Purgatorio – Canto 4

La Divina Commedia Purgatorio Canto IV Das Lied des Belacqua Zeit: Montag, 27. März 1301 (Sonntag, 10. April 1300): von neun Uhr bis mittags Ort: Antipurgatorio: Steilhang (Felsvorsprung) I Personen: Dante, Virgilio, Belacqua © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Quando per dilettanze o v r per d glie, 1 6 8 che alcuna virtù n stra compr nda, 3 6 7 3 l’anima b ne ad ssa si racc glie, 1 4 6 par ch’a nulla pot nza più int nda; 1 3 6 e qu sto è c ntra qu llo err r che cr de 2 4 6 8 6 ch’un’anima s vr’ altra in n i s’acc nda. 2 6 8 E però, quando s’ de c a o v de 3 4 6 8 che t gna f rte a sé l’anima v!lta, 2 4 6 7 9 vassene ’l t"mpo#e l’u$m non se n’avv%de; 1 4 6 7 ch’altra pot&nza'è qu(lla che l’asc)lta, 1 4 (6) e*altra+è qu,lla c’ha l’anima-int.ra: 2 4 7 12 qu/sta0è qua1i legata2e qu3lla4è sci5lta. 1 3 6 8 Di ciò67bb’ io8esperï9nza v:ra, 2 4 8 ud;ndo qu<llo spirto=e>ammirando; 2 4 6 15 ché b?n cinquanta gradi salito@Ara 2 4 6 9 lo sBle,CeDio non m’EraFaccGrto, quando 2 (4) 6 8 venimmoHIve quJll’ animeKad una 2 (3 5) 6 18 gridaroLa nMi: «QuiNè vOstro dimando». 2 4 5 7 MaggiPreQapRrta mSlte vTlteUimpruna 2 4 6 8 con una forcatVlla di sue spine (2) 6 (9) 21 l’uWm de la villa quando l’uvaXimbruna, 1 4 (6) 8 che non Yra la callaZ[nde salìne (3) 6 7 lo duca mio,\e]io^appr_sso, s`li, 2 4 6 8 24 came da nbi la schicra si partìne. 1 4 6 Vassidin Sanleofe discendesigin Nhli, 1 4 7 mintasi sujin Bikmlntovame ’n Cacume 1 4 6 27 con nssooi piè; ma qui convipn ch’qm vrli; 2 4 6 8

2 Wenn eines unsrer seelischen Vermögen von Lust oder von Schmerz ergriffen wird 3 und sich die ganze Seele darauf einstellt, so zeigt sich's, daß sie sonst auf nichts mehr achtet. Und damit ist der Irrtum widerlegt, 6 daß mehr als eine Seele in uns wirke. Wenn also ein Gehörtes, ein Geschautes die Seele anzieht und gefangen hält, 9 so geht die Zeit dahin, man merkt es nicht: denn eins ist das empfindende Vermögen, ein andres das umfassend denkende, 12 und dieses bindet sich, wenn jenes schweift. Dies konnt' ich wahrlich an mir selbst erfahren, als ich mit Staunen lauschte jenem Geist, 15 indes die Sonne, ohne daß ich's merkte, um reichlich fünfzig Grade stieg und wir den Punkt erreichten, wo die Seelenschar 18 einstimmig rief: » Hier der gesuchte Aufstieg.« Oft ist der Durchschlupf, den der Winzer sperrt mit einer Gabel voll Gestrüpp und Dornen 21 zum Weinberg, wenn die Trauben dunkler werden noch breiter als die Gasse, die hinauf mein Führer stieg und ich ihm nach. – Wir zwei 24 allein, nachdem die Seelen fortgegangen. – Auf zu San Leo und hinab zu Noli und auf den Gipfel von Bismantova 27 kommst du zu Fuß, hier aber brauchst du Flügel,

3 dico con l’ale sntlleue con le piume 1 4 6 del gran divio, di rwtroxa quyl condztto 2 4 6 8 30 che speranza mi dava{e fac|a lume. 3 6 9 N}i salavam per ~ntro ’l sasso rtto, (1) 4 6 8 e d’€gne lato ne stringa lo str‚mo, (2) 4 8 33 e piƒdi„e man vol a†il su‡l di sˆtto. 2 4 6 8 P‰i che nŠi fummo‹in su l’Œrlo supprmo 1 (3) 4 7 de l’alta ripa,Ža la scoprta piaggia, 2 4 8 36 «Ma‘stro mio», diss’ io, «che via far’mo?». 2 4 6 8 Ed “lli”a me: «Nessun tuo passo caggia; 2 4 6 8 pur su•al m–nte di—tro˜a me™acquista, 1.2 4 6 8 39 fin che n’appašia›alcuna scœrta saggia». 1 4 6 8 Lo smmožŸr’ alto che vinc¡a la vista, 2 4 8 e la c¢sta sup£rba più¤assai 3 6 (8) 42 che da m¥¦§o quadrante¨a c©ntro lista. 3 6 8 Ioª«ra lasso, quando cominciai: 1 (2) (4) 6 «¬ d lce padre, v®lgiti,¯e rimira 2 4 6 45 c°m’ io rimango s±l, se non restai». 2 4 6 (8) «Figliu²l mio», disse,³«infin quivi ti tira», 2 3 4 6 7 additandomi´un balzo pµco¶in sùe 3 6 8 48 che da quel lato·il p¸ggio tutto gira. 2/3 4 6 8 Sì mi spronaron le par¹le sue, 1 4 8 ch’i’ mi sforzai carpandoºappr»sso lui, (1) 4 6 8 51 tanto che ’l cinghio s¼tto½i piè mi fue. 1 4 6 8 A sed¾r ci pon¿mmoÀiviÁambedui 3 6 7 vòltiÂa levanteÃÄnd’ eravam saliti, 1 4 8 54 che suÅleÆa riguardar giovareÇaltrui. 2 6 8

4 ich mein die flinken Flügel und die Federn der großen Sehnsucht auf des Führers Spuren, 30 dem ich die Hoffnung und die Klarheit danke. Wir stiegen aufwärts in dem Felsenspalt. Die Wand beengte uns von beiden Seiten; 33 der Grund verlangte festen Tritt und Griff. Als wir zum letzten Saum der Wand gelangten, wo wieder frei der Hang sich breitete, 36 frug ich: »Wo geht der Weg, mein Meister, jetzt?« Und er: »Nur abwärts tu mir keinen Schritt, immer bergauf und unentwegt mir nach, 39 bis irgendwie ein Kundiger uns geleitet.« Das Auge reichte nicht bis zu dem Gipfel und ziemlich steiler ging die Steigung als 42 die Mittellinie eines rechten Winkels. Und ich war müd und sprach: »Oh, lieber Vater, wende dich her und schau zurück und sieh, 45 wie ich allein bleib, wenn du weitergehst.« »Mein Sohn«, sprach er, »schlepp dich bis hieher noch«, und wies auf einen Sims, der wenig höher 48 von hier aus um den ganzen Berg sich legte. Von seinem Wort gespornt, arbeitete ich kriechend mich hinauf in seine Nähe, 51 bis ich den Fuß auf jener Stelle hatte. Da konnten wir uns endlich beide setzen gen Morgen hin, von wo wir aufgestiegen; 54 denn solche Rückschau macht dem Menschen Freude.

5 LiÈÉcchi prima drizzaiÊai bassi liti; 1 3 6 8 pËscia liÌalzaiÍal sÎle,ÏeÐammirava 1 (4) 6 57 che da sinistra n’eravam feriti. 4 8 BÑn s’avvideÒil poÓÔta ch’ïo stava 1 3 6 8 stÕpido tuttoÖal carro de la luce, 1 4 6 60 ×ve tra nØiÙeÚAquilÛneÜintrava. 1 4 8 Ýnd’ Þllißa me: «Se Càstoreáe Poluce 2 4 6 fâsseroãin compagnia di quällo spåcchio 1 6 (8) 63 che sùæe giù del suo lume conduce, 2 4 7 tu vedrçstièil éodïaco rubêcchio (1) 3 6 ancëraìa l’írse più strîtto rotare, 2 4 7 66 se non uscisse fuïr del cammin vðcchio. 4 6 9 Cñme ciò sia, se ’l vuòi potór pensare, 1 4 6 8 dôntro raccõlto,öimagina Sïòn 1 4 6 69 con qu÷sto mønteùin su la túrra stare 2 4 (6) 8 sì, ch’amendueûhannoüun sýloþorizzòn 1 4 5 7 e div rsi emisp ri; nde la strada 3 6 7 72 che mal non s ppe carreggiar Fetòn, 2 4 8 vedrai c me a costui convi n che vada 2 (3) 6 8 da l’un, quando a colui da l’altro fianco, 2 3 6 8 75 se lo ’ntell tto tuo b n chi ro bada». 4 6 8 «C rto, ma stro mio», diss’ io, «unquanco 1 4 6 8 non vid’ io chi ro sì c m’ io disc rno (1) (2/3) 4 6 (8) 78 là d ve mio ing gno par a manco, (1.2 (4)) 6 9 che ’l m o c rchio del m to sup rno, (2) 4 7 che si chiama Equat re!in alcun’ arte, (3) 6 (9) 81 e che s"mpre riman tra ’l s#le$e ’l v%rno, 3 6 8

6 Zuerst hinunter nach den Ufern blickt' ich, sodann zur Sonne auf und wundert mich, 57 daß sie von links her ihre Strahlen sandte. Der Dichter merkte wohl, wie ganz verblüfft ich immer nach dem Sonnenfahrzeug starrte, 60 wie es hinauf von uns gen Norden zog ... Drum sagt' er mir: »Wenn Castor jetzt und Pollux dem Sonnenspiegel, der hinauf und abwärts 63 sein Licht verteilt, ein wenig näher ständen, so könntest du den rotbestrahlten Tierkreis noch näher bei den Bären schwingen sehen, 66 so er den alten Kurs noch beibehält. Willst du verstehn, wie dies nur möglich ist? Besinn dich, stell dir Zion vor, die Stadt, 69 und diesen Berg, auf unsrer Erde stehend, daß bei verschiednen Hemisphären beide denselben Horizont besitzen, dann 72 wirst du begreifen, wie die Sonnenbahn, auf der Phaethon sich so schlecht bewährte, dem einen links, dem andern rechts verläuft, 75 wenn du es klar und aufmerksam bedenkst.« »Gewiß mein Meister«, sprach ich, »niemals hab ich so klar wie jetzt den Punkt erfaßt, an dem 78 mein Sinn zuvor sich mangelhaft erwies. Der Umkreis in des Weltgewölbes Mitte, der in der Wissenschaft Äquator heißt 81 und ewig zwischen Sonn und Winter liegt,

7 per la ragi&n che di’, quinci si parte (1) 4 6 7 v'rso settentrï(n, quanto li)Ebr*i 1 6 7 84 ved+van lui v,rso la calda parte. (2) 4 (5) 8 Ma se-a te piace, volonti.r sapr/i (1) 2.3 4 8 quanto0av1mo2ad andar; ché ’l p3ggio sale 1 (3) 6 8 87 più che salir non p4sson li56cchi mi7i». 1 4 6 (8) Ed 8lli9a me: «Qu:sta montagna;è tale, 2 4 5 8 che s<mpre=al cominciar di s>tto?è grave; 2 6 8 90 e quant’ @m più va sù,Ae mBn fa male. 2 3 (4) 6 8 Però, quand’ Clla ti parrà soDave 2 4 8 tanto, che sùEandar ti fFa leggGro 1 (4) 6 8 93 cHm’ a secInda giùJandar per nave, 4 6 8 allKr saraiLal fin d’Msto sentiNro; 2 (4) 6 (7) quivi di ripoOar l’affannoPaspQtta. 1 6 8 96 Più non rispRndo,Se quTsto sU per vVro». (1) 4 6 (8) E cWm’ XlliYZbbe sua par[la d\tta, 3 4 8 una v]ce di pr^sso sonò: «F_rse 3 6 9 99 che di sed`reain prbacavrai distrdtta!». 4 6 8 Al suen di lfi ciascun di ngi si thrse, (2) 4 6 8 e vedimmoja mancinakun gran petrlne, 3 6 8 102 del qual némio nénoi prima s’accprse. 2 4 6 7 Là ci traqrmmo;setiviuvran perswne (1) 4 6.7 che si stavanoxa l’ymbra diztro{al sasso 3 6 8 105 c|me l’u}m per negghi~nzaa star si p€ne. 1 3 6 8 Eun di l‚r, che mi sembiava lasso, 2 4 8 sedƒva„e abbracciava le gin†cchia, 2 6 108 ten‡ndo ’l viˆo giù tra‰Šsse basso. 2 4 6 8

8 er neigt von hier sich gegen Norden hin so viel, wie von Jerusalem gen Süden 84 aus eben jenem Grund, den du mir sagst. Doch, wenn es dir beliebt, wüßt ich auch gerne, wieviel wir noch zu gehen haben, denn 87 es steigt der Hang, steigt höher als mein Auge.« Und er: »Es ist das eigne dieses Berges, daß er am Anfang unten immer schwierig, 90 dann desto leichter wird, je mehr du steigst. Drum, wenn du ihn so sanft, so leicht empfindest, daß dir der Aufstieg geht, als brauchtes du 93 auf einem Schiff flußabwärts nur zu gleiten, dann bist du oben, und der Pfad ist aus und darfst dir Ruhe von der Mühsal hoffen. 96 Mehr sag ich nicht, doch dieses weiß ich wahrlich. « Als er sein Wort geendet hatte, klang uns nahe eine Stimme: »Und vielleicht 99 wirst du zuvor noch Grund zum Sitzen haben.« Wir kehrten, er und ich, uns nach der Stimme und sahn zur Linken einen großen Felsen, 102 den wir bis dahin nicht beachtet hatten. Wir traten näher, und da waren Leute, die hinter jenem Stein im Schatten sich 105 doch wohl aus Lässigkeit gelagert hatten; darunter einer, der gar müde aussah und dasaß mit den Armen um die Knie 108 und zwischen diesen tief das Antlitz bergend.

9 «‹ dŒlce segnr mio», diss’ io,Ž«adcchia (2) 6 8 colui che mstra sé più neglig‘nte 2 4 6 (7) 111 che se pigrizia f’sse sua ser“cchia». 4 6 All”r si v•lse–a n—i˜e pu™še m›nte, 2 4 6 8 movœndo ’l vio pur su per la cžscia 2 4 6.7 114 e disse:Ÿ« r va tu sù, che s¡’ val¢nte!». 2 3 (5) 6 (8) Con£bbi¤all¥r chi¦§ra,¨e qu©llaªang«scia 2 4 6 8 che m’avacciava¬un p co®anc¯r la l°na, 4 6 8 117 non m’impedì l’andare±a lui;²e p³scia 1 4 (6) 8 ch’a lui fu’ giunto,´alzò la tµsta¶a p·na, 2 4 6 8 dic¸ndo:¹«Hai bºn veduto c»me ’l s¼le 2 (3) 4 6 8 120 da l’½mero sinistro¾il carro m¿na?». 2 6 8 LiÀÁtti suÂi pigriÃe le cÄrte parÅle 1 (3) 4 7 mÆsser le labbra mieÇun pÈcoÉa riÊo; 1 4 6 8 123 pËi cominciai: «Belacqua,Ìa me non dÍle (1) 4 6 (8) di teÎomai; ma dimmi: perchéÏassiÐo 2 4 6 9 quirÑtto sÒ’?ÓattÔndi tuÕiscÖrta, 2 4 6 8 126 o pur lo m×doØuÙato t’ha’ ripriÚo?». 2 4 6 8 Ed Ûlli:Ü«Ý frate,Þandar in sù che pßrta? 2 4 (6) 8 ché non mi lasceràbbeáireâa’ martìri (2) 6 7 129 l’ãngel di Dio che siädeåin su la pærta. 1 4 6 Prima conviçn che tantoèil ciél m’aggiri 1 4 6 8 di fuêr daëìssa, quanto fíceîin vita, 2 4 6 8 132 perch’io ’ndugiaiïal fineði buñn sospiri, 2 4 6 8 seòorazóôneõin prima non m’aöita 4 6 che surga sù di cu÷r cheøin grazia viva; 2 4 6 8 135 l’altra che val, che ’n ciùl non èúudita?». 1 4 6

10 »Mein lieber Meister«, sagt' ich, »schau dir den an, ob er in seiner schlaffen Haltung nicht 111 noch fauler als der Faulheit Bruder aussieht.« Da wurd er aufmerksam und schaut uns an mit einem Blick, der kaum am Schenkel auftaucht, 114 und sprach: »Steig doch hinauf, du hast ja Kraft!« Sofort erkannt ich ihn; obgleich mein Atem noch von der Anstrengung beschleunigt war, 117 ging ich zu ihm, und als ich bei ihm stand, erhob er kaum das müde Haupt und sagte: »Hast du jetzt recht gesehen und begriffen, 120 wie hier von links der Sonnenwagen kommt?« Bei seinen trägen Gesten, kurzen Worten trat mir ein leises Lächeln auf die Lippen: 123 »Belacqua«, sagt ich ihm, »jetzt ist mir nicht mehr bang um dich; doch sage mir, warum hast du dich hier gesetzt, erwartest du 126 Begleitung, oder frönst deiner Gewohnheit?« Und er: »Was soll ich mich bemühen, Bruder? Am Tore droben sitzt der Engel Gottes, 129 der ließe doch mich nicht zur Buße ein. Hier außen muß der Himmel mich so lange umkreisen wie mein Leben währte, weil ich 132 die Reu verschoben habe bis zum Letzten – es sei denn, daß zuvor Gebet mir helfe, aus einem gottgefälligen Herzen kommend. 135 Was nicht zum Himmel dringt, hat keinen Zweck.«

11 E giàûil poüýtaþinnanzi mi saliva, 2 4 6 e dic a: «Vi nne omai; v di ch’è t cco 3 4 6 7 138 meridï n dal s le, e a la riva 4 6 cu pre la n tte già col piè Morr cco». 1 4 6 8

12 Schon schritt der Dichter mir voraus bergan und sprach: »Komm mit! 's ist Zeit, schau doch, wie schon 138 die Sonne gegen Mittag rückt, und drunten die Nacht das Ufer von Marokko deckt.«

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