Inferno – Canto 28

La Divina Commedia Inferno Canto XXVIII Das Lied des Pier da Medicina Zeit: Sonntag, 26. März 1301 (Samstag, 9. April 1300): in den frühen Nachmittagsstunden Ort: Kreis VIII (Malebolge): Betrüger Graben IX: Säer von Zwietracht und Schismen Personen: Dante, Virgilio, Maometto, Alì. Säer von Zwietracht: Pier da Medicina, Curione, Mosca de’ Lamberti, Bertran de Born © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Chi por a mai pur con par le sci lte 1 4 5 8 dicer del sangue e de le piaghe a pi no 1 4 8 3 ch’i’ ra vidi, per narrar più v lte? 2 4 8 gne lingua per c rto verr a m no 1 3 6 9 per lo n stro serm ne e per la m nte 3 6 6 c’hanno a tanto compr nder p co s no. 1 3 6 8 S’ l s’a unasse anc r tutta la g nte 1 4 6 7 che già, in su la fortunata t rra 2 (4) 8 9 di Puglia, fu del suo sangue dol nte 2 4 7 per li Tro iani e per la lunga gu rra 4 8 che de l’an!lla fé sì"alte sp#glie, 4 6 8 12 c$me L%vïo scrive, che non &rra, 3 6 con qu'lla che sent(o di c)lpi d*glie 2 6 8 per contastare+a Rub,rto Guiscardo; 4 7 15 e l’altra-il cui.ossame/anc0r s’acc1glie 2 6 8 a Ceperan, là d2ve fu bugiardo 4 5/6 (8) ciascun Pugli34e,5e là da Tagliac6zzo, 2 4 6 18 d7ve sanz’ arme vinse8il v9cchio:Alardo; 1 4 6 8 e qual forato suo m;mbro<e qual m=zzo (2) 4 7 (9) mostrasse, d’a>equar sar?bbe nulla 2 6 8 21 il m@do de la nAna bBlgia sCzzo. 2 6 8 Già vDggia, per meEFul pGrdereHo lulla, 1 2 6 7 cIm’ io vidiJun, coKì non si pertugia, 2 3 4 6 24 rLtto dal mMntoNinfin dOve si trulla. 1 4 6 7 Tra le gambe pendPvan le minugia; 3 6 la corata parQvaRe ’l tristo sacco 3 6 8 27 che mSrda fa di quTl che si trangugia. 2 4 6

2 Und nicht einmal in ungebundner Rede und nicht durch Wiederholung wär die Welt 3 von Blut und Wunden sagbar, die ich sah! Für jedes Menschen Zunge wär’s zu viel, weil’s keine Sprache gibt und kein Verständnis 6 mit so viel Fassungskraft als nötig wäre. – Wenn man zusammennähme all die Menschen, die auf den reichen Feldern Süditaliens 9 ihr Blut vergossen haben in den Kämpfen der Troer, Römer und Karthager, wo, wie Livius, der Zuverlässige, schreibt, 12 ein Berg von goldnen Ringen übrig blieb, und nähme man dazu die Schwergetroffnen des Widerstandes gegen Robert Guiskard 15 und die, deren Gebein man heut noch sammelt bei Ceperan, wo die Apulier alle Verräter waren, und bei Tagliacozzo, 18 wo ohne Schwert der greise Alart siegte, und zeigte Mann für Mann seine Verwundung, seine Verstümmelung vor, so wär’s ein Nichts 21 neben dem ekeln Graus des neunten Grabens. Ein Faß, dem Dauben oder Querholz fehlen, ist nicht so löchrig wie der Sünder war, 24 bei dem’s vom Kinn bis an den After klaffte. Zwischen den Beinen hing ihm das Gedärm. Herz, Leber, Lunge sah man und den Sack, 27 der Kot aus allem macht, was wir verschlucken.

3 MUntre che tuttoVin lui vedWr m’attacco, 1 4 6 8 guardXmmiYe con le man s’apZrse[il p\tto, 2 6 8 30 dic]ndo:^«_r v`di cam’ io mi dilacco! 2 3 4 7 vbdi ccme storpiatodè Mäometto! 1 (3) 6 (7) Dinanzifa me sgn va pianghndoiAlì, 2 4 6 8 33 fjsso nel vklto dal mlntomal ciuffntto. 1 4 7 E tutti lioaltri che tu vpdi qui, 2 4 (7) 8 seminatqr di scandalore di scisma 4 6 36 futr vivi,ue però svn fwssi coxì. 1 2 5 7 Un diavoloyè qua diztro che n’acci{ma 2 6 sì crudelm|nte,}al taglio de la spada 1 4 6 39 rimett~ndo ciascun di qusta ri€ma, 3 6 8 quand’ avm v‚lta la dolƒnte strada; 4 8 però che le ferite s„n richiu e 2 6 42 prima ch’altri dinanzi li rivada. (1) 3 6 Ma tu chi s†’ che ’n su lo scoglio mu‡e, 2 4 8 fˆrse per indugiar d’ire‰a la pŠna 1 6 7 45 ch’è giudicata‹in su le tueŒaccue?». 4 (8) «Né mŽrte ’l giunseancr, né c‘lpa ’l m’na», 2 4 6 8 rispu“”e ’l mio ma•–stro,—«a tormentarlo; 2 6 48 ma per dar lui˜esperïenza pi™na, (3) 4 8 a me, che mšrto s›n, conviœn menarlo 2 4 6 8 per lo ’nfrno qua giù di girožin giro; 3 6 8 51 e quŸst’ è v r co¡ì c¢m’ io ti parlo». 2 4 6 8 Più fu£r di c¤nto che, quando l’udiro, 1 2 4 6 7 s’arrestaron nel f¥sso¦a riguardarmi 3 6 54 per maraviglia,§oblïando¨il martiro. 4 7

4 Indes ich mit den Augen ihn durchbohre, blickt er auf mich und öffnet sich die Brust 30 mit Händen: »Schau nur!« rufend, »Selbstzerreißung! Betrachte den verstümmelten Mohammed! Der vor mir geht und jammert, ist Alí, 33 das Angesicht vom Kinn zum Schopf zerschlitzt. Und Ärgernis und Zwiespalt haben alle, die du hier siehst, erregt in ihrem Leben, 36 drum sind sie ebenso zerspalten hier. Dort hinten steht ein Teufel, der zerstückt mit Schwertesschärfe jeden dieser Sekte 39 gar grausam jedesmal, daß uns der Weg dieselbe Schmerzensstraße führt im Kreis. Denn immer schließt sich unsere Verwundung, 42 bevor an ihm vorbei wir wieder kommen. Jedoch, wer bist du, daß du spähst und schnüffelst dort auf der Brücke und die Strafe wohl, 45 die zugesprochene, verzögern möchtest?« »Der Tod hat ihn«, erwiderte mein Meister, »noch nicht ereilt, noch soll er Sünden büßen. 48 Damit ihm aber volle Kenntnis werde, muß ich, der schon Gestorbene, ihn führen von Kreis zu Kreis hienieden durch die Hölle. 51 Das ist so wahr wie, daß ich sprech mit dir.« Es waren mehr als hundert, die das hörten, und blieben stehn, vergaßen ihre Qual 54 und staunten aus dem Graben nur nach mir.

5 «©r dìªa fra Dolcin dunque che s’armi, 1 2 4 6 7 tu che f«rse vedra’¬il s le®in br¯ve, 1 3 6 8 57 s’°llo non vu±l qui t²sto seguitarmi, 1 4 6 sì di vivanda, che str³tta di n´ve 1 4 7 non rµchi la vitt¶ria·al No¸ar¹ºe, 2 6 60 ch’altrim»nti¼acquistar non sar½a l¾ve». 3 6 7/9 P¿i che l’un piè per girsene sospÀÁe, 1 4 6 MäomÂtto mi disseÃÄsta parÅla; 3 6 7 63 indiÆa partirsiÇin tÈrra lo distÉÊe. 1 4 6 Un altro, che forataËavÌa la gÍla 2 6 8 e trÎnco ’l naÏoÐinfin sÑtto le ciglia, 2 4 6 7 66 e non avÒa mai ch’unaÓorÔcchia sÕla, 5 (6) 8 ristatoÖa riguardar per maraviglia 2 6 con li×altri,ØinnanziÙa liÚaltriÛaprì la canna, 2 4 6 8 69 ch’Üra di fuÝr d’Þgne parte vermiglia, 1 4 5 7 e disse:ß«à tu cui cálpa non condanna 2 4 6 e cu’âio vidiãin su tärra latina, 2 4 7 72 se tråppa simiglianza non m’inganna, 2 6 rimæmbriti di Piçr da Medicina, 2 6 se mai tèrniéa vedêr lo dëlce piano (2) 3 6 8 75 che da Vercìlliía Marcabò dichina. 4 8 E fa sapîreïa’ due migliðr da Fano, 4 (6) 8 a messñr Guidoòeóôncoõad Angiolöllo, 3 4 6 78 che, se l’antived÷r qui non è vano, 1 6 7 gittati saran fuør di lùr vaúûllo 2 5 6 8 e maüýerati prþsso a la Catt lica 4 6 81 per tradim nto d’un tiranno f llo. 4 8

6 Da du so bald vielleicht ans Sonnenlicht zurückkehrst, sag dem Fra Dolcín, er solle, 57 falls er nicht schnell hierher mir folgen will, sich vorsehn mit Proviant, auf daß kein Schnee ihn je blockiere und dem Novaresen 60 den sonst gewiß nicht leichten Sieg verschaffe.« Zum Weitergehn den einen Fuß gehoben, trug mir Mohammed diese Botschaft auf, 63 dann streckt er ihn zur Erde und schritt aus. Und sieh, ein andrer mit durchstochner Kehle, die Nase abgeschnitten bis zur Braue, 66 und nur mit einem einzigen Ohre noch, war staunend stehngeblieben, um zu schauen mit vielen andern und tat auf den Schlund, 69 der außen rings von Blut gerötet war, und sprach: »Der du kein’ Schuld zu büßen hast, dich hab ich im lateinschen Land gesehn, 72 wenn nicht die große Ähnlichkeit mich täuscht. Vergiß den Pier da Medicina nicht, wenn je du wiedersiehst das schöne Land 75 von Marcabò hinauf bis nach Vercelli, und tu den beiden Herrn in Fano kund, dem Messer Guido und dem Angiolello, 78 daß man, wenn uns die Ahnung hier nicht täuscht, in einem Sack sie aus dem Schiffe werfen und bei Cattolica ertränken wird 81 auf des Tyrannen tückisches Geheiß.

7 Tra l’i ola di Cipri e di Ma i lica 2 6 non vide mai sì gran fallo Nettuno, 2 4 6 7 84 non da pirate, non da g nte arg lica. 1 4 6 8 Qu l tradit r che v de pur con l’uno, 1 4 6 8 e ti n la t rra che tale qui m co 2 4 7 9 87 vorr bbe di ved re sser digiuno, 2 6 7 farà venirli a parlam nto s co; 2 4 8 p i farà sì, ch’al v nto di Focara 1 4 6 90 non sarà l r mesti r v to né pr co». 1 3 4 6 7 E io a lui: «Dim!strami"e dichiara, 2 4 6 se vu#’ ch’i’ p$rti sù di te nov%lla, 2 4 6 8 93 chi&è colui da la veduta'amara». 2 4 8 All(r pu)*e la mano+a la masc,lla 2 3 6 d’un suo compagno-e la b.cca li/ap0rse, 2 4 7 96 gridando: «Qu1sti2è d3sso,4e non fav5lla. 2 4 6 8 Qu6sti, scacciato,7il dubitar somm8rse 1 4 8 in C9:are,;affermando che ’l fornito 2 6 99 s<mpre con danno l’att=nder soff>rse». 1 4 7 ?h quanto mi par@va Abigottito 1 2 6 con la lingua tagliata ne la strBzza 3 6 102 Curïo, ch’a dir fu coCìDardito! 1 5 8 EEun ch’avFa l’unaGe l’altra man mHzza, 2 4 5 7 9 levandoIi moncherin per l’Jura fKsca, 2 6 8 105 sì che ’l sangue facLa la faccia sMzza, 1 3 6 8 gridò: «Ricordera’tiNanche del MOsca, 2 6 7 che disse, lasso!, “CapoPha cQRa fatta”, 2 4 6 7 8 108 che fu mal sSme per la gTnte tUsca». 2.3 4 8

8 Das weite Meer von Cypern bis Mallorca hat solche Freveltat noch nie geschaut, 84 nicht bei Piraten noch argolschen Räubern. Der einäugige Schurke und Tyrann von jener Stadt, die mein Begleiter hier 87 so gerne nie gesehen haben möchte, wird die von Fano zur Besprechung bitten und dafür sorgen, daß sie nimmermehr 90 die Stürme von Focara fürchten müssen.« Und ich zu ihm: »Erkläre doch und zeig mir, sofern ich droben von dir künden soll, 93 deinen Begleiter mit dem scheuen Blick.« Da griff er einem seiner Nebenmänner ans Kinn, den Mund ihm öffnend mit der Hand, 96 und rief: »Der ist es hier und sagt kein Wort. Verbannt kam er zu Cäsar und zerstreute die Zweifel ihm, denn dem Gerüsteten, 99 sprach er, hab Warten immer nur geschadet.« Oh, wie verstört sah dieser Curio aus mit abgeschnittner Zunge in der Gurgel, 102 der einst so keck im Raterteilen war. Ein anderer mit abgehackten Händen hob in die dunkle Luft die beiden Stummel, 105 die ihm mit Blut das Angesicht bespritzten, und rief: »Vergiß auch nicht den Mosca, ach! und meinen Unglücksspruch: getan, gewonnen! 108 der den Toskanern so viel Böses brachte.«

9 EVio liWaggiunsi:X«E mYrte di tua schiatta»; 2 4 6 per ch’Zlli,[accumulando du\l con du]lo, 2 6 8 111 s^n g_o c`me persana tristabe matta. 2 (3) 6 8 Macio rimadiea riguardar lo stuflo, 2 4 8 e vidi cgha ch’ioiavrji pakura, 2 4 6 8 114 sanza più prlva, di contarla smlo; 1 4 8 se non che coscïnnza m’assicura, 2 6 la buona compagnia che l’upm franchqggia (2) 6 8 117 srtto l’asbtrgo del sentirsi pura. 1 4 8 Io vidi curto,vewancxr par ch’io ’l vyggia, (1) 2 4 7 8 un busto sanza capozandar sì c{me 2 4 6 8 (9) 120 andavan li|altri de la trista gr}ggia; 2 4 8 e ’l capo tr~nco tena per le chi€me, 2 4 7 p‚ol con manoƒa gui„a di lant rna: 1 4 6 123 e qu†l mirava n‡iˆe dic‰a:Š«‹h me!». 2 4 6 9 Di sé facŒaa sé stŽsso lucrna, 2 4 7 ed ran due‘in uno’e“uno”in due; 2 4 6 8 126 c•m’ –sser può, qu—i sa che sì gov˜rna. 2 4 6 8 Quando diritto™al piè del pšnte fue, 1 4 6 8 levò ’l braccio›alto con tutta la tœsta 2 3 4 7 129 per appressarne le parle sue, 4 8 che fužro:Ÿ« r v¡di la p¢na mol£sta, 2 3 4 7 tu che, spirando, vai vegg¤ndo¥i m¦rti: 1 4 6 8 132 v§di s’alcuna¨è grande c©me quªsta. 1 4 6 E perché tu di me nov«lla p¬rti, 3 4 6 8 sappi ch’i’ s n Bertram dal B®rnio, qu¯lli 1 4 6 8 135 che di°di±al r² gi³vane´i ma’ confµrti. 2 4 5 8

10 »Sehr wohl«, ergänzte ich, »und Tod den Deinen.« So häuft sich ihm auf alten Schmerz ein neuer, 111 und außer sich vor Trauer ging er fort. Ich aber blieb, die Schar mir zu betrachten, und sah etwas, das ich mich scheuen müßte 114 ohne Beweis so einfach zu erzählen, doch mein Gewissen gibt mir Sicherheit; es ist der gute Bürge, der uns hilft 117 und wappnet mit der Reinheit seines Fühlens. Ich sah, fürwahr – mir ist, als säh ich’s immer –, im Trauerzuge wandeln mit den andern 120 das Rumpfstück eines Mannes ohne Haupt. Der abgeschlagne Kopf, am Haar gehalten, pendelt ihm in der Hand wie die Laterne 123 und schaut uns an und sagt: »Weh mir, o weh!« So leuchtet er mit sich sich selbst voran, und waren zwei in einem, eins in zweien. 126 Wie kann es sein? Der’s angeordnet, weiß es. Als er genau am Fuß der Brücke stand, reckt’ er den Arm mit samt dem Kopf empor, 129 um näher seine Worte uns zu bringen. Sie lauteten: »Nun schau die lästige Strafe, der du die Toten siehst und lebend atmest, 132 und schau, ob’s eine größre geben kann, und hör, damit du über mich berichtest: Bertrand von Born bin ich, derselbe, der 135 den bösen Rat dem jungen König gab.

11 Io f¶ci·il padre¸e ’l figlio¹in sé ribºlli; 2 4 6 8 Achitofèl non fé più d’Absal»ne 4 6 7 138 e di Davìd c¼i malvagi punz½lli. 4 7 Perch’ io parti’ co¾ì giunte pers¿ne, 2 4 7 partito pÀrtoÁil mio cÂrebro, lasso!, 2 4 7 141 dal suo principio ch’èÃin quÄsto troncÅne. 2 4 7 CoÆì s’ossÇrvaÈin me lo contrapasso». 2 4 6

12 Empörung schürt ich zwischen Sohn und Vater. Achitophel hat zwischen Absalon 138 und David bösartiger nicht gestichelt. Weil ich so nah verbundne Menschen trennte, drum trag ich Armer mein Gehirn getrennt 141 von seinem Lebensquell in diesem Rumpf. So ist Vergeltungsrecht an mir vollstreckt.«

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