Purgatorio – Canto 25

La Divina Commedia Purgatorio Canto XXV Das Lied von der Theorie der Seele Zeit: Mittwoch, 29. März 1301 (Dienstag, 12. April 1300): von zwei bis vier Uhr nachmittags Ort: Treppe zum Gesims VII Gesims VII: die Triebhaften Personen: Dante, Virgilio, Stazio © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 ra ra nde ’l salir non vol a st rpio; 1 2 3 6 9 ché ’l s le avéa il c rchio di merigge 2 4 6 3 lasciato al T uro e la n tte a lo Sc rpio: 2 4 7 per che, c me fa l’u m che non s’affigge 2 (3) 6 (8) ma vassi a la via sua, che che li appa ia, 2 6 8 6 se di bi gno stimolo il trafigge, 4 6 co ì intrammo n i per la calla ia, 2 4 6 uno innanzi altro prend ndo la scala 1 3 4 7 9 che per art!zza"i salit#r dispa$ia. 4 8 E quale%il cicogn&n che l'va l’ala 2 6 8 per v(glia di volare,)e non s’att*nta 2 6 8 12 d’abbandonar lo nido,+e giù la cala; 4 6 8 tal ,ra-io con v.glia/acc01a2e sp3nta 1 (2) 4 6 8 di dimandar, ven4ndo5infino6a l’atto 4 6 8 15 che fa colui ch’a d7cer s’argom8nta. (2) 4 6 Non lasciò, per l’andar che f9sse ratto, 1 3 6 8 lo d:lce padre mio, ma disse: «Sc;cca 2 (4) 6 8 18 l’arco del dir, che ’nfino<al f=rro>hai tratto». 1 4 6 8 All?r sicuram@nteAapri’ la bBcca 2 6 8 e cominciai: «CCme si può far magro 4 5 8 21 là dDve l’uEpo di nodrir non tFcca?». 1 4 8 «Se t’ammentassi cGme MeleHagro 4 6 si consumòIal consumar d’un stizzo, 4 8 24 non fJra», disse,K«a te quLsto sìMagro; (1) 2 4 6 7 (9) e se pensassi cNme,Oal vPstro guizzo, 4 6 8 guizza dQntroRa lo spScchio vTstraUimage, 1 3 6 8 27 ciò che par duro ti parrVbbe vizzo. 1 (3) 4 8

2 Zu flottem Aufstieg trieb die Stunde uns, da durch den Mittagsbogen schon die Sonne 3 dem Stier, die Nacht dem Skorpion gewichen. Und wie ein Wanderer, der sich nicht aufhält, was unterwegs ihm auch begegnen mag, 6 wenn sorgliche Geschäftigkeit ihn spornt, so schlugen wir uns in die Felsengasse, der eine hinterm andern, zu den Stufen, 9 so eng, daß man nur einzeln sie ersteigt. Wie einem jungen Storch, der fliegen möchte, die Flügel hebt und doch zum Nest hinaus 12 sich nicht getraut und senkt die Flügel: so war mir zumut. Ich flackerte vor Lust und Scheu zu fragen und benahm mich gar 15 wie einer, der das Wort ergreifen will. Mein trauter Vater, trotz der Hast des Aufstiegs, vergaß mich nicht und sprach: »Schieß los den Bogen! 18 Hast ihn gespannt bis an des Pfeiles Eisen!« Da öffnet ich getrost den Mund und sprach: »Wie kommt es, daß man mager werden kann, 21 wo doch nach Nahrung kein Bedarf besteht?« »Wenn ich auf Meleager dich verwiese, der mit dem Brand des Holzscheits sich verzehrt, 24 so schien der Fall dir«, sprach er, »nicht so schroff. Bedenkst du, wie dein Spiegelbild sich regt, wenn du dich selber regst mit gleichem Ruck, 27 dann mildert sich dir wohl die Schwierigkeit.

3 Ma perché dWntroXa tuo volYr t’adage, 3 4 (6) 8 Zcco qui Stazio;[e\io lui chi]mo^e pr_go 1 (3) 4 6 (7) 8 30 che s`aabr sanatcr de le tue piage». 3 6 «Se la vedutadetterna li diflggo», 4 6 rispuhie Stazio, «là djve tu sie, 2 4 6 (7 (9)) 33 discklpi me non potlrt’ io far nmgo». 2 4 (5) 8 Pni cominciò: «Se le parole mie, 1 4 8 figlio, la mpnte tua guardaqe ricrve, 1 4 6 7 36 lume ti fserotal cume che tu die. 1 4 6 (9) Sangue perfvtto, che pwi non si bxve 1 4 7 (8) da l’assetate vyne,ze si rimane 4 6 39 qua{i|alim}nto che di m~nsa lve, 1 4 8 pr€nde nel cre‚a tutte mƒmbra„umane 1 4 6 8 virtute informativa, c†me qu‡llo 2 6 (8) 42 ch’a farsi quˆlle per le v‰ne vane. 2 4 8 AncŠr dig‹sto, scŒndeŽv’ è più bllo 2 4 6 8 tacr che dire;‘e quindi p’scia g“me 2 4 6 8 45 s”vr’ altrui sangue•in natural va–—llo. 3 4 8 Ivi s’acc˜glie l’uno™e l’altrošinsi›me, 1 4 6 8 l’un dispœstoa patire,že l’altroŸa fare 1 3 6 8 48 per lo perf tto l¡co¢£nde si pr¤me; 4 6 7 e, giunto lui, comincia¥ad operare 1 2 4 6 co¦agulando prima,§e p¨i©avviva 4 6 8 51 ciò che per sua matªra fé constare. 1 4 6 8 Anima fatta la virtute«attiva 1 4 8 qual d’una pianta,¬in tanto differ nte, 1 4 6 54 che qu®sta¯è°in v±a²e qu³lla´è giàµa riva, 2 4 6 8

4 Um aber ganz dir deinen Wunsch zu stillen, ist Statius da. Ihn ruf ich an und bitte, 30 daß er des Zweifels Wunde dir behandle.« »Wenn ich die Schau in Ewiges ihm enthülle«, versetzte Statius, da du doch da bist, 33 sei's mir verziehn, ich kann dir nichts verweigern.« Sodann zu mir: »Wenn du im Geist, mein Sohn, bewahrst und aufnimmst, was ich dir erkläre, 36 so hellt sich dir die Frage, die du stellst. Das feinste Blut, das nie von durstigen Venen geschluckt wird, sondern bleibt als unberührte 39 und aufbewahrte Speise nach der Mahlzeit, empfängt im Herzen die Gestaltungskraft für alle Glieder; ähnlich läuft ein Blut, 42 zu Gliedern sich zu wandeln, durch die Venen. Verfeinert steigt der Saft hinab zum Orte, von dem man lieber schweigt; von dort ergießt er 45 auf andres Blut sich ins Naturgefäß. Hier bindet sich das eine mit dem andern, das eine leidend, und der andre schaffend, 48 dem hohen Ort, dem er entquillt, gemäß. Wie er es trifft, beginnt er gleich zu wirken, macht's erst gerinnen und belebt sodann, 51 was er zum Stoff sich zubereitet hat. So wird die tätige Kraft zu einer Seele, verschieden von der Pflanzenseele nur, 54 weil sie nicht bleibt wie die und weiterstrebt.

5 tanto¶·vra p¸i, che già si m¹veºe s»nte, 1 2 4 6 8 c¼me spungo marino;½e¾indi¿imprÀnde 3 6 8 57 ad organar le pÁsseÂÃnd’ è semÄnte. 4 6 8 År si spiÆga, figliuÇlo,ÈÉr si distÊnde 1 3 6 7 la virtù ch’è dal cËr del generante, 3 4 6 60 dÌve naturaÍa tutte mÎmbraÏintÐnde. 1 4 6 8 Ma cÑme d’animal divÒgna fante, 2 6 8 non vÓdi tuÔancÕr: quÖst’ è tal punto, 2 4 6 (7) 8 63 che più s×vio di te fé giàØerrante, 3 6 8 sì che per sua dottrina fé disgiunto 1 (4) 6 (8) da l’animaÙil possibileÚintellÛtto, 2 6 66 perché da lui non videÜÝrganoÞassunto. 2 4 6 7 Aprißa la verità che viàneáil pâtto; 1 6 8 e sappi che, sì tãsto cämeåal fæto 2 4 5 6 (8) 69 l’articular del cçrebroèè perfétto, 4 6 lo motêr primoëa lui si vìlge liíto 3 4 6 8 sîvra tant’ arte di natura,ïe spira 1 (3) 4 8 72 spirito nðvo, di vertù replñto, 1 4 8 che ciò che tròvaóattivo quivi, tira 2 4 6 8 in sua sustanzia,ôe fassiõun’alma söla, (2) 4 6 8 75 che vive÷e sønteùe séúin sé rigira. 2 4 6 8 E perché mûnoüammiri la parýla, 4 6 guardaþil cal r del s l che si fa vino, 1 4 6 78 giunto a l’om r che de la vite c la. 1 4 8 Quando Làche is non ha più del lino, 1 3 8 s lvesi da la carne, e in virtute 1 6 81 ne p rta s co e l’umano e ’l divino: 2 4 7

6 Dann macht sie, daß sie sich bewegt und fühlt, dem Seeschwamm gleich. Dann sucht sie Fähigkeiten 57 aus ihrem Keime wirkend auszubilden. Und jetzt entfaltet sich, mein Sohn, jetzt dehnt sich der Trieb, der aus dem Herzen des Erzeugers 60 hervortritt, wo Natur die Gliedrung plant. Wie er vom Tier jedoch zum Menschen kommt, erkennst du jetzt noch nicht. An diesem Punkte 63 verirrte sich ein Weiserer als du und lehrte, daß der mögliche Verstand von unsrer Seele abgeschieden sei, 66 da kein Organ für ihn zu sehen war. Erschließ der Wahrheit, die nun kommt, dein Herz und wisse, daß, sobald das Hirn im Fötus 69 die rechte Gliederung vollendet hat, der Allbeweger freudig über diese geglückten Künste der Natur sich beugt 72 und neuen, kraftgeladnen Geist hineinhaucht, der alles Lebenstätige in seine Substanz hereinbezieht zu seelischer Einheit, 75 die lebt und fühlt und zu sich selbst sich wendet. Auf daß dich diese Lehre weniger wundre, schau, wie zu Wein die Sonnenhitze wird, 78 wenn sie dem Saft der Rebe sich vermählt. Und hat die Parze keinen Faden mehr, dann löst die Seele sich vom Fleisch und nimmt 81 ihr menschlich und ihr göttlich Erbteil mit:

7 l’altre pot nze tutte quante mute; 1 4 6 8 mem ria, intellig nza e volontade 2 6 84 in atto m lto più che prima agute. 2 4 6 8 Sanza restarsi, per sé st ssa cade 1 4 8 mirabilm nte a l’una de le rive; 4 6 87 quivi con sce prima le sue strade. 1 4 6 T sto che l co lì la circunscrive, 1 4 6 la virtù formativa raggia int rno 3 6 8 90 co ì e quanto ne le m mbra vive. 2 4 8 E come l’ ere, quand’ è ben pï!rno, (2) 4 (7) 8 per l’altrui raggio che ’n sé si refl"tte, 3 4 7 93 di div#rsi col$r div%nta&add'rno; 3 6 8 co(ì l’)ere vicin quivi si m*tte 2 3 6 7 e+in qu,lla f-rma ch’è.in lui sugg/lla 2 4 8 96 virtüalm0nte l’alma che rist1tte; 4 6 e simigliante p2i3a la fiamm4lla 4 6 che s5gue6il f7co là ’vunque si muta, 2 4 6 7 99 s8gue lo spirto sua f9rma nov:lla. 1 4 7 Però che quindi;ha p<scia sua paruta, 2 4 6 è chiamata=>mbra;?e quindi@Argana pBi ((1) 3) 4 6 7 102 ciascun sentireCinfinoDa la veduta. 2 4 6 Quindi parliEmoFe quindi ridiGm nHi; 1 4 6 9 quindi facciIm le lagrimeJe ’ sospiri 1 4 6 105 che per lo mKnteLavMr sentiti puNi. 4 6 8 SecOndo che ciPaffliggonoQi diRiri 2 6 e liSaltriTaffUtti, l’Vmbra si figura; 2 4 6 108 e quWst’ è la cagiXn di che tu miri». 2.3 6 (9)

8 die niedern Kräfte alle zwar gehemmt, Gedächtnis, Wille und Vernunft jedoch 84 zu schärfrer Tätigkeit bereit als je. Ohn Aufenthalt, von sich aus, wunderbar fällt sie an eines dieser Ufer, wo 87 sie ihren Zukunftsweg zuerst erkennt. Kaum ist sie hier an ihren Ort gebannt, so strahlt sie rings mit ihrer Bildungskraft 90 in Maß und Richtung ihrer frühern Glieder. Und wie die Luft, wenn Regen sie durchfeuchtet und sich ein Lichtstrahl spiegelnd in ihr bricht, 93 verschiedenfarbig aufgeschmückt erscheint, so strömet hier die Luftumgebung ein in Form, die von der festgebannten Seele 96 ihr kraftvoll eingeprägt, lebendig wird. Und gleich dem Flämmchen, das dem Feuerstoffe, wohin er wandelt, immer wieder nachgeht, 99 so folgt dem Geiste seine neue Form. Weil so die Seele scheinbar werden kann, nennt man sie Schatten; sie vermag auch nun 102 sich jeden Sinn zu bilden, selbst das Auge. So sprechen wir, so lachen wir und lassen die Tränen fließen und die Seufzer wehen – 105 du hast's ja merken können auf dem Berg. Und je nachdem uns Wunsch und Leidenschaft ergreift, gestaltet unser Schatte sich. 108 Daher die Magerkeit auch, die dich wundert.«

9 E già venutoYa l’ultima tortura (2) 4 6 s’Zra per n[i,\e vòlto]a la man d^stra, 1 4 6 9 111 ed eravamo_att`ntiaad altra cura. 4 6 8 Quivi la ripa fibmmacin fudr balestra, 1 4 6 8 e la cornfce spira figtohin suio 4 6 8 114 che la refljtteke vla da lmi sequnstra; 4 6 8 ond’ ir ne convenpa dal lato schiuqo 2 6 8 ad unorad uno;setio temua ’l fvco 2 4 6 8 117 quinci,we quindi temxva cadyr giuzo. 1 3 6 9 Lo duca mio dic{a: «Per qu|sto l}co (2) 4 6 8 si vu~l tenre€a li‚cchi strƒtto„il fr no, 2 4 6 8 120 però ch’errar potr†bbesi per p‡co». 2 4 6 ‘S mmae D s cl m nt ae’ nel sˆno 1 3 6 al grande‰ardŠre‹allŒraudi’ cantando, 2 4 6 8 123 che di vŽlger mi fé calr non mno; 3 6 8 e vidi spirti per la fi‘mma’andando; 2 4 8 per ch’io guardava“a l”ro•e–a’ mi—i passi, 2 4 6 126 compart˜ndo la vista™a quandoša quando. 3 6 8 Appr›ssoœil fine ch’a qull’ inno fassi, 2 4 (7) 8 gridavanožalto: ‘V r m n n c gn sc ’; 2 4 6 (8) 129 indi ricominciŸvan l’inno bassi. 1 6 8 Fin tolo,¡¢nco gridavano:£«Al b¤sco 2 4 7 si t¥nne Di¦na,§ed ¨lice cacci©nne 2 4 6 132 che di Vªnere«av¬a sentito il tòsco». 3 6 8 Indi®al cantar tornavano;¯indi d°nne 1 4 6 8 grid±vano²e mariti che fu³r casti 2 6 9 135 c´me virtuteµe matrim¶nio·imp¸nne. 1 4 8

10 Zum letzten Rang der Qualen waren wir emporgestiegen, wandten uns zur Rechten, 111 und neue Sorge machte uns zu schaffen. Hier schießen Flammen aus der Bergwand vor; vom Sims geht Windeswehn nach oben aus 114 und treibt die Flamme weg vom Rand zu Berge. Wir mußten darum auf der offnen Seite hintereinandergehn. Ich fürchtete 117 das Feuer hier und dort den Sturz ins Leere. Mein Führer sprach: »Hier muß man seine Blicke gar streng im Zügel halten, denn es könnte 120 ein klein Versehen schon zum Fehltritt werden. « »O Vater höchster Gütigkeit«, so hört ich den Hymnus singen in dem großen Feuer, 123 und hinzuschauen fühlt ich heißen Drang. Und Geister sah ich durch die Flammen wandeln. Auf ihre und auf meine Schritte achtend, 126 verteilte ich von Zeit zu Zeit die Blicke. Nachdem der Schluß des Lieds verklungen war, mit lauter Stimme riefen sie: »Ich weiß 129 von keinem Mann« – und leis das Lied von neuem, und sangen's durch, dann riefen sie: »Im Walde hält sich Diana und verjagt Helice, 132 weil sie das Gift der Venus schon verspürt.« Dann wieder sangen sie, dann riefen sie die Frauen und die Männer aus, die keusch, 135 wie Zucht und Ehe es verlangt, sich hielten.

11 E qu¹sto mºdo cr»do che l¼r basti 2 4 6 9 per tutto½il t¾mpo che ’l f¿co liÀabbruscia: 2 4 7 138 con tal cura conviÁneÂe con tai pasti (2) 3 6 (9) che la piaga da sÃzzo si ricuscia. 3 6

12 Und diese Übung, glaub ich, dauert ihnen die ganze Zeit, die sie im Feuer dulden. 138 Durch solche Pflege, solche Seelenkost muß sich auch diese Wunde endlich schließen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTIyMjQzNA==