La Divina Commedia Purgatorio Canto XXXIII Das Lied der Läuterung Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): gegen Mittag Ort: Irdisches Paradies Personen: Dante, Stazio, Matelda, Beatrice © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)
1 ‘D s, v n runt g nt s’, alternando 1 4 6 or tr or quattro d lce salmodia, (1) 2 (3) 4 6 3 le d nne incominciaro, e lagrimando; 2 6 e Bëatrice, sospir a e pia, 4 8 qu lle ascoltava sì fatta, che p co 1 4 (6) 7 6 più a la cr ce si cambiò Maria. 1 4 8 Ma p i che l’altre v rgini di r l co 2 4 6 9 a l i di dir, levata dritta in pè, 2 4 6 8 9 rispu e, colorata c me f co: 2 6 (8) ‘M d c m, t n n v d b tis m ; 1 5 7 t t r m, sor lle mie dil tte, 2 6 8 12 m d c m, t v s v d b tis m ’. 1 5 7 P i le si mi e innanzi tutte e s tte, 1 4 6 8 e d po sé, s!lo"accennando, m#sse 2 4 5 8 15 me$e la d%nna&e ’l savio che rist'tte. 1 4 6 Co(ì s)n giva;*e non cr+do che f,sse 2 4 (6) 7 lo d-cimo suo passo.in t/rra p0sto, 2 6 8 18 quando con li12cchi li34cchi mi perc5sse; 1 4 6 e con tranquillo6asp7tto «Vi8n più t9sto», 4 6 8 mi disse, «tanto che, s’io parlo t:co, 2 4 6 8 21 ad ascoltarmi tu s;e b<n disp=sto». 4 ((6) 7) 8 Sì c>m’ io fui, c?m’ io dov@a, sAco, 1 (3) 4 (6) 8 dissemi: «Frate, perché non t’attBnti 1 4 7 24 a domandarmiComai venDndo mEco?». 4 6 8 CFmeGa colHr che trIppo reverJnti 1 4 6 dinanziKa suo maggiLr parlando sMno, 2 (4) 6 8 27 che non traggon la vNce vivaOai dPnti, 3 6 8
2 »Herr, es sind Heiden eingedrungen«, sangen zu dritt und viert im Wechselchor die Frauen, 3 die klagenden, mit sanfter Psalmodie. In frommer Trauer hörte Beatrice den Sängerinnen zu, so schmerzbewegt, 6 fast wie Maria aussah unterm Kreuz. Sobald jedoch die andern Frauen sie zum Sprechen kommen ließen, stand sie auf 9 und gab zur Antwort, feuerrot im Antlitz: »Über ein Kleines, und ihr seht mich nicht mehr, und aber, liebe Schwestern mein, ein Kleines, 12 daß ihr mich wiederseht. Ich geh zum Vater.« Dann schickte sie die sieben vor sich her und winkte, daß wir folgen sollten, ich, 15 die tätige Frau und der verbliebne Weise. So ging sie, und sie hatte wohl noch kaum das zehntemal den Fuß zum Schritt gesetzt, 18 als sie mit Augen mir ins Auge blitzend geruhsam sagte: »Komm geschwinde, so daß, wenn ich zu dir spreche, du mir nahe 21 und meine Worte zu verstehn vermögest.« Kaum war ich, wie ich sollte, neben ihr, begann sie: »Bruder, warum wagst du nicht 24 jetzt, da ich bei dir bin, mich zu befragen?« Wie denen, die vor ihren Vorgesetzten mit gar zu großer Ehrfurcht sprechen und 27 kein lautes Wort aus ihrem Halse bringen,
3 avvQnneRa me, che sanzaSintTro suUno 2 4 6 8 incominciai: «MadVnna, mia biWXgna 4 6 8 30 vYi conoscZte,[e ciò ch’ad \ssa]è bu^no». 1 4 6 8 Ed _lla`a me: «Da tamabe da vergcgna 2 4 6 vdglio che tueomai ti difviluppe, 1 4 6 33 sì che non parli più cgm’ hm che signa. 1 4 6 8 Sappi che ’l vajo che ’l serpknte ruppe, 1 4 8 fule non è; ma chi n’ha cmlpa, crnda 1 4 6 8 36 che vendotta di Dio non tpme suppe. 3 6 8 Non sarà tutto tqmpo sanza rrda 1 3 4 6 8 l’aguglia che lasciò le psnnetal carro, 2 6 8 39 per che divunne mvstrowe pxscia pryda; 2 4 6 8 ch’io vzggio certam{nte,|e però}il narro, (1) 2 6 9 a darne t~mpo già stlle propinque, 2 4 6 7 42 secure d’gn’ intppoe d’gne barro, 2 4 6 8 nel quale un cinquecnto dicee cinque, 2 6 8 msso di Dio,anciderà la fuia 1 4 8 45 con qul gigante che con li delinque. 2 4 8 E frse che la mia narrazin buia, 2 6 9 qual Tmie Sfinge, mn ti persuade, 2 4 6 48 perch’ a lr mdo lo ’ntelltto attuia; 3 4 8 ma tsto fer li fatti le Naiade, 2 4 6 che solveranno qustoenigma frte 4 (6) 8 51 sanza danno di pcore o di biade. 1 3 6 Tu n¡ta;¢e sì c£me da me s¤n p¥rte, 1 2 4 (5) 8 co¦ì qu§ste par¨le s©gnaªa’ vivi 2 3 6 8 54 del viver ch’è«un c¬rrere a la m®rte. 2 4 6
4 erging es mir; mit halber Stimme nur begann ich: »Herrin, was mir nötig ist 30 und was mir helfen kann, Ihr wisset es.« Und sie: »Dein zaghaft und verschämt Betragen will ich, daß du nun endlich von dir tust 33 und nicht mehr murmelnd wie im Traume redest. Vernimm: der Wagen, den der Drache brach, er ist gewesen und ist nicht. Der Schuld'ge 36 kann Gottes Rache nicht beschwichtigen. Nicht immer ohne Erben bleibt der Adler, der auf der Lade sein Gefieder ließ, 39 daß sie ein Untier, eine Beute wurde. Ich seh gewißlich, darum sprech ich's aus, die nahen Sterne, die uns Zeiten bringen – 42 kein Stoß und keine Schranke kann es wehren! – daß ein Fünfhundert zehn und fünf, ein Bote des Herren kommt; er wird die Dirne töten, 45 den Riesen auch, der sich mit ihr vergeht. Vielleicht, daß meine Rede dunkel dir und ungewiß, wie Themis oder Sphinx 48 mit ihren Sprüchen den Verstand verwirren. Doch bald werden die Tatsachen dir zeigen, wie sich das große Rätsel auflöst, ohne 51 daß Vieh und Felder dabei Schaden nehmen. Das merke dir, und so wie ich's in Worten dir vorgetragen habe, schreib es für 54 des Lebens todgeweihte Kinder auf.
5 E¯aggi°a m±nte, quando tu le scrivi, 2 4 (6) 8 di non celar qual hai vista la pianta 2 4 5 7 57 ch’è²³r due v´lte dirubata quivi. 2 4 8 Qualunque ruba quµlla¶o qu·lla schianta, 2 4 6 8 con best¸mmia di fatto¹offºnde»a Dio, 3 6 8 60 che s¼lo½a l’u¾o suo la cre¿ò santa. 2 (4) 6 9 Per mÀrder quÁlla,Âin pÃnaÄeÅin diÆio 2 4 6 cinquemÇliaÈanniÉe più l’anima prima 3 4 6 7 63 bramò colui che ’l mÊrsoËin sé punio. 2 4 6 8 DÌrme lo ’ngÍgno tuo, se non estima 1 (4) 6 (8) per singulÎr cagiÏneÐÑssereÒeccÓlsa 4 6 7 66 lÔi tantoÕe sì travÖlta ne la cima. 1 2 4 6 E se stati non f×sseroØacqua d’Ùlsa 3 6 8 li pensiÚr vaniÛintÜrnoÝa la tua mÞnte, 3 4 6 69 e ’l piacßr làroáun Pâramoãa la gälsa, 3 4 6 per tante circostanze solamånte 2 6 la giustizia di Dio, ne l’interdætto, 3 6 72 conoscerçstièa l’érbor moralmênte. 4 6 Ma perch’ io vëggio te ne lo ’ntellìtto (3) 4 6 fatto di piítraîe,ïimpetrðto, tinto, 1 4 8 75 sì che t’abbagliañil lume del mio dòtto, 1 4 6 vóglioôõnco,öe se non scritto,÷almøn dipinto, 1 2 (5) 6 8 che ’l te ne pùrti dúntroûa te per quüllo 1 4 6 8 78 che si rýcaþil bord n di palma cinto». 3 6 8 E io: «Sì c me c ra da sugg llo, 2 3.4 6 che la figura impr ssa non tra muta, 4 6 (8) 81 segnato è r da v i lo mio cerv llo. 2 4 6 (8)
6 Vergiß auch nicht, wenn du es niederschreibst, daß du des Baumes Zustand offenbarest, 57 wie du zweimal geplündert hier ihn sahest. Wer ihn beraubt, wer immer ihn beschädigt, begeht handgreiflich Gotteslästerung, 60 da Gott für sich ihn schuf und heiligte. Fünftausend Jahr und länger mußte für den Biß in seine Frucht die erste Seele 63 voll Gram erharren Sühne durch den Heiland. Verschlafen ist dein Geist, wenn er den Grund, den einzigen, nicht ahnt, aus dem der Baum 66 so hoch im Wuchs, so breit im Wipfel steht. Wenn eitles Denken deinen Geist nicht trübte, wie Elsa-Wasser, und wenn eitle Lust 69 ihn nicht, wie Pyramus den Maulbeer, färbte, so müßtest du hinter den vielen Zeichen den Sinn der göttlichen Gerechtigkeit 72 in dem Verbote dieses Baums erkennen. Doch weil ich sehe, wie dir die Vernunft zu Stein geworden und verdüstert ist 75 und meines Wortes Licht dich nicht erhellt, so will ich, daß du wenigstens das Bild davon, wenn schon die Schrift nicht, in dir tragest, 78 wie Palmenschmuck an einem Pilgerstab.« Und ich: »Wie Wachs das eingeprägte Bild des Siegels in sich wahrt, es nicht verändert, 81 so trag ich euer Zeichen jetzt im Hirn.
7 Ma perché tanto s vra mia veduta 3 4 6 8 v stra par la di ïata v la, 1 4 8 84 che più la p rde quanto più s’a iuta?». 2 4 6 8 «Perché con schi», disse, «qu lla scu la 2 4 6 8 c’hai seguitata, e v ggi sua dottrina 1 4 6 8 87 c me può seguitar la mia par la; 3 6 e v ggi v stra via da la divina 2 4 6 distar cotanto, quanto si disc rda 2 4 6 90 da t rra il ci!l che più"alto festina». 2 4 7 #nd’ io rispu$%i l&i: «Non mi ric'rda 2 4 6 7 ch’i’ stranïasse me già mai da v(i, 1 4 6 8 93 né)h*nne coscï+nza che rim,rda». 2 6 «E se tu ricordar non te ne pu-i», 3 6 7 sorrid.ndo rispu/0e,1«2r ti ramm3nta 3 6 7 96 c4me bev5sti di Letè6anc7i; 1 4 8 e se dal fummo f8co s’argom9nta, 4 6 cot:sta;oblivï<n chiaro conchiude 2 6 7 99 c=lpa ne la tua v>glia?altr@veAattBnta. 1 6 8 VeramCnteDoramai saranno nude 3 6 8 le mie parEle, quanto converrassi 2 4 6 102 quFlle scovrireGa la tua vista rude». 1 4 8 E più coruscoHe con più lInti passi (2) 4 7 8 tenJvaKil sLleMil cNrchio di merigge, 2 4 6 105 che quaOe là, cPme liQaspRtti, fassi, 2 4 8 quando s’affisser, sì cSme s’affigge 1 4 (6.7) chi va dinanziTa gUnte per iscVrta 2 4 6 108 se trWva novitateXo sue vestigge, 2 6 8
8 Aber warum erhebt sich euer Wort so hoch im Flug, daß meine Sehnsucht es, 84 je mehr sie sucht, nur um so mehr verliert?« »Damit du merkst«, sprach sie, »was du für Lehren befolgt hast, und verstehst, wie wenig sie 87 dem Sinne meines Wortes folgen können, damit du siehst, daß euer Weg so weit vom göttlichen entfernt ist, wie die Erde 90 vom höchsten Himmel, der am schnellsten kreist.« Worauf ich sprach: »Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich je entfremdete von euch, 93 es mahnt mich kein Gewissensbiß daran.« »Und kannst du dich nicht mehr entsinnen«, sagte sie lächelnd, »nun so ruf dir ins Bewußtsein, 96 wie du soeben aus der Lethe trankest. Wenn man vom Rauch auf Feuer schließen darf, weist dein Vergessen deutlich deine Schuld 99 im anderwärts gerichteten Verlangen. – Doch fortan sollen meine Worte wahrlich so schlicht und unverhüllt sich zeigen, wie 102 es sich für deinen scheuen Blick gehört.« Jetzt rückte glühender und langsamer die Sonne auf den Kreis des Mittags zu, 105 der mit dem Standort wechselt hier und dort. Da blieben jene sieben Frauen stehn, wie eine Vorhut, wenn sie etwas Neues 108 oder die Anzeichen davon entdeckt.
9 le sYtte dZnne[al fin d’un’\mbra ]m^rta, 2 4 6 8 qual s_tto f`glie vardibe rami nigri (1) 2 4 6 8 111 scvra sudi freddi rivi l’alpe pfrta. (1) 4 6 8 Dinanzigad hsseiËufratès e Tigri 2 4 8 vedjr mi parvekuscir d’una fontana, 2 4 6 7 114 e, qualimamici, dipartirsi pigri. 1 2 4 8 «n luce,op glqria de la grntesumana, (1) 2 (3) 4 8 chetacquauè quvsta che qui si dispiwga 2 4 7 117 daxun principioye sé da sé lontana?». 2 4 6 8 Per cotal prizgo d{tto mi fu: «Pri|ga 4 6 9 Mat}lda che ’l ti dica».~E qui rispue, 2 6 8 120 cme fa chi da clpa si dilga, 3 6 la b lla dnna: «Qustoealtre ce (2) 4 6 8 dtte li sn per me;e sn sicura 1 4 6 8 123 che l’acqua di Letè non glil nasce». 2 6 (7) 8 E Bëatrice: «Frse maggir cura, 4 6 9 che spsse vlte la memria priva, 2 4 8 126 fatt’ ha la mnte sua ne licchioscura. 1 2 4 6 8 Ma vdiEünoè che là diriva: 2 6 8 mnalo ad ¡sso,¢e c£me tu s¤’¥u¦a, 1 4 (6) 8 129 la tramortita sua virtù ravviva». 4 (6) 8 C§me¨anima gentil, che non fa scu©a, 1 2 6 (8) (9) ma fa sua vªglia de la v«glia¬altrui 2 (3) 4 8 132 t sto che®è per s¯gno fu°r dischiu±a; 1 4 6 8 co²ì, p³i che da´µssa pr¶·o fui, 2 3 6 8 la b¸lla d¹nna mºssesi,»e¼a Stazio (2) 4 6 135 donnescam½nte disse: «Vi¾n con lui». 4 6 8
10 Es war am Rande eines bleichen Schattens, wie unter grünem Laub und dunkeln Ästen 111 er im Gebirg auf kühle Bäche fällt; dort floß vor ihnen her aus einer Quelle, so schien es mir, der Euphrat und der Tigris, 114 und trennten langsam wie zwei Freunde sich. »O Leuchte du und Ruhm der Menschenkinder, was ist dies Wasser, das aus einem Ursprung 117 hervorgegangen, auseinanderläuft?« Auf diese Bitte kam die Antwort: »Bitte Matilden um Bescheid.« Und darauf sprach, 120 wie um von einer Schuld sich frei zu machen, die schöne Frau: »Ich habe ihm dieses und noch anderes erklärt und bin gewiß, 123 daß Lethe es ihm nicht genommen hat.« Und Beatrice: »Größre Sorge, die wohl manchmal das Gedächtnis schwächt, hat ihm 126 vielleicht das Auge seines Geists verdunkelt. Doch schau, wie dort hinab Eunoë fließt! Führ ihn zu diesen Wellen, wie du pflegst, 129 belebe die erstarrte Kraft in ihm!« Wie ohne Ausflucht eine edle Seele den fremden Willen sich zum eignen macht, 132 sobald sich dieser zu erkennen gibt, so macht die schöne Frau, indem sie mich ergriff, sich auf und sprach zu Statius 135 mit weiblich edlem Anstand: »Folge diesem.«
11 S’io¿avÀssi, lettÁr, più lungo spazio (1) 3 6 8 da scrivere,Âi’ pur canterÃ’Äin parte 2 (5) 6 9 138 lo dÅlce bÆr che mai non m’avrÇa sazio; 2 4 6 9 ma perché piÈne sÉn tutte le carte 3 4 6 7 ordÊteËa quÌsta cÍntica secÎnda, 2 (4) 6 141 non mi lascia piùÏir lo frÐn de l’arte. 3 6 8 Io ritornai da la santissimaÑÒnda (1) 4 8 rifatto sì cÓme piante novÔlle 2 4 (5) 7 144 rinovellate di novÕlla frÖnda, 4 8 puro×e dispØstoÙa salireÚa le stÛlle. 1 4 7
12 Hätt ich, o Leser, Raum noch, um es hier dir herzuschreiben, säng ich gern ein wenig 138 vom süßen Trunk, des hätt ich nie genug. Doch weil die Blätter alle vollgeschrieben, die für den zweiten Sang bereitet waren, 141 so macht der Künstler halt an dieser Schranke. – Da ich ans Land stieg aus den heiligen Wellen, war ich erneut, wie junger Trieb des Wachstums, 144 der frisch ergrünt mit seinen neuen Blättern: rein und bereit zum Aufschwung in die Sterne.
RkJQdWJsaXNoZXIy MTIyMjQzNA==