Inferno – Canto 5

La Divina Commedia Inferno Canto V Das Lied von Paolo und Francesca Zeit: Samstag, 25. März 1301 (Freitag, 8. April 1300): die letzten Stunden Ort: Kreis II: Triebhafte Personen: Dante, Virgilio, Minosse, Francesca da Rimini, Paolo Malatesta, Semiramide, Didone, Cleopatra, Elena, Achille, Paride, Tristano © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Co ì disc i del c rchio prima io 2 4 7 giù nel sec ndo, che m n l co cinghia 1 4 7 8 3 e tanto più dol r, che punge a gua io. 2 6 8 Stavvi Minòs orribilm nte, e ringhia: 1 4 8 essamina le c lpe ne l’intrata; 2 6 6 giudica e manda sec ndo ch’avvinghia. 1 4 7 Dico che quando l’anima mal nata 1 4 6 li vi n dinanzi, tutta si conf ssa; 2 4 6 9 e qu l conoscit r de le peccata 2 6 v de qual l co d’inf rno è da ssa; 1 4 7 cignesi con la c da tante v lte 1 6 8 12 quantunque gradi vu l che giù sia m ssa. 2 4 6 8 S mpre dinanzi a lui ne stanno m!lte: 1 4 6 8 vanno"a vic#nda ciascuna$al giudizio, 1 4 7 15 dicono%e&'dono(e p)i s*n giù v+lte. 1 4 7 9 «, tu che vi-ni.al dolor/0o1ospizio», 2 4 8 disse Minòs a me quando mi vide, 1 4 6 7 18 lasciando l’atto di cotanto2offizio, 2 4 8 «guarda c3m’ 4ntri5e di cui tu ti fide; 1 4 7 8 non t’inganni l’ampi6zza de l’intrare!». 3 6 21 E ’l duca mio7a lui: «Perché pur gride? 2 4 6 8 Non impedir lo suo fatale8andare: 4 8 vu9lsi co:ì colà d;ve si pu<te 1 4 6 7 24 ciò che si vu=le,>e più non dimandare». 1 4 6 ?r incomincian le dol@nti nAte 1 4 8 a farmisi sentire;BCr sDn venuto 2 6 7 27 là dEve mFlto pianto mi percuGte. 1 2 4 6

2 So schritt ich von dem ersten Ring hinab zum zweiten, der im Umkreis enger läuft 3 und desto mehr an Schmerz und Weh enthält. Dort fletscht und knirscht der fürchterliche Minos; er prüft beim Eintritt jede Sündenlast, 6 urteilt und weist den Rang durch Schweifes Ring: denn wenn die arme Seele vor ihn tritt, gesteht sie ihre ganze Missetat, 9 und er, der Kenner aller Sünde, sieht sofort den Höllenrang, der ihr gebührt, schlägt Ringe um sich mit dem Schweif so viele, 12 als er den Sünder drunten haben will. Gar viele stehen wartend immer vor ihm und kommen nacheinander ins Gericht, 15 bekennen, hören, stürzen in den Abgrund. »Der du zum Sammelplatz des Leidens kommst«, rief Minos mir von weitem schon entgegen, 18 in seinem hohen Amt sich unterbrechend, »gib acht! Bedenke, wem du dich vertraust und daß der breite Eingang dich nicht täusche!« 21 Darauf mein Meister: » Warum schreist du so? Versperr ihm nicht den vorbestimmten Weg, beschlossen so ist’s dort, wo Wille Macht ist. 24 Dies muß genügen. Frage drum nicht weiter.« Jetzt fängt es an, daß mir die Schmerzenslaute ganz nahe gehn, hier an der Schwelle, wo 27 die Flut des Tränenjammers mich bestürmt.

3 Io vHnniIin lJco d’Kgne luce muto, 2 4 6.8 che mugghia cLme fa mar per tempMsta, 2 4 7 30 se da contrari vNntiOè combattuto. 4 6 La bufPraQinfernal, che mai non rRsta, 3 6 8 mSna li spirti con la sua rapina; 1 4 8 33 voltandoTe percotUndo li molVsta. 2 6 Quando giungon davantiWa la ruXina, 1 3 6 quivi le strida,Yil compianto,Zil lam[nto; 1 4 7 36 bestemmian quivi la virtù divina. 2 4 8 Int\]i ch’a co^ì fatto torm_nto 2 6 7 `nno dannatiai peccatbr carnali, 1 4 8 39 che la ragicn sommdttonoeal talfnto. 4 6 E cgme li stornhi ne pirtan l’ali 2 6 8 nel frjddo tkmpo,la schimra largane piona, 2 4 6 8 42 copì quql fiato li spiriti mali 2 4 7 di qua, di là, di giù, di sù li mrna; 2 4 6 8 nulla speranza li confsrta mai, 1 4 8 45 non che di ptua, ma di minvr pwna. 4 9 E cxmeyi gru van cantando lzr lai, 2 4 7 facc{ndo|in }ere di sé lunga riga, 2 4 7 8 48 co~ì vid’ io venir, tra€ndo guai, 2 4 6 8 mbre portate da la d‚tta briga; 1 4 8 per ch’i’ dissi: «Maƒ„stro, chi s n qu†lle 3 6 9 51 g‡nti che l’aura nˆra sì gastiga?». 1 4 6 8 «La prima di col‰r di cui novŠlle 2 6 8 tu vu‹’ sapŒr», mi disse qulliŽalltta, 2 4 6 8 54 «fuimperadrice di m‘lte fav’lle. 1 4 7

4 Die Gegend wurde lichtlos um mich her, wie auf dem Meer umbrüllte mich das Wetter, 30 wenn Winde gegen Winde feindlich wüten. Die höllische Windsbraut rastet nie und reißt die Geister mit sich wie geraubtes Zeug 33 und stößt und wirbelt unsanft sie umher. Geworfen dorthin an die Felsentrümmer, erheben sie ein Schreien, Klagen, Jammern 36 und lästern gegen Gottes Mächtigkeit. Daß solcher Art von Qualen Fleischessünder verfallen müssen, sah ich ein, dieweil 39 sie ihrer Lust, statt der Vernunft gehorchen. Und wie die Staren auf den Flügeln schweben, durch Winterluft in breiten vollen Schwärmen, 42 so fegt der Höllensturm die bösen Geister nach rechts, nach links, hinauf, hinab – dahin. Und keine Ruhe, keine Hoffnung winkt, 45 und keine Linderung in ihrer Qual. Und wie die Kraniche im Klaggesang in langen Reihen durch den Himmel ziehn, 48 so kamen, ihre Jammerslaute schwellend, die Schatten auf der Windsbraut gegen mich. Daher ich sagte: »Meister, wer sind diese 51 in Nacht und Sturm umhergepeitschten Menschen?« »Die vorderste im Schwarm, von dem du Kunde begehrst«, erwidert er, »war Kaiserin, 54 gebietend über Völker vieler Sprachen;

5 A vizio di lussuria fu sì r“tta, 2 6 che libito fé licito”in sua l•gge, 2 6 57 per tòrre–il bia—mo˜in che™šra cond›tta. 2 4 7 œll’ è Semiramìs, di cui si lgge 2 6 che succedžtteŸa Nino e fu sua sp¡¢a: 4 6 8 60 t£nne la t¤rra che ’l Soldan corr¥gge. 1 4 8 L’altra¦è col§i che s’anci¨e©amorª«a, 1 4 7 e ruppe f¬de al c®ner di Sich¯o; 2 4 6 63 p°i±è Cle²opatràs lussurï³´a. 1/2 6 µlena v¶di, per cui tanto r·o 1 4 7 8 t¸mpo si v¹lse,ºe v»di ’l grande¼Achille, 1 4 6 8 66 che con am½re¾al fine combatt¿o. 4 6 VÀdi Parìs, Tristano»;Áe più di mille 1 4 6 8 Âmbre mostrÃmmiÄe nominÅmmiÆa dito, 1 4 8 69 ch’amÇr di nÈstra vita dipartille. 2 4 6 PÉscia ch’ioÊËbbi ’l mio dottÌreÍudito 1 4 8 nomar le dÎnneÏanticheÐe ’ cavaliÑri, 2 4 6 72 pietà mi giunse,Òe fui quaÓi Ômarrito. 2 4 6 7 I’ cominciai: «PoÕÖta, volonti×ri 1 4 6 parlerØiÙa quÚi due che ’nsiÛme vanno, 3 6 8 75 e paÜion sìÝal vÞntoßàsser leggiári». 2 4 6 7 Ed âlliãa me: «Vedrai quando saranno 2 4 6 7 più prässoåa næi;çe tuèallér li priêga 2 4 6.8 78 per quëlloìamír cheîi mïna,ðed ñi verranno». 2 4 6 8 Sì tòsto cómeôil võntoöa n÷i li piøga, 2 4 6 8 mùssi la vúce:û«üýanimeþaffannate, 1 4 6 81 venite a n i parlar, s’altri n l ni ga!». 2 4 6 7

6 so zügellos der Unzucht hingegeben trieb sie’s, daß als Gesetz in ihrem Reich 57 die Lust nur galt und nichts mehr schmählich war. Sie heißt Semiramis, man liest von ihr, daß sie nach ihrem Gatten Ninus herrschte 60 über das Land, das heut des Sultans ist. Die zweite tötete sich aus Verliebtheit, dem toten Gatten treulos: das ist Dido; 63 ihr folgt Kleopatra, die buhlerische. Dann siehst du Helena, um die so lange der Krieg getobt, und siehst Achill, den Starken, 66 der schließlich nur noch mit der Liebe rang. Den Paris und den Tristan schau!« Und andre, wohl mehr als tausend zeigt und nannt er mir, 69 die liebesgierig um ihr Leben kamen. Da ich von meinem Lehrer nennen hörte die alten Namen all der Frau’n und Ritter, 72 ergriff’s mich wie ein fassungsloses Mitleid und ich begann: »Wie gern, mein Dichter, möcht ich zu jenen beiden sprechen, die so leicht 75 vom Wind getragen miteinander schweben.« Er sprach: »Sieh zu, wann sie uns näher sind, und dann beschwöre sie bei jener Liebe, 78 die sie umhertreibt, und sie werden kommen!« Kaum hatt’ der Wind sie zu uns hergebogen, hob ich die Stimme: »Arme, bange Seelen, 81 kommt her, mit uns zu sprechen, wenn ihr dürft.«

7 Quali col mbe dal di io chiamate 1 4 8 con l’ali alzate e f rme al d lce nido 2 4 6 8 84 v gnon per l’ ere, dal vol r portate; 1 4 8 cotali uscir de la schi ra v’ è Dido, 2 4 7 a n i ven ndo per l’ ere maligno, 2 4 7 87 sì f rte fu l’affettü o grido. 2 4 8 « animal grazï o e benigno 4 7 che visitando vai per l’ ere p rso 4 6 8 90 n i che tign!mmo"il m#ndo di sanguigno, 1 4 6 se f$sse%amico&il r' de l’univ(rso, 2 4 6 n)i pregher*mmo lui de la tua pace, 1 4 6 93 p+i c’hai pietà del n,stro mal perv-rso. 1 4 6 8 Di qu.l che/udire0e che parlar vi piace, 2 4 8 n1i2udir3mo4e parler5mo6a v7i, 1 4 8 96 m8ntre che ’l v9nto, c:me fa, ci tace. 1 4 8 Si;de la t<rra d=ve nata fui 1 4 6 8 su la marina d>ve ’l P? disc@nde 4 6 8 99 per avAr pace cB’ seguaci sui. 4 8 AmCr, ch’al cDr gentil ratto s’apprEnde, 2 4 6 7 prFGe costui de la bHlla persIna 1 4 7 102 che mi fu tJlta;Ke ’l mLdoMancNr m’offOnde. 4 6 8 AmPr, ch’a nulloQamatoRamar perdSna, 2 4 6 8 mi prTUe del costui piacVr sì fWrte, 2 6 8 105 che, come vXdi,YancZr non m’abband[na. 1 4 6 Am\r condusse n]i^ad una m_rte. 2 4 6 Ca`anabattcnde chida vita ci spense». 2 4 7 108 Qufste pargle da lhr ci fuir pjrte. 1 4 7

8 Und wie ein Taubenpärchen sehnsuchtsvoll auf breiten Schwingen ruhig vom Wunsch getragen, 84 die Luft dem trauten Neste zu durchzieht, so schwebten sie hervor aus Didos Schwarme zu uns herüber durch die wilde Luft – 87 so mächtig war mein liebevoller Ruf. »Gefälliges und gütig Wesen du, das durch die purpurdunkle Nacht zu uns, 90 die wir mit Blut die Erde färbten, kamest, ach, wär’ des Weltalls König unser Freund, um deinen Frieden flehten wir zu ihm, 93 denn du hast Mitgefühl für unsere Qualen. Was dir beliebt zu hören und zu reden, das hören wir und reden wir mit euch, 96 solang wie eben jetzt die Stürme schweigen. – Es liegt mein Heimatland am Ufer droben, wo unser Po mit allen seinen Wassern 99 um Meer hinunterfließt und Ruhe findet. – Liebe in edeln Herzen zündet rasch, und diesen hier berückte sie mit Schönheit 102 des Leibes, den ich, ach, so schnöd verlor. Liebe will wieder Liebe von uns haben, und mich ergriff sie, diesem hier zuliebe 105 so tief, sieh her, daß ich sie immer hege. Die Liebe riß in einen Tod uns zwei. Der uns ermordet, wird’s mit Kain büßen.« 108 Dies sind die Worte, die herüberklangen.

9 Quand’ iokintlmi qunll’ animeooffpnse, 2 4 7 china’qil viro,se tantotil tunni basso, 2 4 6 8 111 fin che ’l povwta mi disse: «Che pxnse?». 1 4 7 Quando rispuyzi, cominciai:{«|h lasso, 1 4 8 quanti d}lci pensi~r, quanto diio 1 3 6 7 114 menò cost€roal dolor‚ƒo passo!». 2 4 8 P„i mi riv lsi†a l‡roˆe parla’‰io, 1 4 6 9 e cominciai: «FrancŠsca,‹i tuŒi martìri 4 6 8 117 a lagrimar mi fanno tristoe pio. 4 6 8 Ma dimmi:Žal tmpo d’i dlci sospiri, 2 4 7 a che‘e c’me conced“tte”am•re 2 4 8 120 che conosc–ste—i dubbi˜™i diširi?» 4 7 E qu›llaœa me: «Nessun maggir dolžre 2 4 6 8 che ricordarsi del tŸmpo felice 4 7 123 ne la mi ¡ria;¢e ciò sa ’l tuo dott£re. 4 6 7 Ma s’a con¤scer la prima radice 4 7 del n¥stro¦am§r tu¨hai cotanto©affªtto, 2 4 6 8 126 dirò c«me colui che piange¬e dice. 2 6 8 N i leggiavamo®un gi¯rno per dil°tto (1) 4 6 di Lancial±tto c²me³am´r lo strinse; 4 8 129 sµli¶eravamo·e sanza¸alcun sosp¹tto. 1 4 6 8 Per più fïate liº»cchi ci sospinse 2 4 6 qu¼lla lettura,½e scolor¾cci¿il viÀo; 1 4 8 132 ma sÁloÂun punto fu quÃl che ci vinse. 2 4 6.7 Quando leggÄmmoÅil diÆïato riÇo 1 4 8 Èsser basciato da cotantoÉamante, 1 4 8 135 quÊsti, che mai da me non fËa diviÌo, 1 4 6 8

10 Und ich verstand die schwerverletzten Seelen, neigte das Antlitz und verweilte so, 111 sinnend, bis der Poet mich fragt’: »Was hast du?« Zur Antwort seufzte ich: »Unglückliche! – Und all das süße Träumen, all das Sehnen, 114 das diese zwei ins Elend führen mußte!« Dann wandt’ ich mich zu ihnen, nahm das Wort und sprach: »Arme Francesca, weinen muß ich 117 aus innig Leid und Mitgefühl um dich. Erzähle mir, da ihr noch schmachtet, wodurch und wie hat euch die Liebe da 120 den scheuen Wunsch der Herzen kund gemacht?« Sie sprach: » Im Elend sich vergangnen Glückes erinnern müssen, ist der größte Schmerz. 123 Das weiß so gut wie ich dein Führer dort. Doch weil du mich so traut und herzlich fragst und unsrer Liebe Anfang kennen willst, 126 so muß ich’s denn mit Tränen dir erzählen. Wir lasen eines Tags zur Unterhaltung vom Lancelot und wie er sich verliebte, 129 wir zwei allein und dachten uns nichts Böses. Da mußten manchmal wir vom Buche auf uns in die Augen schauen und erblaßten. 132 Die eine Stelle war’s, die uns besiegte. Dort, wo wir lasen, wie der Held der Liebe das holde Lachen ihr vom Munde küßte. 135 Da küßte Er, der ewig mir gehört,

11 la bÍcca mi basciò tutto tremante. 2 6 7 GaleÎÏtto fu ’l libroÐe chi lo scrisse: 3 6 138 quÑl giÒrno più non vi leggÓmmoÔavante». 2 4 8 MÕntre che l’uno spirto quÖsto disse, 1 4 6 8 l’altro piang×a; sì che di pietade 1 4 6 141 io vØnni mÙn coÚì cÛm’ io morisse. 2 4 6 8 E caddi cÜme cÝrpo mÞrto cade. 2 4 6 8

12 am ganzen Leibe zitternd mir den Mund. – Galeotto war das Buch und der es schrieb. 138 Wir lasen keine Silbe mehr darin. « Indes die eine Seele so erzählte, hört’ ich die andre weinen, daß vor Schmerz 141 der Sinn mir schwand, als ob ich sterben müßte, und wie ein toter Körper sank ich hin.

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