Paradiso – Canto 9

La Divina Commedia Paradiso Canto IX Das Lied der liebenden Geister Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Dritter Himmel: Venus Personen: Dante, Beatrice, Carlo Martello, Cunizza da Romano, Folchetto da Marsiglia, Raab © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Da p i che Carlo tuo, b lla Clem nza, 2 4 6 7 m’ bbe chiarito, mi narrò li ’nganni 1 4 8 3 che ric ver dov a la sua sem nza; 3 6 (8) ma disse: «Taci e lascia mu ver li anni»; 2 4 (6) 8 sì ch’io non p sso dir se non che pianto (1/) 2 4 6 8 6 giusto verrà di r tro ai v stri danni. 1 4 6 8 E già la vita di quel lume santo 2 4 8 riv lta s’ ra al S l che la rï mpie 2 4 6 9 c me qu l b n ch’a gne c a è tanto. (1) 4 6 8 Ahi anime ingannate e fatture mpie, 1 2 6 9 che da sì fatto b!n torc"te#i cu$ri, 4 6 8 12 drizzando%in vanità le v&stre t'mpie! 2 6 8 Ed (cco)un altro di qu*lli splend+ri 2 4 7 v,r’ me si f-ce,.e ’l suo vol/r piac0rmi 2 4 8 15 significava nel chiarir di f1ri. 4 8 Li23cchi di Bëatrice, ch’4ran f5rmi 1 6 s6vra me, c7me pria, di caro8ass9nso 3 6 8 18 al mio di:io certificato f;rmi. (2) 4 8 «D<h, m=tti>al mio vol?r t@sto compAnso, 1 2 (4) 6 7 beBato spirto», dissi,C«e fammi prDva 2 4 6 8 21 ch’i’ pEssaFin te reflGtter quHl ch’io pInso!». 2 4 6 8 Jnde la luce che m’KraLancMr nNva, 1 4 7 9 del suo profOndo,PQnd’ Rlla pria cantava, 2 4 6 8 24 seguStte cTmeUa cui di bVn far giWva: 2 (4) 6 8 9 «In quXlla parte de la tYrra prava 2 4 8 italica che siZde tra Rïalto 2 6 27 e le fontane di Br[nta\e di Piava, 4 7

2 Nachdem dein Carlo, liebliche Clemenza, mich so belehrt hatte, erzählte er 3 die Täuschungen, die seinen Kindern drohten. Doch sprach er: »Schweig und laß der Zeit den Lauf.« Drum darf ich hier nur sagen, daß dem Unrecht, 6 das sie euch tun, gerechter Jammer folgt. – Indessen hatte sich die lichte Seele zum sonnenhaften Quell zurückgewendet, 9 der sie erfüllt und nimmer sich erschöpft. Betrogene, mißratene Geschöpfe, daß euer Herze solchen Trost verschmäht 12 und ihr nach eitlem Zeug das Köpfchen reckt! Und sieh, ein andres aus dem Kreis der Lichter kam auf mich zu und gab mir durch sein Schimmern 15 den Wunsch, mir zu gefallen, zu verstehen. Es ruhte Beatrices stiller Blick auf mir und winkte mir, wie vorher schon, 18 ihr liebes, sichres Ja zu meiner Regung. »Du seliger Geist«, sprach ich, »willfahre mir, laß mich erproben, gib Gewähr, daß ich 21 meine Gedanken spiegeln darf in dir.« Worauf das unbekannte neue Licht aus seinem Innern, das noch eben sang, 24 fortfuhr in seiner Lust am Freundlichsein und sprach: »In jenem Teile des verderbten italischen Landes, zwischen dem Rialto, 27 der Brenta- und der Piavequelle, steigt

3 si l]va^un c_lle,`e non surge malt’ alto, 2 4 7 (9) làbcnde scdee giàfuna facglla (1) 2 4 6 30 che fhceia la contradajun grandekassalto. 2 6 8 D’una radice nacquilemioned olla: 1 4 6 8 Cpnizza fui chiamata,qe qui refulgo 1 (4) 6 8 33 perché mi vinseril lume d’ssta sttlla; (2) 4 6 8 ma lietamunteva me medwxmayindulgo 4 (6) 8 la cagizn di mia s{rte,|e non mi n}~ia; 3 6 (8) 36 che parra f€rse frte‚al vƒstro vulgo. 3 4 6 8 Di qu„sta lucul nta†e cara gi‡ˆia 2 6 8 del n‰stro ciŠlo che più m’è propinqua, 2 4 7 (8) 39 grande fama rima‹e;Œe pria che mŽia, 1 3 6 8 qusto cent‘imo’anno“anc”r s’incinqua: 1 4 6 8 v•di se far si d–e l’—mo˜eccell™nte, 1 4 6 7 42 sì ch’altra vita la prima relinqua. (1) 2 4 7 E ciò non pšnsa la turba pre›œnte 2 4 7 che TagliamntožeŸ dice richiude, 4 6 45 né per ¡sser battuta¢anc£r si p¤nte; (1) 3 6 8 ma t¥sto f¦a che Padova§al palude 2 4 6 cangerà l’acqua che Vinc¨nza bagna, 3 4 8 48 per ©ssereªal dov«r le g¬nti crude; 2 6 8 e d ve Sile®e Cagnan s’accompagna, (2) 4 7 tal signor¯ggia°e va con la t±sta²alta, 1 4 6 9 51 che già per lui carpir si fa la ragna. 2 4 6 (8) Piangerà F³ltro´ancµra la difalta 3 4 6 de l’¶mpio suo past·r, che sarà sc¸ncia 2 4 6 9 54 sì, che per simil non s’entrò¹in malta. 1 4 6 8

4 nicht gar so hoch, ein Hügel auf, von dem ein Fackelbrand dereinst zu Tale fuhr 30 und stürmisch durch die ganze Gegend brauste. Ich bin derselben Abstammung wie er. Cunizza hieß ich; hier erglänze ich, 33 weil dieses Sternes Licht mich mächtig zog. Aus frohem Herzen darf ich mir verzeihn mein Schicksal, meine Neigung, ohne Kummer: 36 ein starkes Stück, mag sein, für euern Pöbel. Mein nächster Nachbar hier, ein Edelstein, leuchtend in unserm Himmel, hinterließ 39 auf Erden einen großen Nachruhm, der noch fünfmal hundert Jahre leben wird. Du siehst, es lohnet wohl, sich auszuzeichnen, 42 auf daß vom Erdenleben etwas bleibe! Was zwischen Tagliamento wohnt und Etsch, der Menschenhaufe, denkt jetzt nicht mehr so 45 und fühlt auch keine Reu, wenn man ihn schlägt. Doch bald geschieht's, daß Padua und Vicenza ihr Sumpfgewässer sich verändern sehn, 48 weil kein Gefühl für Pflicht ist in den Leuten. Und dort, wo Sile und Cagnan sich mischen, trägt hoch das Haupt ein übermütig Herrchen; 51 um es zu haschen, strickt man schon das Netz. Auch Feltre wird noch den Verrat beweinen, den sein ruchloser Hirte übt, so schändlich, 54 wie Maltas Turm noch keinen Frevler sah.

5 Trºppo sar»bbe larga la big¼ncia 1 4 6 che ricev½sse¾il sangue ferrar¿Àe, 4 6 57 e stanco chi ’l peÁasseÂaÃÄnciaÅaÆÇncia, 2 4 6 8 che donerà quÈsto prÉte cortÊËe 4 5 7 per mostrarsi di parte;Ìe cotai dÍni 3 6 9 60 confÎrmi fÏenoÐal viver del paÑÒÓe. 2 4 6 Sù sÔno spÕcchi, vÖi dic×te TrØni, 1 2 4 6 8 Ùnde refulgeÚa nÛi Dio giudicante; 1 4 6 7 63 sì che quÜsti parlar ne pÝÞion bußni». (1) 3 6 8 Qui si tacàtte;áe fâcemi sembiante 1 4 6 che fãsseäad altro vålta, per la ræta 2 4 6 66 in che si miçe cèm’ éra davante. 4 7 L’altra letizia, che m’êra già nëta 1 4 7 9 per cara cìía, mi si fîceïin vista 2 4 8 69 qual fin balassoðin che lo sñl percuòta. 2 4 8 Per letiziór là sù fulgôr s’acquista, 4 6 8 sì cõme riöo qui; ma giù s’abbu÷ia 1 4 6 8 72 l’ømbra di fuùr, cúme la mûnteüè trista. 1 4 (5) 8 «Dio výde tutto,þe tuo ved r s’inlu ia», 1 2 4 6 8 diss’ io, «be to spirto, sì che nulla 2 4 6 8 75 v glia di sé a te pu t’ sser fu ia. 1 4 6 8 Dunque la v ce tua, che ’l ci l trastulla 1 (4) 6 8 s mpre col canto di qu i fu chi pii 1 4 (7) 8 78 che di s i ali f cen la coculla, 3 4 6 perché non satisface a’ mi i di ii? 2 6 8 Già non attender ’ io tua dimanda, 1 6 7 (8) 81 s’io m’intu assi, c me tu t’inmii». 1 4 8

6 Ein gar zu großer Eimer wäre nötig, um all das Ferrareser Blut zu fassen, 57 und müde würde, wer es wägen wollte, das Blut, das dieser feine Priester schenkt, sich als Parteimann auszuweisen; ja, 60 solche Geschenke werden Landesstil! In Spiegeln droben, die ihr Throne nennt, erscheint uns strahlend Gott als der Gerichtsherr, 63 drum haben Worte wie die meinen Geltung.« Sie schwieg und gab mir zu verstehen, daß sie auf andres merken wollte in dem Kreis 66 und reihte sich wie vordem wieder ein. Der andre Frohglanz, den ich ja schon kannte als Edelstein, erschien vor meinem Auge 69 wie ein Rubin, auf den die Sonne trifft. Dort oben funkeln sie vor Fröhlichkeit: es ist, wie wenn wir lächeln – aber drunten 72 verfinstern sich bei trübem Geist die Schatten. »Der Herr sieht alles, und in Ihm«, sprach ich, »vollendet sich dein Schaun, so daß kein Streben 75 zu Ihm hinan sich dir entziehen kann. Warum will also deine Stimme, die im Chorgesang mit jenen heilig lichten 78 sechsfach beflügelten verhüllten Geistern im Himmel jubelt, mir kein Antwort gönnen? Ich wartete nicht erst, bis du mich bätest, 81 säh ich in dich, wie du in mich hinein.«

7 «La maggi r valle in che l’acqua si spanda», 3 4 7 incominciaro all r le sue par le, 4 6 8 84 «fu r di qu l mar che la t rra!inghirlanda, 1 (3) 4 7 tra ’ discordanti liti c"ntra ’l s#le 4 6 8 tanto s$n va, che fa meridïano 1 4 6 87 là d%ve l’ori&'(nte pria far su)le. (1 (2)) 6 8 Di qu*lla valle fu’+io litorano 2 4 7 tra,-bro.e Macra, che per cammin c/rto 2 4 9 90 parte lo Genov01e dal Toscano. 1 6 Ad un occa2o qua3i4e5ad un 6rto 4 6 Bugg78a si9de:e la t;rra<=nd’ io fui, 2 4 7 (9) 93 che fé del sangue suo già caldo>il p?rto. 2 4 6 8 F@lco mi disse quAlla gBnteCa cui 1 4 (6) 8 fu nDtoEil nFme mio;Ge quHsto ciIlo 2 (4) 6 8 96 di me s’imprJnta, cKm’ io fL’ di lui; 2 4 7 8 ché più non arse la figlia di BMlo, 2 4 7 noNiandoOePa SichQoReSa CreTuUa, 2 6 99 di me,Vinfin che si convWnneXal pYlo; 2 4 8 né quZlla Rodop[a che delu\a (1.2) 6 fu da Demofo]^nte, né_Alcide 1 6 (8) 102 quando`Iale nel cbrecdbbe rinchiuea. 1 3 6 7 Non però qui si pfnte, ma si ride, 1 3 4 6 non de la cglpa, ch’a mhnte non tirna, 1 4 7 105 ma del valjr ch’ordinòke provide. 4 7 Qui si rimira ne l’arte ch’addlrna 1 4 7 cotantomaffntto,oe discprnesi ’l bqne 2 4 7 108 per che ’l mrndo di sù qusl di giù ttrna. 3 6 (7) 9

8 »Das größte Becken«, so begann er nun, »in dem des Meeres Wasser sich verbreiten 84 neben dem Meer, das rings die Erde kränzt, erstreckt sich zwischen feindlichen Gestaden so weit nach Osten, daß sein Mittagsbogen 87 ihm dort erscheint, wo erst der Sehkreis war. Uferbewohner jenes Beckens war ich zwischen dem Ebro und der Magra, die 90 nur kurz Ligurien von Toskana trennt. Auf gleicher Länge beinah wie Bugèa liegt meine Vaterstadt, um deren Strand 93 gar heiß und blutig einst gerungen wurde. Folco war dort mein Name, wohlbekannt, und diesem Himmel bin ich eingefügt, 96 wie ich von ihm mein Eigenart empfing. So minniglich, wie ich in freier Jugend, war selbst des Belus Tochter nicht entflammt 99 (Sichäus und Creusa zum Verdruß), noch Rhodopeia, die, verlassen von Demophoon, sich tötet', noch Alcides 102 als er schön Iole in sein Herze schloß. Doch hier bereut man nicht, hier freut man sich: – nicht an der Schuld zwar, die vergessen ist, 105 doch an der Macht, die lenkte und bestimmte. Bewundernd schaut man hier die Kunst, durch die so schöne Wirkung ward, man sieht das Heil, 108 zu dem der obre Rang den untern führt.

9 Ma perché tutte le tue vuglie pivne 3 4 8 twn pxrti che syn natezin qu{sta sp|ra, 2 6 8 111 proc}dere~ancr €ltre mi convne. 2 5 6 Tu vu‚’ sapƒr chi„è in qu†sta lum‡ra (1 2) 4 7 che quiˆappr‰sso me coŠì scintilla 2 4 6 8 114 c‹me raggio di sŒlein acqua mŽra. 3 6 8 r sappi che là‘ntro si tranquilla 1 2 6 Ra’“b; e”a n•str’ –rdine congiunta, 2 6 117 di l—i nel s˜mmo grado si sigilla. 2 4 6 Da qu™sto cišlo,›in cui l’œmbra s’appunta 2 4 (6) 7 che ’l vstro mžndo face, pria ch’altr’ alma 2 4 6 8 (9) 120 del trïunfo di Cristo fuŸassunta. 3 6 (8) B n si conv¡nne l¢i lasciar per palma 1 4 6 8 in alcun ci£lo de l’alta vitt¤ria 3 4 7 123 che s’acquistò con l’una¥e l’altra palma, 4 6 8 perch’ ¦lla favorò la prima gl§ria 2 6 8 di¨Iosüè©in su la Tªrra Santa, 4 8 126 che p«co t¬cca al papa la mem®ria. 2 4 6 La tua città, che di colui¯è pianta (2) 4 8 che pria v°lse le spalle±al suo fatt²re 2 3 6 8 129 e di cui³è la ’nvidia tanto pianta, 3 (4) 6 8 produce´e spandeµil malad¶tto fi·re 2 4 8 c’ha di¸vïate le p¹coreºe li»agni, (1) 4 7 132 però che fatto¼ha lupo del past½re. 2 4 6 Per qu¾sto l’Evang¿lioÀeÁi dottÂr magni 2 6 9 sÃn derelitti,Äe sÅloÆai Decretali 1 4 6 135 si studia, sì che pareÇa’ lÈr vivagni. 2 (4) 6 8

10 Damit dir aber alle Wünsche, die in diesem Himmel dir erwacht sind, auch 111 befriedigt werden, muß ich weiterreden. Du willst erfahren, wer in diesem Licht zu meiner Seite hier so blinkend funkelt, 114 wie Sonnenstrahl in einem klaren Wasser. So wisse denn, hier wohnt in Frieden Rahab. In unsern Himmel ist sie eingegliedert 117 und gibt ihm zur Vollendung ihr Gepräge. In dieser Sphäre, bis zu der die Spitze des Schattens eurer Erde reicht, empfing sie 120 bei Christi Siegeszug den ersten Platz. Als Palme in den himmlischen Gewölben zum Zeichen jenes hohen Siegs zu stehn, 123 den Gott und Mensch errangen, kam ihr zu, dieweil sie bei der ersten Ruhmestat des Josua im Heiligen lande half, 126 um das der Papst sich jetzt so wenig kümmert. In deiner Stadt, gehegt, gepflanzt von jenem, der seinem Schöpfer bald den Rücken wandte, 129 voll Neid, zum großen Jammer aller Zeiten, ja, dort entsteht und wuchert das verfluchte geblümte Guldenkraut, durch das die Herde 132 mißleitet und der Hirt ein Wolf ist worden. Verlassen liegen Evangelien und die großen Kirchenväter. Decretale 135 studiert, glossiert, verunziert man am Rande,

11 A quÉstoÊintËndeÌil papaÍÎ ’ cardinali; 2 4 6 non vannoÏi lÐr pensiÑriÒa NazarÓtte, 2 4 6 138 là dÔve GabrïÕlloÖap×rse l’ali. (1/2) 6 8 Ma VaticanoØe l’altre partiÙelÚtte 4 6 8 di RÛma che sÜn state cimitÝro 2 6 141 a la milizia che PiÞtro segußtte, 4 7 tàsto libere fáen de l’avoltâro». 1 3 6

12 nur darauf denken Papst und Kardinäle – um Nazareth, wohin den Engel Gabriel 138 die Flügel trugen, kümmern sie sich nicht. Doch werden Vatikan und die in Rom zum Ruheplatz geweihten Stätten für 141 Sankt Peters mutige Gefolgschaft bald befreit vom ehebrecherischen Treiben.«

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