipiell in der Lage sein müsste, die gesuchte Aufgabe zu erledigen.[36] Das zweite Problem hingegen ist grundlegender Natur und nicht mehr heilbar.

B. Das Problem der Ausführung (des Vortrags)

Es besteht darin, dass das zweiwertige Akzentschema, welches betonte von unbetonten Silben unterscheidet und keine weitere Differenzierung zulässt, den realen Fluss des Sprechens nicht recht abbildet. So zeigt sich beim Anhören professioneller Rezitationen der Divina Commedia, dass Betonungsnuancierungen, d.h. feine Lautstärkeunterschiede zwischen den Akzenten, dem bipolaren System entgehen. Man war nun gewohnt, diese Feinheiten in die Freiheit des Vortragenden zu legen, d.h. sie nicht als genuines Primärmerkmal der Metrik, als dem Vers selbst innewohnend zu betrachten, sondern als nachrangiges, akzidentelles Moment der Esecuzione, der Ausführung oder der Elocuzione, der Sprechweise. Dies führte dazu, dass in Grenzfällen schwächerer Akzentuierung einmal ein Akzent gesetzt wurde und einmal nicht. Im ersten Fall erschien der Akzent überprominent, im zweiten Fall fehlte er. Zudem gab es Konstellationen, bei denen ein starker Akzent gesetzt werden konnte, aber nicht gesetzt werden musste, d.h. beide Optionen waren zulässig. Was für Einzelakzente zu beobachten war, gilt – wie wir sogleich sehen werden – auch für Akzentkombinationen. Auch hier sind sich einschließende, sich ausschließende sowie fakultative Varianten denkbar.

Eine wirkliche Abbildung des konkreten Vortrags sollte diese Wirklichkeit erfassen und damit zum Ausdruck bringen, dass die Varianz bereits im Vers angelegt ist, in seiner semantischen und poetischen Struktur, und nicht erst vom Ausführenden sekundär hinzugefügt wird.

4. Die neue Edition – unser Beitrag zu einem Verständnis der Akzente

Wir haben – dies wäre der wissenschaftliche Beitrag unseres Textes – eine solche Abbildung unternommen. Sie ist der erste Versuch einer realistischeren Dokumentation der in der poetischen Rezitation, d.h. im gesprochenen Italienischen sich ausdrückenden Akzentstrukturen und kann vielleicht weiteren Forschungen als Grundlage dienen.

Beginnen wir mit der Stärke der Akzente und kommen wir dann zum Problem der Kanonisierung. Vermutlich wäre es möglich, durch ein präzises Studium der konkreten Aussprache mehrere Stufen der Betonung in Abhängigkeit vielleicht auch von deren Prolongation festzulegen und damit ähnlich wie in der Musik, die Dynamik und Dauer des Phonems zu fixieren.

In der (klassischen) Musik – wir erinnern uns – hat der Komponist die Tondauer im Allgemeinen präzise bestimmt, die Lautstärke jedoch entweder unbestimmt gelassen oder in Abstufungen vom Pianissimo bis zum Fortissimo markiert. Dabei geht es meistens um längere Tonphrasen. Ein einziger Ton kann mit einem Sforzato oder Subito piano aus dem Klangkontext herausgehoben werden.

In der Sprache ist die Länge eines Wortes zunächst lexikal festgelegt. D.h. wir wissen, dass man etwa das a in casa lang spricht, das a in cassa kurz. Eine Stärkeangabe hingegen fehlt. Zwar kennt man auch hier den Akzent, wie etwa bei càccia, aber damit ist keine zusätzliche Verstärkungsinformation verbunden. Bestenfalls, wie bei città, markiert er vor allem die Lage, d.h. hier die Betonung der letzten und nicht der üblichen vorletzten Silbe.

Wir sprachen davon, dass man vielleicht ein System entwickeln könnte, welches differenzierter die Lautstärke eines Akzents abgestuft in den Text einträgt und – für Puristen – noch die Länge der Silbe, doch geraten wir hier vor kaum lösbare praktische Schwierigkeiten. Wie soll man eine solche Verfeinerung grafisch gestalten und wie soll man sie verwirklichen, ohne den Interpreten, der auch mit Blick auf die Dynamik und zeitliche Ausdehnung noch Freiheiten benötigt, zu sehr einzuengen?

Die Lösung, die wir vorschlagen, soll praktikabel, realistisch, flexibel und instruktiv sein. Sie darf den Lernenden nicht überfordern, d.h. sie muss einfach erkennbar und umsetzbar sein. Sie soll zudem die Sprachwirklichkeit besser abbilden, d.h. dem klassischen System der Akzentuierung eine zusätzliche, mittlere Nuancierung zur Verfügung stellen. Sie soll ihm dabei noch immer ausreichend Spielraum der Gestaltung belassen. Und sie will ihn zuletzt informieren. Sie soll ihm zeigen, welche Grundstruktur der Akzente ein Vers hat und innerhalb welcher Grenzen (constraints) sich der neutrale, d.h. nicht stilistisch bewusst exaltierte Vortrag entfalten mag.

Sie nimmt dem Sprechenden also nicht die interpretative Freiheit, sie gibt ihm vielmehr das Wissen um die tonalen Zentren, die Akzentstruktur des Verses und damit die sprachliche Kompetenz, ad libitum auch von unserem System abzuweichen.[37]

A. Die dreiwertige Akzentlogik: stark und schwach betonte Akzente

Um dieses Ziel zu erreichen, war es nötig, die zweiwertige Akzentlogik zu verlassen und durch ein dreiwertiges System zu ersetzen. Ich unterscheide stark betonte Akzente von schwach betonten Akzenten und unbetonten Silben. Diese dreifache Akzentlogik ist leicht zu greifen und dennoch erstaunlich wirksam in der Aufschlüsselung der realen Dynamik unseres Endecasillabo. Denn der Leser hat so ganz klar jene starken Hauptakzente vor sich, die üblicherweise deutlich betont sind. Er weiß, wo schwächere Nebenakzente sind, die noch hörbar sind, aber sich den Hauptakzenten unterordnen, und er kennt jene Silben – das hatte auch schon das alte System geleistet – die nicht zu betonen sind. Unser System greift zwar dadurch bestimmend in den Text ein, es belässt dem Leser aber noch immer genug Schattierungen der Akzentuierung, etwa in Lautstärke, Geschwindigkeit oder Tonhöhe.

Das Problem der Über- oder Unterbetonung von Akzenten im mittleren Lautstärkebereich ist damit insofern aus der Welt geschafft, als diese Akzente jetzt eine eigene Kennzeichnung erhalten und nicht dem bipolaren Entscheidungszwang zum Opfer fallen, also entweder zu stark oder gar nicht markiert werden.

B. Schwach betonte Akzente versus Sekundärakzente

Ein mögliches Missverständnis haben wir aus dem Weg zu räumen. Bei den schwachen Akzenten handelt es nicht um die sog. Sekundärakzente, welche die Linguistik intensiv beschäftigt haben. Sekundärakzente sind schwächere Markierungen innerhalb eines Wortes, das bereits einen Primärakzent besitzt. Wir folgen hier der Einschätzung Bertinettos (1981), der Sekundärakzente ablehnt bzw. nicht als dem Italienischen wesentliches linguistisches Strukturmoment anerkennt.[38] Dolceménte beispielsweise ist somit einzig auf dem mittleren e betont und nicht zusätzlich schwächer auf dem o.

Jedes Wort kennt demzufolge nur einen Akzent. Unsere schwachen Akzente sind also die einzigen Akzente eines Wortes, was bedeutet, dass ein Wort entweder einen starken oder einen schwachen oder gar keinen Akzent haben kann, d.h. unbetont ist. Damit ist ausgedrückt, dass zwar jedes Wort rein grammatikalisch für sich betrachtet einen Akzent besitzt, d.h. eine Betonungsmitte – bei uscìto etwa wäre dies das i –, dieser jedoch im konkret ausgesprochenen Satzkontext auch unbetont erscheinen kann, so etwa im Falle von „uscito fuòr“, wo das uscito schnell und unbetont gelesen wird, das fuor dagegen auf o stark betont ist.

Wir sprachen oben noch von optionalen Akzenten sowie von Akzentkombinationen alternativer, ausschließender oder einschließender Natur. Auch hier wollen wir eine Lösung anbieten.

C. Alternative Akzente

Alternative Akzente sind solche, bei denen der Leser einen bestimmten oder den darauffolgenden Akzent setzen kann. Somit ist von zwei aufeinanderfolgenden Akzenten einer betont, der andere jedoch unbetont. Meistens handelt es sich um Nachbarsilben. Die alternativen Akzente können in betonter oder schwach betonter Form auftreten, ganz selten ergibt sich auch eine dynamische Mischung aus beiden. Wichtig ist, dass nur einer der beiden Akzente betont wird. Es handelt sich also logisch um das ausschließende Oder (A oder B). Bezeichnet wird diese Variante in unserer Edition durch einen Schrägstrich zwischen den Akzenten.

D. Inklusive Akzente

Etwas komplexer sind die inklusiven Akzente. Auch hier haben wir es mit zwei einander folgenden Betonungsschwerpunkten, zumeist angrenzenden Silben, zu tun. Im Gegensatz zu den alternativen Akzenten ist aber zusätzlich die Betonung beider Silben möglich. Der Leser kann also die erste und nicht die zweite, die zweite und nicht die erste und schließlich beide betonen. Und auch hier macht es keine Mühe sofort zu erkennen, dass wir logisch das einschließende Oder instanziiert haben (A und oder B). Ein Punkt zwischen den Akzenten markiert diese Variante.

E. Optionale (fakultative) Akzente

Was aber machen wir in Fällen, wo der Sprecher einen einzelnen Akzent oder eine wohl abgegrenzte Akzentkombination entweder betonen oder nicht betonen möchte? Hier haben wir es mit einem optionalen Akzent oder einer optionalen resp. fakultativen Akzentgruppe zu tun. Der Rezitierende kann also dieses Element hervorheben oder darauf verzichten. Eine Klammer markiert diese Variante. Wir fügen sie entweder um einen einzelnen Akzent oder eine Akzentgruppe, die dann komplett gelesen oder komplett nicht gelesen wird.

Eine Frage drängt sich uns auf. Was geschieht im Falle eines starken Akzents? Führt die Wahlfreiheit zu seinem kompletten Weglassen oder führt sie dazu, dass sich der Akzent in einen schwachen Akzent verwandelt? Diese Entscheidung haben wir offen gelassen. Es soll genügen zu wissen, dass der fragliche starke Akzent in seiner Dynamik reduziert vorgetragen werden kann oder nicht betont wird. Seine Dominanz als starker Akzent ist daher keine unbedingte. Das Ausmaß der Einschränkung ergibt sich in der konkreten Ausführung. Hier mag es durchaus denkbar sein, dass zwischen unterschiedlichen Sprechern drei Formen der Betonung und zwei der Reduktion möglich sind.

F. Vorteile des neuen Systems

a. Akzentdynamik und Flexibilität

Was haben wir durch unser Schema erreicht? Wir haben den realen Wortfluss, die konkrete Rezitation insofern abgebildet, als wir die unterschiedliche Dynamik der Akzente erstmals systematischer erfasst und in ihrer Bedeutung herausgestellt haben. Wir haben zudem Variationen im Vortrag beschrieben. Sie berücksichtigen, dass einzelne Akzente oder Akzentgruppen von unterschiedlichen Personen unterschiedlich markant ausgesprochen werden und auch weggelassen werden können. Hierbei handelt es sich nicht um reine Willkür, d.h. beliebige Experimente des Einzelnen, sondern um Möglichkeiten, die in der Sprache selbst liegen und insofern ihre Struktur und Freiheit abbilden. Ein Vers besitzt somit das Potenzial unterschiedlicher Artikulationsweisen: diese Pluralität ist Teil seiner Substanz, seiner sprachlichen Bestimmung. Sie ist ihm inhärent und kein Sekundärmerkmal.

Dennoch sprechen wir nur von sinnvollen, dem Italienischen eigenen Hauptformen des Vortragens, von in der Praxis verwurzelten Grundstrukturen. Sprache und Interpretation kann und darf jenseits dieser Möglichkeiten sich ausdrücken. Denn Verfremdung und komplexe Neugestaltung ist Teil der interpretatorischen Freiheit, Teil des in der Kunst Erlaubten. Sie kann, wenn sie wissend geschieht, eindringlich wirken. Unser System soll dieses Wissen des rhythmischen Zentrums, genauer: der plausiblen rhythmischen Zentren vermitteln und damit einladen, in die eine oder andere Richtung zu experimentieren. Es bevormundet nicht, es informiert. Der Rest ist Kunst.

b. Auswirkung auf die Kanonisierung

Doch auch in Bezug auf die Kanonisierung machen wir bedeutsame Fortschritte. Mit der Hinzufügung schwacher Akzente sind mehr Akzentkombinationen denkbar und auch solche, die üblicherweise gerne weggelassen werden. Zwar ist es auch mit dem herkömmlichen System möglich, alle Silben eines Endecasillabo von 1 bis 9 zu betonen. Oft jedoch, bei Nebensilben der Positionen 1 bis 3 oder vor allem 9, welche nahe an der immer betonten 10 liegt, entfällt diese Bezeichnung, da man diesen Akzenten die volle Betonungsgewalt nicht zutraut. Unser System inkludiert sie einzeln oder im Verbund mit anderen Akzenten. Damit erscheinen häufiger auch nicht kanonische Akzentformationen, d.h. die Versstruktur der Divina Commedia zeigt ihre wirkliche Vielfalt.

Ich bin der festen Meinung, dass das kanonische System die metrische Pluralität dieses Werkes nicht einfangen kann. Sicherlich handelt es sich hierbei um eine erste, wichtige Festsetzung und sicherlich behält das Schema in gebührender Relativierung in der letzten Erweiterung eines Bertinetto oder seiner Nachfolger seinen Wert. Es erschöpft aber nicht die konkreten Möglichkeiten. Letztlich ist der Endecasillabo des Dante frei. Letztlich besitzt er eine fast unbegrenzte Permutationsvarianz. Und genau in dieser Freiheit liegt seine Schönheit und Größe.

Denn Dante hat, im Gegensatz zu späteren Autoren wie vor allem Petrarca seine Sprache selbst geformt und formen können. Er war nicht jenen Normierungen unterlegen, die sich später dem Vers angedient haben. Es ist nicht so, wie mancher schreibt, dass Dante mit jedem Vers an die Grenze der Regel geht oder sie bricht. Er gestattet sich vielmehr innerhalb der Minimalvoraussetzung der betonten zehnten Silbe und der zentralen Betonungsmöglichkeiten der vierten, sechsten, siebten und achten Silbe ein grandioses Spiel der Dynamik, das im Wechsel, im Unberechenbaren und im je Eigenen Lust schafft.

Die Gewalt dieser Dichtung ergibt sich nicht rein aus der Wiedergabe des Systems, sondern aus der fast unbegrenzten Freiheit, der Entdeckung immer neuer Möglichkeiten, dann wiederum in der Rückkehr zu demselben kanonischen Prinzip, um es im nächsten Vers wieder zu verlassen. Diese Freiheit ist der eigentliche Kern des Endecasillabo. Diese Freiheit schafft nur dieser besondere Vers und vielleicht ist dies auch ein Grund, warum Dante ihn wählte. Denn in dieser Freiheit drückt sich aus, was der Dichter im Werk selber verwirklichen wollte: die Freiheit und Größe der Dichtung, des menschlichen Geistes und zuletzt der menschlichen Existenz. Und vielleicht sind es die Vehemenz und Unbedingtheit, mit welcher Dante diesen Anspruch verwirklicht, die uns über Jahrhunderte hinweg an das Werk gefesselt haben und nicht mehr loslassen.

G. Vorgehensweise

Unsere Edition schließt also mit einer Markierung der Akzente. Hierzu war es erforderlich, den Text von sechs Muttersprachlern gelesen zu dechiffrieren.[39] Auch mochten zwei Datenbanken, jene von Robey (2003) und jene der Padova-Gruppe (AMI) zu Hilfe kommen.[40] Zunächst habe ich die Verse eines jeden Canto einzeln skandiert, d.h. eine unvoreingenommene Erstaufteilung der Akzente vorgenommen. Dann habe ich diese in fester Reihenfolge mit sechs Audioeinspielungen verglichen und daraus jene Varianten extrahiert, die mir sinnvoll erschienen. Parallel habe ich mein Ergebnis mit den genannten beiden Datenbanken abgeglichen. Eine solche Arbeit hat zwar Monate an Zeit aufgewendet, das Ergebnis war jedoch zutiefst befriedigend. Denn nicht nur hat mich das Projekt tiefer in das Geheimnis der Akzente, des Rhythmus und der Sprachmuster unseres großen Poeten geführt. Es hat sich auch herausgestellt, dass die von mir eingeführten Komponenten die realen Möglichkeiten der Rezitation wirksam abzubilden vermochten. Denn es ergibt sich in der Kombination der Parameter eine enorme Vielfalt von Bezeichnungsfiguren, wodurch auch komplexere Strukturen erfolgreich dargestellt werden können. Da diese Pluralität aber auf wenigen Grundsymbolen beruht, bleibt sie dennoch verständlich.

H. Ergebnis

Der Leser hat schließlich jene Grundformen plausibler Rezitation vor sich, die aus einem kultivierten Sprechen extrahiert wurden und dieses beschreiben. Es handelt sich um eine musikalische Bezeichnung, da auch Nuancierungen der Lautstärke, der Pointierung involviert sind und damit der Fluss des Vortrags natürlich, melodischer wird. Sie sind, eine berühmte Metapher Otto Neuraths bemühend, eine Leiter, die zum Wissen führt und die dann, wenn das Wissen erreicht ist und künstlerische Intuition an seine Stelle tritt, zur Seite geworfen werden kann.

Rechts von jedem Vers findet sich seine Akzentstruktur. Die Hauptakzente auf den Silben 4 bis 8 sind im Text durch Unterstrich markiert, beides in blauer Schrift. Gemeinsam mit den Zeichen zur Aussprache öffnet unser System dem interessierten Leser eine gewinnende Interpretationshilfe, die einzig dem Ziel dient, ihn beglückender auf der Reise durch die Dichtung der Divina Commedia zu begleiten, ihren betörenden Klang, ihren visionären Mut, ihre überwältigende Schönheit.

I. Exkurs: Die Zäsur

Mit der Zäsur begegnet uns ein linguistisches Phänomen, das in der Literatur überaus kontrovers diskutiert wurde, ohne dass es zu einer einheitlichen Lösung gekommen wäre. Wir wollen uns hier klar positionieren und dem Leser darlegen, warum wir auf die Bezeichnung der Zäsur in unserer Ausgabe komplett verzichtet haben.

Grundsätzlich erscheint es möglich, einen Endecasillabo in zwei (ungleiche) Halbverse zu unterteilen und eine rhythmische Sprechpause[41] zwischen ihnen anzunehmen. Diese Pause soll unmittelbar auf das Ende des Wortes folgen, welches die betonte Hauptsilbe trägt, d.h. jene Silbe, die außer der immer betonten zehnten den Typus des Verses definiert. Beim Endecasillabo a maiore wäre das also das Wort mit der sechsten Silbe, beim Endecasillabo a minore das Wort mit der vierten Silbe. Die genaue Ausführung dieser Trennungsanweisung führt jedoch bald zu weiteren Konstellationen, wenn nicht gar Komplikationen. Denn je nach Länge und Endungstypus des kritischen Wortes ergeben sich unterschiedliche Trennpunkte. Beim Endecasillabo a maiore (6-10) kann die Zäsur nach der sechsten, siebten oder achten Silbe erfolgen[42], beim Endecasillabo a minore (beider Untertypen, also 4-7 und 4-8) nach der vierten, fünften und bisweilen auch sechsten Silbe.[43]

Was aber passiert bei den erweiterten kanonischen Varianten, die wir in Bertinettos Schema kennengelernt haben sowie bei nicht-kanonischen Versen? Hier würden wir zunächst nach dem oben festgelegten Prinzip verfahren und die Zäsur ebenfalls nach dem Wortende der betonten Hauptsilbe lokalisieren. Fällt etwa der innere Hauptton auf die zweite, dritte oder fünfte Silbe, dann befindet sich auch die Zäsur entsprechend nach dem Wortende dieser Silbe. Bei einer Piano-Endung wäre dies dann nach der dritten, vierten oder sechsten Silbe.

Damit ist es jedoch nicht getan. Denn bislang haben wir stillschweigend unterstellt, dass die genannten Silben die am stärksten betonten innerhalb eines Verses sind. Tatsächlich aber liegt es in der interpretativen Freiheit des Vortragenden zu entscheiden, welche der Silben er stärker und welche er schwächer akzentuiert. Ist neben der betonten Hauptsilbe noch eine andere ebenso stark betont, dann ergibt sich eine weitere Zäsur, die sog. Doppelzäsur, welche den Vers in drei Teile spaltet (vgl. Elwert 1968: 54ff.). Im kanonischen Fall 4-7 würde bei gleichbetonten Silben und Piano-Endung eine Zäsur an Position 5 und 8 anzunehmen sein. Analog gilt dies für alle erweiterten oder nicht-kanonischen Varianten mit Gleichbetonung der Silben.

Die Dynamik der Akzente gestattet schließlich eine weitere Unterscheidung. Sind die im letzten Abschnitt beschriebenen Akzente im Satzinneren schwach markiert, spricht man von einer schwachen Doppelzäsur, tritt neben dem Iktus auf der zehnten Silbe kein weiterer Hauptton hervor, entfällt die Zäsur (ibid.).

Dies alles soll uns zeigen, dass selbst bei bestem Willen eine einfache Systematisierung der Zäsur sich nicht ergibt. Im Wesentlichen darf man davon ausgehen, dass sie nach einem Hauptakzent zu erfolgen hat, wobei es jedoch bei mehreren dieser Akzente dem Leser obliegt, wo er die Zäsur bzw. die Zäsuren setzt und ob er sie überhaupt setzt. Denn bei der Zäsur handelt es sich – dies wäre eine weitere wichtige Einschränkung – um ein genuin metrisches Merkmal, das den Vers in geeigneten Fällen strukturiert. Die Ausführung (Esecuzione) ist prinzipiell davon unabhängig, d.h. die zeitliche Aufteilung eines Verses gestattet alle stilistischen Freiheiten, was bedeutet, dass der Rezitierende selbst nach einem Hauptakzent auf eine Sprechpause ganz verzichten kann.

Nimmt man nun die reale Komplexität der Akzente in der Divina Commedia, so versteht man, warum sich die Zäsur im Endecasillabo Dantes zunehmend verflüchtigt und die mit ihr befassten Autoren ihre Bedeutung relativiert, wenn nicht gar aufgehoben haben.[44]

Es handelt sich also um eine optionale Markierung, um ein virtuelles, sekundäres Merkmal des Endecasillabo, das für bestimmte Verse funktioniert, für andere jedoch nicht und das keine bindende Wirkung auf den Vortrag hat. Da wir in unserer Edition die Akzente komplett ausgeschrieben haben und die Zäsur im wesentlichen nach denselben erfolgt, d.h. durch sie definiert ist, entfällt die Notwendigkeit, sie zusätzlich zu markieren. Der Leser erkennt die rhythmische Struktur des Verses und entscheidet selbst, ob und wo er Sprechpausen setzt. Der Verzicht bietet einen weiteren Vorteil. Er erhält die rein den Akzenten inhärente Neutralität möglicher Rezitation, spaltet den Endecasillabo nicht künstlich in zwei Halbverse, bewahrt also seine Einheit und suggeriert nicht eine bestimmte, aus der optisch wahrnehmbaren Trennung sich mechanisch ergebende Leseart.

Selbst bei Berücksichtigung fester Akzentstrukturen ist die rhythmische Gestaltung derselben frei, d.h. der Leser bestimmt die zeitliche Dimension des Satzes. Dieser Grundsatz gilt a fortiori für die variablen Akzentlösungen meiner Edition sowie für die grundsätzliche, fast unbegrenzte Akzentvarianz des Endecasillabo eines Dante. Es ist meine feste Überzeugung, dass man diesen Vers nur als Ganzes und nur in seiner schillerndenden sprachlich-musikalischen Permutation verstehen und lesen kann. Die Zäsur bemächtigt sich dieser Freiheit. Sie zerstört die Einheit des Verses und drängt dem Betrachter eine Beschränkung auf, die er entweder selbst vornehmen kann oder nicht benötigt. Wir haben die Zäsur deshalb nicht in unsere Edition aufgenommen.

IV. Ausblick

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich möchte Ihnen gratulieren. Sie haben jetzt das nötige Handwerkszeug, um sich ganz in die Divina Commedia zu vertiefen. Sie sind in der Lage, den Text authentisch und kreativ zugleich zu lesen. Sie verstehen das Spiel der metrischen Grundfiguren und Sie wissen, was Sie mit den Akzenten anzufangen haben.

Gleichwohl ist mein System nur die Einladung, selbst auf eine Entdeckungsreise zu gehen. Denn mit jedem Canto, den Sie in sich aufnehmen, eröffnen sich Ihnen neue Gedanken, neue Schicksale, neue Welten. Sie erfahren etwas über Dante, über unser Menschsein und schließlich über sich selbst. Sie tauchen ein in ein Werk, das sein Geheimnis selbst nach Jahrhunderten nicht preisgegeben hat. Neben einer unerreichten Kraft der Sprache und einer bewundernswerten Klarheit in Ausdruck und Beschreibung stehen Visionen, die den Text selbst transzendieren. Zu den Bildern, die Sie sehen, gehören Klänge, die Sie begleiten und Gefühle, die sich Ihnen erschließen: Vorboten des Intuitiven, Zeugen einer tieferen Wahrheit und Freiheit.

Nehmen Sie sich Zeit für dieses einzigartige Werk. Genießen Sie den Prozess der Erschließung des Unbekannten. Begeben auch Sie sich auf eine Wanderung durch den Raum, die Zeit und Ihre eigene Seele.

V. Literatur

Battaglia, Salvatore (1961-2002). Grande Dizionario della Lingua Italiana. [Giorgio Bárberi Squarotti: UTET] Torino: Unione Tipografico-Editrice Torinese.

Bausi, Francesco & Martelli, Mario (1993). La metrica italiana. Teoria e storia. Firenze: Le Lettere.

Bayerische Akademie der Wissenschaften (2021). Dictionnaire de l’occitan médiéval (DOM). [http://www.dom-en-ligne.de/].

Beccaria, Gian Luigi (1984). Cesura. In U. Bosco, Umberto. Enciclopedia Dantesca (1970). Seconda Edizione Riveduta (1984). Edizione Speciale per la Collana «Orsa Maggiore» in Tiratura Limitata (1996). Roma: Istituto della Enciclopedia Italiana.

Bellomo, Leonardo (2016). Ritmo, metro e sintassi nella lirica di Lorenzo de’ Medici. Padova: Edizioni libriuniversitaria.it.

Beltrami, Pietro G. (2015). L’esperienza del verso. Scritti di metrica italiana. Bologna: Società editrice di Mulino.

Beltrami, Pietro G. (2011). La metrica italiana. Quarta Edizione (2002). Bologna: Il Mulino.

Bosco, Umberto (1984). Enciclopedia Dantesca (1970). Seconda Edizione Riveduta (1984). Edizione Speciale per la Collana «Orsa Maggiore» in Tiratura Limitata (1996). Roma: Istituto della Enciclopedia Italiana.

Canepari, Luciano (2018). Italian Pronunciation & Accents. Geo-social Applications of the Natural Phonetics & Tonetics Method. München: Lincom Gmbh.

Canepàri, Luciano & Giovannelli, Barbara (2012). La buona pronuncia italiana del terzo millennio. Manueletto d’italiano neutro con sonori, esercizi e test. Quarta edizione. Roma: Aracne editrice S.r.l.

Canepàri, Luciano (2009). Il DiPI. Dizionario di Pronuncia Italiana. Bologna: Zanichelli editore.

Carboni, Giancarlo & Sorianello, Patrizia (2011). Manuale professionale di dizione e pronuncia. Come educare la voce parlata. Milano: Editore Ulrico Hoepli.

Carini, Claudio (2019). Dante Alighieri. Divina Commedia. Edizione integrale. Audiolibro. Terza edizione. Recitar Leggendo Audiolibri.

Castiglioni, Luigi & Mariotti, Scevola (2007). Il vocabolario della lingua latina. Quarta Edizione. Torino: La Lœscher editore (Bologna: Zanichelli editore S.p.a.).

Cecchini, Silvia (2010). La Divina Commedia. Audiolibro. Gli Ascoltalibri / Collina d'oro.

Dal Bianco, Stefano (2007). L’endecasillabo del Furioso. Roma: Pacini Editore SpA.

Dal Piai, Giorgio (2013). Dizióne e Fonètica. Un’esperienza didattica per il teatro. Prima edizione digitale. Milano: Adriano Salani Editore.

Dizionario ItalianoOccitano-OccitanoItaliano. Norme ortografiche, scelte morfologiche e vocabolario dell’Occitano Alpino orientale (1998-2001). Cuneo: Più Eventi Edizioni. [https://www.piueventi.it/dizionario-occitano.php].

Elwert,W. Theodor (1968). Italienische Metrik. München: Max Hueber.

Fasani, Remo (1992). La metrica della «Divina Commedia» e altri saggi di metrica italiana. Ravenna: Longo Editore.

Formentin, Vittorio (2010). Fonetica storica. In Raffaele Simone, Enciclopedia dell'Italiano. Roma: Istituto dell'Enciclopedia Italiana (Treccani). [https://www.treccani.it/enciclopedia/fonetica-storica_(Enciclopedia-dell%27Italiano)/].

Gabrielli, Aldo (2020). Grande Dizionario Italiano. Quarta Edizione con Versione Digitale Scaricabile Online. Milano: HOEPLI S.p.A.

Gaffiot, Félix (2016). Dictionnaire Latin Français. Nouvelle edition revue et augmentée, dite Gaffiot 2016 (version V. M. Komarov). Direction: Gérard Gréco.

Garzanti Linguistica (2017). Il Grande Dizionario Italiano. Con licenza online. Milano: Garzanti Linguistica / Novara: De Agostini Publishing S.p.A.

Gruppo Padovano di Stilistica (2000-Oggi). L’Archivio Metrico Italiano (AMI). [https://linguaetesto.wordpress.com/2013/03/12/larchivio-metrico-italiano-ami/].

Inglese, Giorgio (2016). Dante Alighieri. Commedia. Revisione del testo e commento di Giorgio Inglese. Inferno e Purgatorio: Nuova Edizione. Roma: Carocci editore.

Jeanneau, Gérard et al. (2017). Dictionnaire Latin-Français. [https://www.prima-elementa.fr/Dico.htm].

Lansing, Richard (2010). The Dante Encyclopedia. London & New York: Routledge /New York: Garland Publishing.

Lanza, Antonio (1996): Dante Alighieri. La Commedìa. Testo critico secondo i più antichi manoscritti fiorentini. Nuova edizione a cura di Antonio Lanza. Anzio: De Rubeis Editore.

Manni, Paolo (2013). La Lingua di Dante. Bologna: Società editrice il Mulino.

Marescotti, Ivano (2011). Dante Alighieri. La Commedia di Dante interpretata da Ivano Marescotti. Con introduzione ai canti di Riccardo Bruscagli. Audiolibro. Cofanetto 12 CD Audio. Zanichelli Editore.

Menge, Helmut (1996). Menge-Güthling (1911): Langenscheidts Großwörterbuch Lateinisch-Deutsch. 25. Auflage (1996). Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt.

Menichetti, Aldo (2013). Prima Lezione di Metrica. Edizione digitale. Roma-Bari: Gius. Laterza & Figli Spa.

Menichetti, Aldo (1993). Metrica italiana. Fondamenti metrici, prosodia, rima. Roma: Salerno Editrice / Padova: Editrice Antenore.

Migliorini, Bruno et al. (2010). DOP – Dizionario Italiano Multimediale e Multilingue d’Ortografia e di Pronunzia. Roma: Rai Radiotelevisione Italiana.

Ouvrard, Yves et al. Collatinus web. Online lemmatiser and morphological analyser for Latin texts: [https://outils.biblissima.fr/en/collatinus-web/].

Paden, William D. (1998). An Introduction to Old Occitan. Second printing (2001). New York: The Modern Language Association of America.

Pertsch, Erich (1983). Langenscheidts Handwörterbuch Lateinisch-Deutsch (1971/1983). 6. Auflage (2000). Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt.

Petrocchi, Giorgio (2003). Dante Alighieri, La Commedia secondo l’antica volgata a cura di Giorgio Petrocchi. Firenze: Casa Editrice Le Lettere. Terza ristampa. (Prima Edizione, Milano: Mondadori, 1966/67).

Praloran, Marco (2011). Metro e ritmo nella poesia italiana. Guida anomala ai fondamenti della versificazione. Firenze: Edizioni del Galluzzo per la Fondazione Ezio Franceschini.

Praloran, Marco (2007). Alcune osservazioni sul ritmo nella «Commedia». In Paolo Trovato, Nuove prospettive sulla tradizione della «Commedia». Una guida filologico-linguistica al poema dantesco. Firenze: Franco Cesati Editore.

Praloran, Marco (Ed.). (2003). La metrica dei Fragmenta. Roma, Padova: Editrice Antenore.

Robey, David (2003). Alighieri, Dante (1265-1321); Petrarca, Francesco (1304-1374); Boccaccio, Giovanni (1313-1375). Italian narrative poetry of the Middle Ages and Renaissance [Electronic Resource] / Oxford Text Archive, http://hdl.handle.net/20.500.12024/2455.

Robey, David (2000). Sound and Structure in the Divine Commedy. Oxford: University Press.

Rourett, Robert (2006). La Lenga dels Trobadors (la langue des troubadours). Nîmes: L’Oiseau bleu.

Sangirardi, Giuseppe & De Rosa, Francesco (2002). Breve guida alla metrica italiana. Milano: Sansoni.

Sanguineti, Federico (2001). Dantis Alagherii Comedia. Edizione critica per cura di Federico Sanguineti. Firenze: SISMEL – Edizioni del Galluzzo e Fondazione Ezio Franceschini. Fondo Gianfranco Contini. Archivio Romanzo. Collana a cura di Lino Leonardi.

Serianni, Luca et al. (2011). Lingua Commune. La grammatica e il testo. Milano-Torino: Bruno Mondadori Scuola.

Sermonti, Vittorio (2018). La Commedia di Dante. Raccontata e letta da Vittorio Sermonti. Audiolibro. Regia: Ludovica Ripa di Meana. Emons: libri & audiolibri (1988).

Smith, Nathaniel B. & Bergin, Thomas G. (1984). An Old Provençal Primer. New York & London: Garland Publishing Inc.

Soresina, Maria (2020). Dirò de l'altre cose ch'i' v'ho scorte nella Commedia di Dante Alighieri. Milano, Colibrì.

Soresina, Maria (2009). Libertà va cercando. Il catarismo nella Commedia di Dante. Bergamo, Moretti & Vitali.

Soresina, Maria (2002). Le segrete cose. Dante tra induismo ed eresie medievali. Bergamo, Moretti Honegger.

Treccani, Giovanni (1997). Il Vocabolario Treccani. Seconda edizione. Roma: Istituto della Enciclopedia Italiana.

Vettori, Iacopo (2006-2010). Lettura integrale della Divina Commedia. [http://www.iacopovettori.it/recitazione/commedia/Default.aspx].

Warner Music Italia Srl (1961-62). Dante Alighieri. La Divina Commedia. Lettura di Giorgio Albertazzi, Tino Carraro, Antonio Crast, Carlo D’Angelo, Arnoldo Foà, Achille Millo & Romolo Valli. Warner Music (2006): 12 CD Box.

Zingarelli, Nicola (2019). Lo Zingarelli 2020. Vocabolario della lingua italiana. A cura di Mario Cannella, Beata Lazzarini. Bologna: Zanichelli editore S.p.A.

Fussnotenstrich
  1. [30]Es handelt sich dann um die „piano“ Endung. In der sog. „tronco“ Version mit letztbetonter Silbe umfasst der Endecasillabo 10 metrische Silben, in der seltenen „sdrucciolo“ Gestalt, deren drittletzte Silbe betont ist, 12 metrische Silben. Für Wörter, Versabschlüsse sowie Reimformen in piano, tronco und sdrucciolo Gestalt sind in der Metrik – aus dem Griechischen kommend – auch die Bezeichnungen parossitono, ossitono und proparossitono gebräuchlich.
  2. [31]Nur, wer diesen Standard strikt einhielt, hatte das Nötige getan, und mit Stolz verkündete man, dass einer der ganz Großen der Klassik, Petrarca, das Ziel erreicht hatte.
  3. [32]Synonym für betonter Hauptakzent.
  4. [33]Zu nennen wären hier die Arbeiten eines Praloran (2011, 2007, 2003) sowie der Band, den Stefano dal Bianco (2007) über den Endecasillabo des Orlando furioso vorgelegt hat. Auch die Abhandlung von Leonardo Bellomo (2016) beschreibt detailliert die Schemata des Endecasillabo.
  5. [34]Vgl. Sangirardi & De Rosa (2002): 73.
  6. [35]Vgl. Sangirardi & De Rosa (2002): 73/74: „Il Duecento, fino a Dante incluso, è caratterizzato da una varietà di schemi molto ampia, che si spiega con l’assenza di una codificazione esplicita. Dante nella Commedia adotta la maggior quantità di schemi ritmici riscontrabile nei classici italiani.” Auch findet man “una percentuale molto bassa di endecasillabi che presentano problemi di scansione perché I loro schemi non si lasciano ricondurre ai modelli canonici.” (Ibid). Wie wir sehen werden, vergrößert sich diese Zahl, wenn man das herkömmliche bipolare Akzentschema erweitert.
  7. [36]Oder man geht den umgekehrten Weg und passt nicht das System dem Gedicht an, sondern das Gedicht dem System, was letztlich auf eine Verleugnung der sprachlichen Realität hinausläuft.

    Und tatsächlich hat es an Versuchen nicht gefehlt, die unliebsamen Verse als irregulär zu brandmarken oder sie mehr oder weniger gewaltsam durch zusätzliche Akzentuierungen auf den gewünschten Silben zu kanonisieren. So schreibt etwa Remo Fasani (1992): 77: „Tirando le somme, si vede dunque che bisogna essere più che cauti quando si parla, a proposito dell’endecasillabo della Commedia, di schemi non canonici, in quanto forse nessuno di loro resiste a un esame approfondito.“ (Hervorhebung durch mich).

    Wir wollen uns hingegen mit diesen Manövern nicht weiter befassen, da ja das andere Problem noch grundlegender ist.
  8. [37]Sie lässt die Silbenlänge bewusst frei, setzt auch keine Zäsur oder sonstigen Pausenmarkierungen, da sich diese zeitlichen Parameter aus der Stärke und Lage der Akzente bzw. dem Rhythmus des Verses quasi natürlich ergeben und ähnlich wie dies aus der Musik her bekannt ist, in die Verantwortung des Vortragenden fallen.
  9. [38]Bertinetto (1981): 247/48: „Per ciò che riguarda il problema dell’accento secondario, ho cercato di mostrare la scarsa rilevanza di questa entità teorica nel sistema prosodico italiano. Da un lato ho osservato infatti che molti presunti accenti secondari sono in realtà dei meri fatti di esecuzione (che ho chiamato ʿ accenti ritmici ʾ), legati a certe esigenze di articolazione ritmica del discorso, e strettamente dipendenti dalla diversa rapidità di elocuzione.”
  10. [39]Es waren zunächst die Autoren der historischen Aufnahme von Warner Italia (1961/62). Es folgten Claudio Carini (2019), Vittorio Sermonti (1988) sowie Ivano Marescotti (2011). Den Abschluss bildeten Iacopo Vettori (2006-10) und Silvia Cecchini (2010).

    Es ist hier nicht der Platz, auf Unterschiede zwischen den Rezitatoren hinzuweisen. Wir dürfen freilich mit Iacopo Vettori einen der Interpreten hervorheben, hat er doch mit einer mittleren Sprechgeschwindigkeit, einem Andante, und einer ruhigen, zugleich aber engagierten Vortragsweise in den meisten Fällen das richtige Maß getroffen.
  11. [40]Den Link der Datenbank Robeys findet der Leser in Fußnote 25. Das L’Archivio Metrico Italiano der Padova-Gruppe (AMI) wurde 2000 von Sergio Bozzola vorgestellt und seither kontinuierlich weiterentwickelt (https://linguaetesto.wordpress.com/2013/03/12/larchivio-metrico-italiano-ami/).

    Wir wollen nicht verschweigen, dass es zwischen diesen beiden Datenbanken, vor allem aber auch in unserer Einschätzung der Akzente zu ihnen substantielle Unterschiede gibt. Das liegt auch, aber nicht nur an der Einführung der dreiwertigen Akzentlogik. Wo Robey zu viele Akzente setzt, finden wir bei der Padova-Gruppe zu wenige. Dies mag durchaus, wie Praloran (2006: 50, zit. n. Beltrami 2015: 307), einer ihrer Mentoren, betont, daran liegen, dass der Amerikaner sich zu sehr auf eine automatische Skandierung der Texte verlässt und daher die Kontextabhängigkeit der Akzente verloren, ja den wahren Charakter des Versrhythmus zerstört hat. Die italienische Datenbank verspricht hier Besserung. (Die Informatik sei Hilfe, aber nicht Dogma und von einer individuellen phonologischen und syntaktischen Betrachtungsweise ersetzt.)

    Wir empfinden Sympathie für diese Vorgehensweise, können also dieser Einschätzung grundsätzlich zustimmen und haben ebenfalls keine syntaktisch-statistische Zuordnung vorgenommen. Freilich stellt sich heraus, dass auch die manuelle Bearbeitung der Italiener nicht wirklich befriedigen kann. Sie ist unvollständig und – wie auch die seines Pendants – nicht ohne Fehler. Beide Datenbanken durften daher konsultiert und überwunden werden. Wir würden uns glücklich schätzen, wenn es unserer Arbeit vor allem auch aufgrund des neuen Akzentsystems gelungen wäre, die Skandierung der Divina Commedia auf ein neues, realistischeres Niveau gehoben zu haben, d.h. ihr rhythmisches, aus dem lebendigen Vortrag sich erhellendes Wesen aufgeschlüsselt und zuverlässig dargelegt zu haben.

    Zu unserem Bedauern müssen wir feststellen, dass das Padova-Projekt seine Präsenz im Internet auf unbestimmte Zeit hinweg eingestellt hat. Seine Datenbank ist also gegenwärtig online nicht mehr verfügbar. Wir wollen dennoch für den Fall einer künftigen Abhilfe den alten Link hierher setzen: http://www.maldura.unipd.it/ami/php/index.php.
  12. [41]Im Moment setzen wir Zäsur mit (Sprech-)pause gleich. Später werden wir sehen, dass es sich hierbei um eine metrische Unterbrechung handelt, die zwar eine Pause im Vortrag suggerieren kann, prinzipiell aber von ihr unabhängig ist.
  13. [42]Man erhält dann vor der Trennung a) einen Settenario tronco: „di bella verità / m’avea scoverto”, b) einen Settenario piano „Allor distese al legno / ambo le mani” oder c) einen Settenario sdrucciolo: „per la similitudine / che nacque“. Die Zäsur ist hier wie unten mit dem Schrägstrich markiert.
  14. [43]Hier ergeben sich analog a) ein Quinario tronco: „noi fuggirem / l’imaginata caccia”, b) ein Quinario piano: „O voi che siete / in piccioletta barca“ oder c) ein Quinario sdrucciolo: „Tutti gridavano: / "A Filippo Argenti!“. Sämtliche Beispiele dieses Absatzes sind dem eingangs der nächsten Fußnote zitierten Artikel des Beccaria entnommen.
  15. [44]So schreibt etwa Gian Luigi Beccaria in der Enclicopedia Dantesca (1984: 929): „In D[ante] anzitutto non c'è alcuna obbligatorietà di c[esura]: il suo verso pare piuttosto organismo fortemente unitario, che non risulta dalla somma di due unità ritmiche appartenenti a versi differenti (Pernicone); la c[esura] non è mai così forte da spezzare la salda unità ritmica del verso (anche se pare più netta nei versi con parola tronca, e avvertibile ancora con parola piana [ricominciaron / le parole mie], lo è meno quando avviene sinalefe: Ma se le mie parole / esser dien seme // che frutti infamia / al traditor ch'i' rodo).“ Elwert (1968: 57) ergänzt: „Die Zäsur ist somit nicht ein wesentliches Merkmal des Elfsilbers.“

    Und Menchietti (1993: 467) notiert nach einer differenzierten Darstellung der kontroversen Beurteilungen in der Literatur: „A nostro modo di vedere, invece, la cesura dell'endecasillabo - anche quando si realizza (cioè, come vedremo, non sempre) - non ha in quanto tale nessun riflesso necessariamente percettibile sull'esecuzione; la sua percettibilità, di per sé, è solo virtuale, anche se il lettore è messo tanto piu chiaramente sulla sua traccia quanto piu frequente e percettibile è il suo coincidere con pause o sospensioni effettive. In altri termini, la cesura dell'endecasillabo, come quella di ogni altro verso non doppio o composto, si situa secondo noi prima di tutto al livello della scansione.” Die Zäsur ist mit anderen Worten nicht ein fonetisches, sondern vorrangig metrisches Phänomen (ibid: 467).
Fussnotenstrich

Addendum:
Unbetonte e- und o-Vokale und das Dilemma der Aussprache

Die Beurteilung der korrekten Artikulation unbetonter e- und o-Vokale führt uns in einen der umstrittensten, am wenigsten geklärten Bereiche der italienischen Phonologie. Denn nicht nur erbringt die genauere Betrachtung, dass die eigentlich vorgesehene geschlossene Aussprache, das Ideal, in der Umsetzung, der Konvention einer bisweilen offeneren Lösung weicht. Auch verliert sich die für betonte e- und o Vokale vorgesehene klare Opposition von geschlossener und offener Diktion in einer unterschiedlich differenziert vorgetragenen Abstufung zwischen beiden. Und schließlich gibt es innersprachliche und soziolinguistische Faktoren, die sich gegen die Norm erheben.

Wir wollen uns nachstehend die aufgeworfenen Probleme und Lösungen etwas näher ansehen, um nicht nur das Dilemma verständlich zu machen, sondern auch Wege aus ihm heraus aufzuzeigen. Schon jetzt darf ich freilich verraten, dass das Ideal seine Bedeutung zwar nicht eingebüßt hat, aber mit einer Toleranz teilen muss, mit der Möglichkeit großzügiger Abweichung, die in der Freiheit des Interpreten liegt.

1. Italiano Standard und der toskanisch-florentinische Dialekt

Es macht Sinn, sich für einen Moment historisch zu orientieren, d.h. zu klären, wie die als Standard ausgegebene Hochsprache des Italienischen entstanden ist und wo sich die Divergenz zur Realität der Sprechenden ergibt. Eine Reihe von Darstellungen hat sich verdienstvoll dieser Frage zugewandt, wobei der im Internet freigegebene Artikel von Bertinetto & Loporcaro (2005) besondere Aufmerksamkeit verdient.

Dem Kenner ist vertraut, dass es sich beim sog. Italiano Standard oder neutro um eine Abstraktion, eine normative theoretische Konstruktion handelt, die erst im 20. Jahrhundert lexikalisch ausformuliert wurde. Sie fußt historisch auf dem toskanisch-florentinischen Dialekt, wie er dort von einer gebildeten Schicht gesprochen wurde. Ausgehend von dieser Norm haben sich in Assimilation mit lokalen Dialekten regionale Varianten des Hochitalienischen gebildet, die unterschiedlich markant von der Norm abweichen. Während bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts – wenngleich nicht unumstritten – die Bemühung zu spüren war, sich dem einheitlichen Standard anzugleichen, dieser etwa in Schulen gelehrt und auf Bühnen und in den Medien gesprochen wurde, hat sich in den letzten Jahrzehnten eine zentrifugale Tendenz in den Vordergrund geschoben, gleichrangig neben dem Standard auch den regionalen Abweichungen das Existenzrecht zuzusprechen.[1]

Die vorliegende Edition nimmt diesen Sachverhalt zur Kenntnis, steht aber doch vor der Aufgabe, dem Lesenden eine Hilfestellung zu bieten, eine Basis, auf deren Grundlage er sich der Aussprache des Italienischen bemächtigen kann. Die unerschöpflich anmutende Vielfalt der lokalen Varianten, die Auflösung lexikalischer Gewissheit, die Betonung der Ausnahmen sind in der Praxis nicht zu bewältigen und führen in den Abgrund des Beliebigen. Denn nur ein Muttersprachler könnte noch die Kohärenz des Eigenen begreifen: dem Lernenden wäre sie unerreichbar.

Wir haben uns daher entschieden, ausschließlich der korrekten Artikulation des Italiano Standard nachzugehen und zu überlegen, welche Besonderheiten hier gelten.[2]

2. Vokalstruktur des Italiano Standard

Das Italiano Standard besitzt in der betonten Form sieben Vokale oder Phoneme als deren klangliche Repräsentanz (/i e ɛ a ɔ o u/)[3], die sich mit Blick auf die uns interessierenden e- und o-Vokale in zwei Gegensatzpaare auflösen: die geschlossenen Vokale e und o, auch medio-alte bzw. semi-chiuse genannt und die offenen Vokale e und o mit der Bezeichnung medio-basse oder semi-aperte. Wie uns schon bekannt ist, lässt sich die genaue Aussprache dieser kritischen Vokale nicht in sichere Regeln fassen, weshalb sie in unserer Edition explizit notiert sind. Auch finden sich markante regionale Unterschiede in der Wiedergabe, auf die wir hier nicht eingehen müssen.

Dieses siebenstufige oder auch septavokalische System reduziert sich in unbetonter Position auf fünf Vokale, wobei sich insbesondere die uns interessierenden e- und o-Vokale durch einen Prozess, den man Neutralisation nennt, auf die geschlossene Variante reduzieren. Das Italiano Standard kennt in unbetonter Vokalposition somit nur ein geschlossenes e und o. Der Vollständigkeit halber dürfen wir erwähnen, dass abgesehen von seltenen Fremdwörtern am Wortende das u wegfällt, so dass hier nur vier mögliche Vokale übrig bleiben.

Zunächst erscheint uns das alles noch übersichtlich, denn wir erwarten, dass die unbetonten e- und o-Vokale nicht nur im Text oder in der Lautschrift geschlossen geschrieben werden, sondern auch geschlossen ausgesprochen werden. Tatsächlich bedrohen aber zwei Faktoren diese Klarheit, wobei der erste von beiden prinzipiell nicht auflösbar ist. Sehen wir uns das Ganze näher an.

3. Interne, systemimmanente Faktoren der Aussprache

Beginnen wir mit den systemimmanenten Faktoren, d.h. solchen, die in der Sprache selber liegen und nicht in einer von außen, etwa von diversen lokalen Sprachmöglichkeiten eröffneten Varianz.

Die genauere Artikulation eines unbetonten Vokals lässt sich nämlich nicht isoliert festlegen. Sie ist vielmehr kontextabhängig, d.h. unterliegt einer Reihe von Zusatzbedingungen, die sich gegenseitig beeinflussen. Hierzu gehören etwa die Nähe zu angrenzenden (betonten) Vokalen, zu kritischen Konsonanten sowie die Position im Wort.[4] Grundsätzlich gibt es Kombinationen, die eine Schließung, andere wiederum, die eine Öffnung der Aussprache bewirken und das Phänomen der Neutralisation, d.h. wechselseitigen Aufhebung der Effekte.Die genauere Artikulation eines unbetonten Vokals lässt sich nämlich nicht isoliert festlegen. Sie ist vielmehr kontextabhängig, d.h. unterliegt einer Reihe von Zusatzbedingungen, die sich gegenseitig beeinflussen. Hierzu gehören etwa die Nähe zu angrenzenden (betonten) Vokalen, zu kritischen Konsonanten sowie die Position im Wort. Grundsätzlich gibt es Kombinationen, die eine Schließung, andere wiederum, die eine Öffnung der Aussprache bewirken und das Phänomen der Neutralisation, d.h. wechselseitigen Aufhebung der Effekte.

Noch immer bietet ein in die Jahre gekommener Beitrag von Castellani (1956): 55-58 die vielleicht genaueste Beschreibung der sich ergebenden Möglichkeiten. Wir wollen uns einige der zentraleren Faktoren etwas näher ansehen, um ein Gespür für die Komplexität und Problematik einer korrekten phonetischen Wiedergabe selbst im Italiano Standard zu bekommen.

Für alle Vokalpositionen außer der finalen am Wortende gelten in etwa folgende Regeln:

a. Schließungseffekte:

Liegt der unbetonte e- und o-Vokal in Angrenzung an ein betontes i, kommt es zu einer Schließung dieser Vokale (z.B. edile, egizio, ovino, ovile). Ein stimmhaftes s (bzw. ein transparenter Konsonant) nach einem unbetonten e verstärkt den Effekt (z.B. esiguo, esiste). Liegt der unbetonte o-Vokal in Angrenzung an ein betontes u, kommt es zu einer schwachen Schließung dieses Vokals (dovuto, oscuro).

b. Öffnungseffekte:

Vor und nach einem r kommt es zu einer Öffnung des unbetonten e und o (z.B. veranda, morale). In Angrenzung an einen betont offenen Vokal kommt es zu einer Öffnung des unbetonten e- und o- Vokals (z.B. terrestre, eterno, torrente, covò). Ein l oder ein anderer nasaler Konsonant führen zu einer milden Öffnung unbetonter e- und o-Vokale (z.B. levare, velare, felpato; lodare, volare, voltare).

c. Wortposition:

Finale unbetonte e- und o-Vokale werden offener ausgesprochen als unbetonte e- und o-Vokale in anderen Positionen.

d. Neutralisationseffekte:

Die Effekte der Öffnung und Schließung neutralisieren sich wechselseitig. So ist z.B. voluto (aufgrund des milden l-Effekts) offener auszusprechen als dovuto oder potuto.

e. Anpassungsgrad:

Insgesamt kommt es unter Einbeziehung aller Effekte zu einer potentiellen Öffnung der unbetonten e- und o-Vokale bis hin zu einer mittleren Vokalqualität, der sog. media. In der statistischen Gesamtbetrachtung, die uns natürlich nichts über den Einzelvokal verrät, könnte man daher sagen, dass die unbetonten e- und o-Vokale „usually somewhat intermediate“ (Bertinetto & Loporcaro 2005: 137) ausgesprochen werden sollen bzw. „tendenzialmente … chiuse“ (Serianni).[5] Und auch Castellani (1956): 58 stimmt dem zu, wenn er sagt: Credo però che si possa considerare come acquisito che e, o atone rimangon sempre più vicine a é, ó toniche che a è ò toniche (in qualunque posizione ed in prossimità di qualunque altro suono).“

Wir wollen es bei diesen Beispielen bzw. dieser Beurteilung bewenden lassen. Der Leser erkennt unschwer, dass es Effekte der Anpassung oder Assimilation, der Aufhebung oder Neutralisation gibt und erst die Gesamtbetrachtung dieser Phänomene es ermöglicht, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit festzulegen, ob und wenn, wie stark ein unbetontes e oder o zu schließen oder zu öffnen wären. Zwar liegt die Aussprache näher an der geschlossenen, aber wie nahe, bleibt einem komplexen Regelsystem überlassen, welches selbst den Fachmann überfordern könnte.

Dem Puristen wäre jetzt noch zuzutrauen, die Grade der Öffnung auszudifferenzieren und entweder ein dreiwertiges System einzuführen (geschlossen – media – offen) oder gar ein fünfwertiges (geschlossen – tendenziell geschlossen – media – tendenziell offen – offen) oder – wenn er das Ohr eines Castellani hat – sogar ein achtwertiges System.[6] Wir können und wollen diesen Versuch nicht unternehmen, da sich ungeachtet der erkämpften Feinheiten Probleme in den Weg stellen, Fragen also, die sich nicht mehr gänzlich auflösen lassen.

4. Probleme des Systems

a. Problem der Übergenauigkeit

Die Auflösung des dualen Systems offener und geschlossener Vokale in ein Kontinuum zunehmender Öffnung, welches wir soeben gewahrt haben und Versuche der Fixierung desselben führen jedoch in ein anderes Dilemma. Mit zunehmender Genauigkeit der Festlegung verliert sich der Spielraum der Aussprache und erhebt sich mächtig der Vorwurf der Übergenauigkeit, der zu weit gehenden Präzisierung. Genuine phonetische Variabilität, mögliche Nuancen und Abweichungen werden einem überrigiden Standard geopfert, das Ideal wird zum Zwang, welches sich der lebendigen Sprache entfremdet.

Der mathematisch präzise Wert suggeriert eine Gewissheit, eine scheinbar einzig legitime Umsetzung und verkennt die Pluralität der Lösungen. Besser wäre es, einen Artikulationsbereich festzulegen, in dessen Zentrum dann der wahrscheinlichste Öffnungsgrad liegen könnte, doch ist es fraglich, ob bei einer Varianz gleichwertiger Möglichkeiten es Sinn macht, jenseits des geschlossenen Ideals ein solches Zentrum zu postulieren und ob – wie uns der nächste Punkt zeigt – es dann auch auf intersubjektive Übereinstimmung bauen kann.

b. Problem des nicht erreichbaren intersubjektiven Konsens

Es ist weiterhin nicht zu erwarten, dass unterschiedliche Sprecher sich auf eine einzige Aussprachevariante einigen werden. Dies mag daran liegen, dass ausgehend von der Herkunft, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, unterschiedliche Lösungen vorgezogen werden. Und selbst wenn man das Bemühen der Sprecher unterstellt, von der lokalen Komponente zu abstrahieren und bewusst den Standard zu sprechen, wird damit zu rechnen sein, dass Effekte auf unterschiedliche Weise gewichtet werden und zudem auch die Stärke der Gewichtung variiert. Es ist also nicht auszuschließen, dass ein bestimmter Effekt von Sprechern konträr beurteilt wird oder unterschiedlich stark in die Gesamtwürdigung eingeht: Richtung und Stärke sind damit variabel, mit anderen Worten potentiell unbestimmt.

c. Verlust an Flexibilität und Vielseitigkeit der Interpretation

Ein weiterer Kritikpunkt an der Fixierung betrifft den impliziten Verlust an Flexibilität und Vielseitigkeit der Interpretation. Wie wir noch sehen werden, besteht die Kunst der Ausgestaltung bisweilen auch in der kontrastreichen Abweichung von der Norm, d.h. im Ausspielen konträrer Möglichkeiten. Die unbetonten Vokale erscheinen uns im Kontext lebendiger Sprache als amorph, als form- und wandelbar. Sie gleichen sich den betonten Vokalen an, doch sie entfernen sich auch wiederum von diesen. Selbst innerhalb einer Standardaussprache werden daher mehrere Realisierungsmöglichkeiten in Frage kommen, da die unbetonten Vokale per se fluider sind.[7] Während also die betonten Vokale als Marksteine der Prosodie, d.h. der metrisch-rhythmischen Sprachstruktur, in ihrer Qualität fixiert sein dürfen, sich als dichotome Oppositionselemente klar positionieren, fällt diese Strukturbedingung bei den der Mitte zustrebenden unbetonten Vokalen weg. Die damit einhergehende Artikulationsvarianz ist Teil der interpretatorischen Freiheit und sollte nicht durch Festlegung weggenommen werden.

d. Pragmatische Hindernisse

Zwei pragmatische Probleme stellen sich der kontextabhängigen Feinlösung entgegen. Zum einen fehlt in Lexika die Qualifikation unbetonter Vokale, d.h. es ist schwer möglich, sich bei der Beurteilung der Wörter auf einen Standard zu verlassen, der etwa dann gegeben wäre, wenn es möglich wäre, einzelnen Wörtern bzw. Silben einen Grundwert der Öffnung zuzusprechen, zu der dann noch je nach Silbenkombination Kontexteffekte hinzutreten müssten, die ebenfalls in einem Lexikon oder einer phonetischen Grammatik ausgeführt wären und auf die man sich verlassen könnte.

Natürlich wäre denkbar, dass sich die besten Kenner der Materie zusammensetzten, dass Muttersprachler unterschiedlicher Provenienz sich mit einbrächten, um ein entsprechendes Handbuch der angewandten Phonologie auf der Grundlage der Wörter sowie der realen Silbenkombinationen zu schaffen. Allein: ein solches Wörterbuch gibt es nicht und seine Erstellung ist nicht in Sicht.[8] Die Hinweise eines Castellani, so wertvoll sie uns erscheinen, sind verstreute Andeutungen, die nicht hinreichen, das gesamte Spektrum der Möglichkeiten abzubilden. Der vorliegenden Edition fehlt es also schlicht an einer festen Referenz der Feineffekte jenseits der Idealnorm.

Selbst wenn wir sie hätten, ist offensichtlich, dass ihre Komplexität die Ressourcen eines Lernenden überfordern würde. Denn zum einen soll die Edition lesbar sein, zum anderen soll sie das Gefühl von Erfolg vermitteln und nicht durch Überzeichnung abstoßen. Nehmen wir also einmal an, dass etwa unter jedem unbetonten Vokal eine Zahl einzutragen wäre, die den Grad der Öffnung angeben soll, oder ein Zahlenpaar, welches eine Abstufung bezeichnet, dann hätten wir eine verwirrende, unübersichtliche Anhäufung mathematischer Zeichen, der wenigstens eine Sicherheit zueigen wäre, nämlich jene, die Lust am Weiterlesen zu verderben.

Auch wollen wir nicht vergessen, dass mit dieser Überzeichnung der Fokus weg von den wichtigeren betonten Vokalen geführt würde und der Lernende auf dysfunktionale Weise sich der Materie näherte. Wie wir unten sehen werden, besteht die glücklichere Vorgehensweise darin, sich auf die betonten Vokale zu konzentrieren und die unbetonten intuitiv zu erfassen, d.h. in Nachahmung gelungener Vorbilder sprechend einzuüben.

Während wir also festhalten durften, dass die Wiedergabe der unbetonten Vokale kontextabhängig ist und ausgehend von der geschlossenen Referenz eine flexible Öffnung zur sog. media zulässt, insgesamt vielleicht aber doch näher an der geschlossenen Aussprache liegt, kommt noch ein zweiter Beeinflussungskomplex hinzu, dem wir uns jetzt zuwenden wollen.

5. Externe, soziolinguistische Faktoren der Aussprache

Wir hatten festgehalten, dass das Italiano Standard eine Referenzsprache, eine Abstraktion darstellt, die entlang eines historischen Prozesses in Auseinandersetzung mit regionalen Dialekten lokale Varianten des Italienischen hervorgebracht hat. Da nun die Moderne diese regionalen Ausprägungen aufgewertet hat, d.h. die Umsetzung des Hochitalienischen gleichwertige Alternativen kennt, könnte ein Kontaminationseffekt auf das Italiano Standard eintreten, d.h. auch dieses Nuancierungen hinnehmen, die vom einst vorgesehenen Ideal abweichen. Und tatsächlich stellt ein jeder Hörer fest, dass die Lektüre etwa unseres Dantetextes – selbst im Bemühen neutral zu lesen – milde abweichende Ergebnisse erbringt. Diese Abweichungen sind je nach Ambition des Sprechers unterschiedlich deutlich zu vernehmen: zwischen dem idealen und dem lokal gefärbten Standard besteht ein Kontinuum der Abweichungsmöglichkeiten. Konkret ist daher damit zu rechnen, dass die im regionalen Idiom übliche Behandlung der unbetonten Vokale sich wenigstens partiell auf die Aussprache des Standards überträgt.

Dieser Effekt hat, so will es scheinen, einen der Experten der italienischen Linguistik, Pietro Maturi (2006: 81), dazu gebracht, die Tendenz anderer Autoren zur eher geschlossenen Diktion zu überwinden und auch für die Wiedergabe unbetonter Vokale die volle Öffnung als Option einzufordern, d.h. zu konstatieren: „In realtà la norma non fornisce nessuna precisa indicazione riguardo alla loro articolazione, che di fatto può oscillare dal grado medioalto a quello mediobasso.“

Wir schließen uns dieser Einschätzung nicht gänzlich an und halten den externen, soziolinguistischen Ausspracheeffekt wenigstens teilweise für heilbar. Wenn man eine der lokalen Sprachvarianten, das Toskanisch-Florentinische der gebildeten Schicht, als Referenz nimmt, sollte es möglich sein, der Einschätzung jener Autoren zuzustimmen, welche doch eine vorwiegend geschlossene Artikulation bis hin zur media postulieren, d.h. die volle Öffnung nicht mehr als den Normalfall oder der Norm entsprechend ansehen.

Dennoch soll die Beobachtung des Maturi nicht verloren gehen. Denn es erscheint möglich, die volle Öffnung in die interpretative Freiheit des Sprechenden zu verlegen, resp. sie jenseits der geschlossenen Referenz als Stilmittel zu erhalten. Dieser Möglichkeit einer Aussöhnung wollen wir uns abschließen zuwenden und zugleich dem Leser ein System präsentieren, dass handhabbar ist und ihm die Gewissheit gibt, ein verständliches, gutes und lebendiges Italienisch zu rezitieren.

6. Flexibilität, Intuition und Stilmittel

Wir wollen uns abschließend auf einen Weg verständigen, der die hier aufgeworfenen Erkenntnisse und Komplexitäten nicht leugnet, zugleich aber doch aus dem Ungefähren herausführt und zeigt, wie sich sukzessive sprachliche Kompetenz und Sicherheit in der Diktion entwickeln kann. Es ist sicherlich nicht der einzige Weg, aber es ist einer, der vor allem den Lernenden voranbringen kann.

Wenn auch nur ein Big Player der Phonetik wie Claudio Marazzini[9] die provokante These in den Raum stellen darf, dass eine Vielzahl der eigenen Landsleute jenseits des zentralen Italiens an der korrekten Aussprache der e und o Vokale scheitert und eine aktuelle deutsche Einführung in die Phonetik des Italienischen[10] ergänzt, dass auch Muttersprachler die richtige Artikulation dieser Vokale erlernen, d.h. sich lexikal der kritischen Worte bemächtigen müssen, wollen wir unterstellen, dass ein solcher Sprecher, wenn er eine qualifizierte Ausbildung hinter sich hat, weiß, wie er das Italienische korrekt wiederzugeben hat.

Gerade hinsichtlich der uns interessierenden Nuancen kann er auf ein natürliches Sprachgefühl sich verlassen, d.h. Kontexteffekte und Angleichungen aus seinem impliziten Sprachwissen heraus setzen. Selbst wenn er sich einer Kunstsprache wie des Italiano Standard bemächtigt oder dieses in Anlehnung an das Toskanisch-Florentinische ausspricht, wird er in Kenntnis auch dieses „Dialekts“ das Richtige tun, d.h. feine Nuancierungen und wechselseitige Abhängigkeiten berücksichtigen.

Dem Lernenden ist dieses Wissen nicht gegeben. Er muss es sich bewusst erarbeiten, kann sich dabei aber an einen Prozess halten, der auch ihn voranbringt. Sprache wird nämlich nur teils bewusst erworben; zu anderen Teilen erfolgt die Aneignung unbewusst. Das, was wir Sprachgefühl nennen, ist die Summe unserer positiven Erfahrungen, unseres Nachahmens von Vorbildern. Ähnlich wie ein Kind das Idiom seiner Eltern nachspricht und im Sprechen muskulär und zerebral verankert, kann sich der Erwachsene durch Imitation bilden, Kompetenz aneignen.

Zu diesem Zweck möchte ich eine Anregung geben, wie man auf diesem Weg erfolgreich sich behaupten kann. Zunächst gebe ich die Empfehlung, sich dem Standard bewusst zu fügen, d.h. die unbetonten Vokale sämtlich geschlossen auszusprechen. Der Wechsel zwischen betont offenen, betont geschlossenen und unbetont geschlossenen Phonemen wird so eingeübt, der Lernende nimmt insbesondere bei Akzentverschiebungen oder zusammengesetzten Worten den Wechsel der Betonung an.[11]

Zugleich macht es Sinn, sich den fraglichen Text von professionellen Schauspielern rezitiert anzuhören und das Gehörte laut nachzusprechen. Dabei ist es dann möglich, Nuancierungen einfließen zu lassen, d.h. von der rein geschlossenen Artikulation flexibel abzuweichen. Mit zunehmender Hörerfahrung und Sprachkenntnis, d.h. der Aufnahme und Verarbeitung des lebendig gesprochenen Klangs kompetenter Vorbilder kann ein Sprachgefühl sich entwickeln, eine Intuition korrekter Aussprache, die sich vom idealisierten Klang emanzipiert. Der Leser wird sich dann noch immer bewusst auf die betonten Vokale konzentrieren, die unbetonten hingegen unbewusst nachsprechen, da sich die oben bezeichneten Effekte der Assimilation und der Neutralisierung ins Sprachgefühl eingearbeitet haben. Die Sprache wirkt so natürlich und authentisch, da sie nicht konstruiert, sondern gleichsam kommunikativ in einem realen Satzzusammenhang erarbeitet ist. Sie bleibt zudem frei.

Denn bei all dem bleibt die Rückkehr zu einer bewusst geschlossenen Aussprache, aber auch das Wagnis einer vorsätzlich offeneren Wiedergabe erhalten. Die Hinwendung zur mittleren Vokalqualität liegt im Ermessen bzw. der Verantwortung des Interpreten: sie wird zum Stilmittel, das effektiv eingesetzt werden kann. Wer versteht, der kann ausgehend von diesem Verstehen auch Neues wagen. Wer die Grundlagen der Aussprache, die Referenz, sich erarbeitet hat, darf von dieser in der Gestaltung abweichen.

In diesem Kontext der Interpretation wird sogar die vollständige Öffnung unbetonter Vokale zu einer Ausdrucksmöglichkeit, die – wenn es um besondere Kontrasteffekte geht – legitim ist. Die Überzeichnung ist ebenso wie ihre Rücknahme Teil der interpretatorischen Freiheit. Diese Freiheit besteht nicht nur in der Wiedergabe eines lokalen Idioms des Italienischen oder gar in der Nachahmung eines Dialekts, sie besteht auch im Kontext der Normsprache des Italiano Standard. Die Beobachtung real vorgetragener Poesie – stärker vielleicht sogar gesungener Musik – zeigt, dass eine solche Überzeichnung möglich und wirksam ist.

Die geschlossene Aussprache der unbetonten e- und o-Vokale hat damit ihre Bedeutung als Referenz nicht verloren. Sie verbindet diese Funktion aber nicht mit einem Zwang, einem aus falschem Purismus aufgerichteten Verbot anderer Klangformen, sondern sie impliziert die Freiheit einer variablen, kontextabhängigen Öffnung zur media hin sowie einer vollständigen Öffnung – als bewusst kontrastreiches Stilmittel – zur gänzlich offenen, unbetonten Artikulation, wobei diese im Kontext des Standards oder der regionalen Färbungen des Italienischen, ja schließlich auch eines Dialekts erfolgen mag.

Damit hätten sowohl der noble Klang des Ideals, des quasi-abstrakten, für die Bühne geschaffenen Vorbilds seinen Wert behalten als auch die Realität der regionalen Abweichungen des Italienischen, mithin die Faszination seiner sprachlichen Vielfalt. Dem Sprecher wäre es freigestellt, sich im gesamten Sprachraum des Italienischen klanglich zu entfalten. Dass solche Anpassungen und stilistische Öffnungen nicht willkürlich erfolgen werden, sondern sinnhaft in den semantischen und klanglichen Gesamtkontext einzubinden sind, d.h. sich als kohärent und natürlich ergeben müssen, versteht sich von selbst. Die je eigene Diktion erfahrener Muttersprachler wird hier als brauchbares Vorbild dienen, d.h. dem Lernenden zur Seite stehen. Der berühmte Ausspruch des Paul Feyerabend: „anything goes“[12] wäre dahingehend zu ergänzen, dass alles möglich ist im Rahmen eines sinnhaften Ganzen.

Unsere Edition setzt diese Freiheit voraus, muss sich daher aber auch graphemisch nicht weiter um sie sorgen. Sie bescheidet sich damit, als erstes Grundgerüst das Ideal, die Norm des Italiano Standard zu beschreiben, den bewährten Ausgangspunkt des Lernens. Sie folgt der Konvention der Lexika und Literatur und verzichtet auf eine phonetische Bezeichnung unbetonter Vokale, die so zunächst als geschlossen auftreten. Gleichwohl behalten sie die oben angemahnte Flexibilität und Freiheit, was gleichbedeutend mit dem Satz ist, dass es nicht nur eine richtige Aussprache gibt.

Im Kontext der Interpretation, der Geschichte, der lokalen Färbungen, der Dialekte, kurz des phonetischen Plurilingualismus ist eine Vielzahl möglicher Varianten der Artikulation gereift, die in sich stimmig und homogen sind und so einen eigenen Reiz begründen, der zuletzt auf das Original, das sie ermöglichte, zurückstahlt. Das am toskanisch-florentinischen Dialekt gebildeter Sprache aufgerichtete Italiano Standard ist somit nicht überholt, sondern bis heute eine in meinen Ohren ausgesprochen noble und klangschöne Realisierung dieser grandiosen Sprache.

7. Bibliographie:

Bertinetto, Pier Marco & Loporcaro, Michele (2005). The sound pattern of Standard Italian, as compared with the varieties spoken in Florence, Milan and Rome. Journal of the International Phonetic Association. (https://www.researchgate.net/publication/231894781).

Bertinetto, Pier Marco (2010). Fonetica. Enciclopedia dell'Italiano. Treccani: Roma. (https://www.treccani.it/enciclopedia/fonetica_%28Enciclopedia-dell%27Italiano%29/)

Calamia, Silvio (2011). Vocali. Enciclopedia dell'Italiano. Treccani: Roma. (https://www.treccani.it/enciclopedia/vocali_(Enciclopedia-dell%27Italiano)/)

Canepari, Luciano (2018). Italian Pronunciation & Accents. Geo-social Applications of the Natural Phonetics & Tonetics Method. München: Lincom Gmbh.

Canepàri, Luciano & Giovannelli, Barbara (2012). La buona pronuncia italiana del terzo millennio. Manueletto d'italiano neutro con sonori, esercizi e test. Quarta edizione. Roma: Aracne editrice S.r.l.

Castellani, Arrigo (1956). Fonotipi e fonemi in italiano. Studi di Filologia Italiana 14, 435–453. Durchgesehene Ausgabe in: Arrigo Castellani (1980): Saggi di linguistica e filologia italiana e romanza (1946–1976) (Tomo I), 49–69. Roma: Salerno Editrice.

Feyerabend, Paul (1975): Against Method: Outline of an Anarchist Theory of Knowledge. London: New Left Books.

Giovannelli, Barbara (2020). L'italiano neutro tra norma e realtà. Storia dell'italiano parlato neutro nella cultura e nella scuola da Manzoni a oggi. Aracne editrice: Canterano.

Heinz, Matthias & Schmid Stephan (2021). Phonetik und Phonologie des Italienischen. Eine Einführung für Studierende der Romanistik. Walter de Gruyter GmbH: Berlin, Boston.

Marazzini, Claudio (2002). La lingua italiana. Profilo storico. Terza edizione. Il Mulino: Bologna.

Marazzini, Claudio (2013). Da Dante alle lingue del Web. Otto secoli di dibattiti sull'italiano. Nuova edizione. Studi Superiori. Carocci editore: Roma.

Marotta, Giovanna & Vanelli, Laura (2021). Fonologia e prosodia dell'italiano. Studi Superiori. Carocci editore: Roma.

Maturi, Pietro (2006). I suoni delle lingue, i suoni dell'italiano. Nuova introduzione alla fonetica. Terza edizione 2014. Il Mulino: Bologna.

Mioni, Alberto M. (2001). Elementi di fonetica. Padova: unipress.

Schmid, Stephan (1999). Fonetica e fonologia dell'italiano. Torino: Paravia, scriptorium.

Serianni, Luca (2015). Prima lezione di storia della lingua italiana. Editori Laterza: Roma, Bari.

Fussnotenstrich
  1. [1]Claudio Marazzini (2002) bietet noch immer eine vorzügliche Einführung in die historische Entwicklung der italienischen Sprache. Etwas kompakter, aber neueren Datums ist sein Band aus dem Jahr 2013. Einen kritischen Blick auf normative Ansprüche des Italiano Standard wirft Barbara Giovannelli (2020).
  2. [2]Hilfreich erweisen sich dabei neben den unten noch in den Einzelverweisen aufgeführten Werken das aktuelle Lehrbuch von Marotta & Vanelli (2021), die Referenzwerke des Canepàri (2018, 2012 mit Giovannelli) sowie die im Internet verfügbaren Einträge der Enciclopedia dell'Italiano des Verlagshauses Treccani unter den Stichworten Vocali (Silvia Calamai) und Fonetica (Pier Marco Bertinetto).
  3. [3]Wie üblich setzen wir die phonemische Transkription der Vokale in Gestalt des Alphabets der „International Phonetic Association (IPA)“ zwischen zwei Schrägstriche, wobei das ɛ und ɔ die offene, das e und o die geschlossene Artikulation wiedergeben. Die Vokale selbst sind mit è und ò und sowie é und ó entsprechend markiert. Auf eine nähere Bezeichnung der sog. media (s.u.), die in der Aussprache in der Mitte zwischen den geschlossenen und offenen Vokalpaaren liegt, konnte verzichtet werden.
  4. [4]Auch die Sprechgeschwindigkeit hat hier noch ein Wörtchen mitzureden, d.h. begünstigt bei Verlangsamung die Öffnung der Aussprache. Da es sich dabei aber um einen transitorischen, relativen Effekt handelt, haben wir ihn in unserer Darstellung nicht weiter zu berücksichtigen.
  5. [5]Serianni (2015: 28): Nell’italiano standard, fondato sul tipo toscano, riconosciamo sette vocali sotto accento (a, i, u, la e aperta di lèggo, la e chiusa di vérde, la o aperta di pòrto, la o chiusa di vóce); fuori d’accento, cioè in posizione atona, le vocali si riducono a cinque, tendenzialmente pronunciate chiuse, con piena corrispondenza col sistema grafico.”
  6. [6]Das Alphabet der IPA wäre in der Lage, wenigstens das fünfwertige System graphisch darzustellen, da man neben einem eigenen Symbol für die media noch die Möglichkeit hat, Vokale zu „heben“ = geschlossener oder zu „senken“ = offener auszusprechen. Bei Castellani sind wir dann freilich auf eine numerische Lösung angewiesen. Es soll sich aber in Kürze erweisen, dass es von Vorteil ist, auf diese zu enge Festlegung zu verzichten.
  7. [7]Bereits Schmid (1999: 133) hatte in seinem wertvollen Lehrbuch auf die Unbestimmtheit der klanglichen Umsetzung unbetonter Vokale sowie den Sachverhalt der Fluidität hingewiesen: „Non è del tutto chiara la natura fonetica delle vocali medie atone in italiano: dal punto di vista fonologico esse sono considerate medio-alte (soluzione prevedibile in base al loro carattere tipologicamente non marcato rispetto alle medio-basse), ma nella realizzazione concreta esse possono anche assumere un timbro ‘intermedio‘, se non addirittura medio-basso per effetto di armonica vocalica (cfr. [la´vo:ro] e [tɔ:rɔ]). Ad ogni modo è del tutto plausibile che le vocali medie atone dimostrino un maggiore grado di variazione che non le rispettive vocali toniche, proprio in base alla neutralizzazione delle opposizioni ….“
  8. [8]Der Wunsch des Alberto M. Mioni (2001: 175) hat sich also nicht erfüllt: „Gli studiosi non sono d’accordo (ma forse non lo sono neppure i parlanti!) sulla resa effettiva di e ed o in posizione àtona; … Si spera però che ulteriori studi di fonetica e di sociolinguistica diano presto informazioni più copiose sul problema.“
  9. [9]Marazzini (2002: 456): “la distinzione canonica tra vocali chiuse e aperte, ad esempio, non è avvertita o eseguita correttamente da un buon numero di parlanti del nostro paese, fuori dell'Italia centrale.“
  10. [10]Heinz & Schmidt (2021: 148): „Sowohl Muttersprachler als auch fremdsprachliche Lernende müssen sich in ihrem phonologischen Bewusstsein für jedes Lexem einprägen, ob das Wort nun mit /e/ oder /ɛ/ (bzw. mit /o/ oder /ɔ/) ausgesprochen wird.“
  11. [11]So z.B. die Schließung von l/ɛ/gge (Verbform) zu l/e/ggiamo oder von t/ɔ/ssico zu int/o/ssicare mit Neutralisierung der unbetonten Vokale. Gleiches gilt für Verwandlung von b/ɛ/ne zu b/e/neficio sowie von p/ɔ/rta zu p/o/rtafoglio, wobei hier in Abhängigkeit von der morpho-semantischen Transparenz (= der Klarheit in der Wahrnehmung der Einzelkomponenten des zusammengesetzten Wortes) bzw. des Abstands des unbetonten Vokals zum betonten Nachbarn die Schließung sich abschwächt oder ausfällt. (Nimmt hingegen umgekehrt der Leser die Trennung des zusammengesetzten Wortes in seine Einzelkomponenten nicht mehr deutlich wahr oder liegen diese nahe beieinander, kommt es zur sog. “Hebung” = Schließung der Aussprache).
  12. [12]Feyerabend, Paul (1975): Against Method: Outline of an Anarchist Theory of Knowledge. London: New Left Books.

Impressum/Datenschutz