Inferno – Canto 29

La Divina Commedia Inferno Canto XXIX Das Lied der Fälscher Zeit: Sonntag, 26. März 1301 (Samstag, 9. April 1300): zwischen ein und zwei Uhr nachmittags Ort: Kreis VIII (Malebolge): Betrüger Graben IX: Säer von Zwietracht und Schismen Graben X: Fälscher Personen: Dante, Virgilio, Geri del Bello. Fälscher: Griffolino d’Arezzo, Capocchio © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 La m lta g nte e le div rse piaghe 2 4 8 av an le luci mie sì inebrïate, 2 4 6 7 3 che de lo stare a piangere ran vaghe. 4 6 8 Ma Virgilio mi disse: «Che pur guate? 3 6 8 perché la vista tua pur si soff lge 2 4 6 7 6 là giù tra l’ mbre triste mozzicate? 2 4 6 Tu non hai fatto sì a l’altre b lge; (1) 4 6 8 p nsa, se tu annoverar le cr di, 1 4 8 9 che miglia ventidue la valle v lge. 2 6 8 E già la luna è s tto i n stri pi di; 2 4 6 8 lo t mpo è p co omai che n’è conc sso, 2 4 6 (8) 12 e altro è da ved r che tu non v di». 2 6 (8) «Se tu!av"ssi», rispu#$’ io%appr&sso, 4 8 «att'(o)a la cagi*n per ch’io guardava, 2 6 8 15 f+rse m’avr,sti-anc.r lo star dim/sso». 1 4 6 8 Parte s0n giva,1e2io r3tro li4andava, 1 4 (6) 7 lo duca, già facc5ndo la risp6sta, 2 4 6 18 e soggiugn7ndo: «D8ntro9a qu:lla cava 4 6 (8) d;v’ io ten<a=>r li?@cchi sìAa pBsta, 2 4 5 6 8 crCdo ch’un spirto del mio sangue pianga 1 4 (7) 8 21 la cDlpa che là giù cotanto cEsta». 2 6 8 AllFr disse ’l maGHstro: «Non si franga 2 3 6 8 lo tuo pensiIr da quiJinnanzi sKvr’ Lllo. 4 6 7 24 AttMndiNad altro,Oed Pi là si rimanga; 2 4 6 7 ch’io vidi luiQa piè del ponticRllo 1/2 4 6 mostrartiSe minacciar fTrte col dito, 2 6 7 27 eUudi’ ’l nominar GVri del BWllo. 3 6 7

2 Von vielen Menschen mit so argen Wunden waren berauscht und müde meine Augen 3 und hätten gern sich einmal ausgeweint. Vergilius aber sprach: »Was schaust du so? Warum versteift dein Blick sich auf die Schatten 6 der jämmerlich Verstümmelten hinab? Auf andre hast du so noch nie gestarrt. Willst du etwa sie zählen, so bedenke: 9 das Tal hat zweiundzwanzig Meilen Umkreis. Auch steht der Mond schon unter unsern Füßen, die uns vergönnte Zeit geht auf die Neige, 12 und viel ist noch zu sehn, das du nicht kennst.« »Hätt’st du«, entgegnete ich ihm sodann, »den Grund beachtet, der mich schauen machte, 15 so hätt’st du mir vielleicht erlaubt, zu weilen.« Ich sprach’s, indes der Führer weiterging und ich mit meiner Antwort hinterher 18 und fügte bei: »Dort unten in dem Hohlraum, in den ich eben noch so eifrig spähte, verbüßt, glaub ich, ein Geist, mir blutverwandt, 21 die dort so fürchterlich bestrafte Schuld.« Da mahnte mich Vergil: »In diesen einen darf jetzt dein Denken sich nicht mehr verfangen. 24 Aufs Weitre schau und laß ihn, wo er ist. Ich hab ihn stehn gesehn am Fuß der Brücke: er wies auf dich und drohte mit dem Finger. 27 Geri del Bello nennen hört ich ihn.

3 TuXYriZall[r sì del tutto\impedito 2 4 7 s]vra colui che già t^nne_Altaf`rte, 1 4 7 30 che non guardastiain là, sì fu partito». 4 6 7 «b duca mio, la vïolcnta mdrte 2 4 8 che non lieè vendicatafancgr», diss’ io, 3 6 8 33 «per alcun che de l’hnta sia consirte, 3 6 8 fjce lui dikdegnlmo;nond’ pl sqn gro 1 3 6 7.8 sanza parlarmi, sì csm’ iotestimo: 1 4 6 8 36 euin ciò m’havwl fattoxa sé più pio». 3 5 6 8 Coyì parlammozinfino{al l|co primo 2 4 6 8 che de lo sc}glio l’altra valle m~stra, 4 6 8 39 se più lume vi fsse, tutto€ad imo. 3 6 8 Quando ni fummo s‚r l’ultima chiƒstra (1) 4 7 di Maleb„lge, sì che i su†i conv‡rsi 4 6 (8) 42 potˆan par‰reŠa la veduta n‹stra, 2 4 8 lamŒnti saettaron me divŽrsi, 2 6 8 che di pietà ferratiavan li strali; 4 6 8 45 ‘nd’ io li’or“cchi con le man cop”rsi. 2 4 8 Qual dol•r f–ra, se de li spedali 1 3 4 (6) di Valdichiana tra ’l luglio—e ’l sett˜mbre 4 7 48 e di Mar™mmaše di Sardigna›i mali 4 8 fœsseroin una fžssa tutti ’nsŸmbre, 1 (4) 6 8 tal ra quivi,¡e tal puzzo n’usciva 1 4 6 7 51 qual su¢l venir de le marcite m£mbre. 2 4 8 N¤i discend¥mmo¦in su l’ultima riva 1 4 7 del lungo sc§glio, pur da man sinistra; 2 4 6 8 54 e¨all©r fu la mia vista più viva 3 7 9

4 Du warst gerade völlig hingenommen durch den Enthaupteten von Autafort 30 und schautest gar nicht hin, und weg war er.« »O Führer«, sprach ich, »man hat ihn ermordet und niemand hat ihn noch gerächt bis heute, 33 keiner von den Genossen seiner Schmach. Daher sein Zorn und Stolz, drum ging er weg ohne ein Wort an mich. So denk ich’s mir 36 und kann mein Mitgefühl ihm nicht versagen.« So sprachen wir und kamen an den Punkt der Brücke, wo das nächste Tal sich auftut 39 und man, wenn’s heller wär, den Grund erblickte. Wir hielten überhalb der letzten Klause von Bösen-Graben, und die Büßenden 42 erschienen sichtbar nun für unsre Augen. Da trafen unerhörte Jammerlaute wie spitze, mitleidscharfe Pfeile mich, 45 daß ich mit Händen mir die Ohren deckte. Wenn alle Krankheit aus den Siechenhäusern von Chianatal, Maremma und Sardinien, 45 von Juli bis September aufgehäuft, gestopft in einem einzigen Graben läge, so glich’s dem Weh von hier; und ein Gestank 48 kam hoch von Fäulnis und von Eiterbeulen. Wir stiegen zu dem letzten Damm hinab vom Brückensteg, nach links auch hier wie sonst. 51 Und jetzo konnt ich noch lebendiger

5 giù vªr’ lo f«ndo, là ’v¬ la ministra 1 4 (6) de l’alto Sire infallibil giustizia 2 4 7 57 punisce®i falsador che qui registra. 2 6 8 Non cr¯do ch’a ved°r maggi±r tristizia 2 6 8 f²sse³in Eg´naµil p¶pol tutto·inf¸rmo, 1 4 6 8 60 quando fu l’¹ere sì piºn di malizia, 1 4 7 che li»animali,¼infino½al p¾cciol v¿rmo, 4 6 8 cascaron tutti,Àe pÁi le gÂntiÃantiche, (2) 4 6 8 63 secÄndo cheÅi poÆÇtiÈhanno per fÉrmo, 2 6 7 si ristorar di sÊme di formËche; 4 6 ch’ÌraÍa vedÎr per quÏllaÐoscura valle 1 4 6 8 66 languir li spirti per divÑrse biche. 2 4 8 Qual sÒvra ’l vÓntreÔe qual sÕvra le spalle 1 2 4 6 7 l’un de l’altro giacÖa,×e qual carpØne 1 3 6 8 69 si traÙmutava per lo tristo calle. 4 8 Passo passoÚandavam sanza sermÛne, 1 3 6 7 guardandoÜeÝascoltando liÞammalati, 2 6 72 che non potßan levar le làr persáne. (4) 6 8 Io vidi due sedâreãa sé poggiati, (2) 4 6 8 cäm’ a scaldar si påggia tægghiaça tègghia, 4 6 8 75 dal capoéal piè di schianze macolati; 2 4 6 e non vidi già mai menare strêgghia (3) 6 8 a ragazzoëaspettato dal segnìrso, 3 6 78 néía colui che mal volontiîr vïgghia, 4 6 9 cðme ciascun menava spñssoòil mórso 1 4 6 8 de l’unghie sôpra sé per la gran rabbia 2 4 6 9 81 del pizzicõr, che non ha più soccörso; 4 (8)

6 den Grund erkennen, wo die Dienerin des hohen Herrn, Justitia, unfehlbar 57 die Fälscher straft, die sie bei uns verzeichnet. Es kann nicht trostloser gewesen sein auf Aegina, da alles Volk erkrankte 60 und so mit Pest die Luft vergiftet war, daß selbst die Tiere bis zum kleinsten Wurm hinsanken allzumal – worauf das alte 63 Geschlecht der Menschen, wie die Dichter meinen, aus Emsen-Samen sich erneuerte – wie hier im dunkeln Tal das Elend aussah 66 von siechen Geistern, die in Haufen lagen, der eine auf dem Bauch des andern oder an fremde Schultern angelehnt, und kriechend 69 verzog sich mancher durch die kranke Gasse. Wir gingen Schritt vor Schritt ohne Gespräch und schauten nur und lauschten auf die Kranken, 72 die keine Kraft sich zu erheben hatten. Zwei sah ich sitzend aneinanderlehnen, wie überm Feuer Pfann an Pfann gestützt, 75 von Kopf zu Fuß befleckt mit Schorf und Ausschlag. Noch nie konnt ich so eifrig striegeln sehn. Weder ein Stallknecht, wenn die Herrschaft wartet, 78 noch einer, wenn es Zeit zum Schlafen ist, rieb je so flink, wie diese beiden kratzten am eignen Leib mit ihren scharfen Nägeln 81 vor lauter Wut, den Kitzel loszuwerden.

7 e sì tra÷øvan giù l’unghie la scabbia, (2) (4) 6 7 cùme coltúl di scûrdova le scaglie 1 4 6 84 o d’altro püsce che più larghe l’abbia. 2 4 8 «ý tu che con le dita ti dismaglie», 2 6 cominciò ’l duca mioþa l’un di l ro, 3 4 6 8 87 «e che fai d’ sse tal v lta tanaglie, 4 7 dinne s’alcun Latino è tra cost ro 1 4 6 che s n quinc’ ntro, se l’unghia ti basti 2 4 7 90 etternalm nte a cot sto lavoro». 4 7 «Latin siam n i, che tu v di sì guasti 2 4 7 qui ambedue», rispu e l’un piang ndo; 1 4 6 8 93 «ma tu chi s ’ che di n i dimandasti?». 2 4 7 E ’l duca disse: «I’ s n un che disc ndo 2 4 (5) 7 con qu sto vivo giù di balzo in balzo, 2 4 6 8 96 e di mostrar lo ’nf rno a lui int ndo». 4 6 8 All r si ruppe lo comun rincalzo; 2 4 8 e tremando ciascuno a me si v lse 3 6 8 99 con altri che l’udiron di rimbalzo. 2 6 Lo bu n ma !stro"a me tutto s’acc#lse, 2 4 6 7 dic$ndo: «Dì%a l&r ciò che tu vu'li»; 2 4 6 7 102 e(io)incominciai, p*scia ch’+i v,lse: 2 6 7 (9) «Se la v-stra mem.ria non s’imb/li 3 6 (8) nel primo m0ndo da l’umane m1nti, 2 4 8 105 ma s’2lla viva s3tto m4lti s5li, 2 4 6 8 ditemi chi v6i si7te8e di che g9nti; 1 (5) 6 la v:stra sc;ncia<e fastidi=>a p?na 2 4 8 108 di pale@arviAa me non vi spavBnti». 4 6 7

8 Die Fingernägel schabten an dem Schorf so, wie das Messer einen Karpfen schuppt, 84 oder den Panzer eines andern Fisches. »Der du mit Fingern deine Kruste krallst und manchmal auch sie abzwickst wie mit Zangen«, 87 begann zu einem von den zwein mein Führer, »ist aus Italien einer hier bei euch? Sag uns, so wahr du hoffst, daß dir die Nägel 90 beim ewigen Geschäfte nicht versagen.« »Wir zwei, die du so zugerichtet siehst, sind aus Italien«, sprach der eine klagend. 93 »Doch wer bist du, daß du um uns dich kümmerst?« »Ich steige«, sprach der Führer, »stufenweise hinab mit diesem Lebenden, dem ich 96 das Reich der Hölle willens bin zu zeigen. « Da brach die gegenseitige Anlehnung entzwei, und zitternd wandte jeder sich 99 zu mir, wie andre, die das Wort erfaßten. Ganz nahe zu mir her der gute Meister: »Jetzt«, sagt er, »sprich zu ihnen, was du willst.« 102 Da er’s nun wollte, fing ich an und sprach: »Bei eurem Angedenken in der Welt, daß es nicht schwinde aus der Menschen Sinn 105 und viele Sonnenjahre daure, bitt’ ich, sagt mir, wer seid ihr und von welcher Herkunft? Erklärt euch mir und laßt euch nicht verschüchtern 108 durch eure lästig widerliche Strafe.«

9 «Io fui d’ArCzzo,DeEFlbero da SiGna», (1) 2 4 6 rispuHIe l’un, «mi fé mJttereKal fLco; 2 4 (6) 7 111 ma quMl per ch’io mori’ qui non mi mNna. 2 (4) 6 7 VOroPè ch’i’ dissi lui, parlandoQa giRco: 2 4 6 8 “I’ mi saprSi levar per l’TereUa vVlo”; (1) (4) 6 8 114 e quWi, ch’avXa vaghYzzaZe s[nno p\co, 2 4 6 8 v]lle ch’i’ li mostrassi l’arte;^e s_lo 1 6 8 perch’ io nol f`ci Dadalo, mi fbce (2) (3) 4 6 117 crdereda tal che l’avea per figliuflo. 1 4 7 Ma ne l’ultima bglgia de le dihce 3 6 me per l’alchìmia che nel mindojukai 1 4 8 120 dannò Minòs, a cui fallar non llce». 2 4 (6) 8 Emio dissinal poopta:q«rr fu già mai 2 3 6 7.8 gsnte sì vana ctme la sanuve? 1 4 (6) 123 Cwrto non la francxsca sì d’assai!». 1 (3) 6 (8) ynde l’altro lebbrz{o, che m’int|}e, 1 3 6 rispu~e€al dtto mio: «Tr‚’mene Stricca 2 4 6 7 126 che sƒppe far le temperate sp„ e, 2 4 8 e Niccolò che la costuma ricca 4 8 del gar†fano prima discov‡rse 3 6 129 ne l’ˆrto d‰ve tal sŠme s’appicca; 2 6 7 e tra’ne la brigata‹in che dispŒrse 2 6 Caccia d’Ascian la vignae la gran fŽnda, 1 4 6 9 132 e l’Abbagliato suo snno profrse. 4 7 Ma perché sappi chi sì ti sec‘nda 4 (6) 7 c’ntra“i San”•i,–aguzza v—r’ me l’˜cchio, 1 4 6 (9) 135 sì che la faccia mia b™n ti rispšnda: (1) (4) 6 7

10 »Ich stamme«, sagte einer, »aus Arezzo. Verbrennen ließ mich Albero da Siena. 111 Doch nicht, wofür ich starb, kam ich hieher. Sagt ich doch nur im Scherz ihm eines Tages, ich schwänge durch die Lüfte mich im Flug. 114 Und er, neugierig wie er war und gläubisch, verlangt die Kunst des Daedalus von mir. Da ich ihm keine Flügel gab, gab er 117 mich seinem Vater, der mich brennen ließ. Doch in den letzten dieser Gräben hat mich Minos, der Unfehlbare, gewiesen 120 für Alchimie, die ich im Leben trieb.« Da wandt ich mich zum Dichter: »Gab’s wohl je ein windigeres Volk, als das von Siena? 123 Nicht einmal die Franzosen sind so eitel.« Der andre Räudige hatte mich gehört und stimmte bei: »Den Stricca ausgenommen, 126 der gar so maßvoll im Vergeuden war, so wie den Niccolò, der uns erfand den köstlichen Gebrauch der Nelkenwürze 129 für unser Gärtlein, wo dergleichen wuchert; und ausgenommen die Gesellschaft auch, in der Caccia d’ Ascian Weinberg und Wald 132 und Abbagliato den Verstand verspielte. Damit du aber wissest, wer dir so gegen das Volk von Siena beispringt, schau 135 recht scharf mir ins Gesicht, bis es dir aufgeht,

11 sì vedrai ch’io s›n l’œmbra di Capcchio, 1 3 (4) 6 che falsai li metalli con l’alchìmia; 3 6 138 e te dže ricordar, se bŸn t’ad cchio, (2) 3 6 8 c¡m’ io fui di natura bu¢na scimia». 2 3 6 8

12 und mich erkennst als des Capocchio Schatten. Durch Alchimie hab ich das Gold verfälscht, 138 und du erinnerst dich, ich seh dir’s an, wie gut ich die Natur zu äffen wußte.«

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