Purgatorio – Canto 23

2 Indes ich in des Baumes grünem Laub mit meinen Blicken hing, wie einer, der 3 sein Leben auf der Vogeljagd vertrödelt, rief mich der mehr als väterliche Freund: »Mein Söhnchen, komm, die zugemessne Zeit 6 will nützlicher als so verwendet sein.« Ich schaute und ich lief so schnell ich konnte den weisen Männern nach, deren Gespräche 9 des Wanderns Mühe mich vergessen ließen. Da hörte man ein Klagen und ein Singen: »Tu meine Lippen auf, o Herr!« das klang 12 wie wenn man Lust und Weh zugleich erlebte. »Mein Vater, was für Töne hör ich singen?« frug ich, und er: »Es sind wohl Schatten, die 15 den Bannspruch ihrer Buße lösen wollen.« Wie Pilger in gedankenvollem Schreiten vorbei an unbekannten Menschen gehn 18 und sie nur anschaun, ohne zu verweilen, so kam in raschren Schritten hinter uns und staunt uns an und überholte uns 21 ein Zug von schweigsamen und frommen Seelen. Sie hatten Augen, tief und schwarz umrändert, im Antlitz waren alle blaß und mager, 24 so daß die Haut sich modelt nach den Knochen. So bis zur letzten Faser ausgemergelt kann Erysichthon kaum gewesen sein 27 in seines Hungers fürchterlichster Stunde.

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