Purgatorio – Canto 10

La Divina Commedia Purgatorio Canto X Das Lied der Hochmütigen Zeit: Dienstag, 28 März 1301 (Montag, 11. April 1300): gegen zehn Uhr morgens Ort: Gesims I: die Hochmütigen Personen: Dante, Virgilio © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 P i fummo d ntro al s glio de la p rta 1 2 4 6 che ’l mal am r de l’anime di u a, (2) 4 6 3 perché fa par r dritta la via t rta, 2 3 5 6 (9) sonando la senti’ sser richiu a; 2 6 7 e s’io av sse li cchi vòlti ad ssa, (2) 4 6 8 6 qual f ra stata al fallo d gna scu a? 1 4 6 8 N i salavam per una pi tra f ssa, 1 4 8 che si mov va e d’una e d’altra parte, 4 6 8 9 sì c me l’ nda che fugge e s’appr!ssa. 1 4 7 «Qui si convi"ne#u$are%un p&co d’arte», 1 4 6 8 cominciò ’l duca mio,'«in accostarsi 3 4 6 12 (r quinci,)*r quindi+al lato che si parte». (1) 2 (3) 4 6 E qu,sto f-ce.i n/stri passi scarsi, 2 4 6 8 tanto che pria lo sc0mo de la luna 1 4 6 15 rigiunse1al l2tto suo per ricorcarsi, 2 4 6 che n3i f4ssimo fu5r di qu6lla cruna; (2) 3 6 8 ma quando fummo liberi7e8ap9rti 2 4 6 18 sù d:ve;il m<nte=in di>tro si ra?una, 1 4 6 ïo stancato@eAamendueBincCrti 1 4 8 di nDstra via, restammoEin suFun piano 2 4 6 21 solingo più che strade per diGHrti. 2 (4) 6 Da la sua spInda,JKve confinaLil vano, 4 5 8 al piè de l’alta ripa che pur sale, 2 4 6 9 24 miMurrNbbeOin trP vQlteRun cSrpoTumano; 3 5 6 8 e quanto l’Ucchio mio potVa trar d’ale, 2 4 6 (8) 9 Wr dal sinistroXeYZr dal d[stro fianco, 1 4 6 8 27 qu\sta cornice mi par]a cotale. 1 4 8

2 Über die Schwelle waren wir, die selten begangen wird, weil falsche Liebe, ach, 3 so viele Seelen auf den Irrweg lockt, und dröhnend hörte ich das Tor sich schließen. Hätt ich den Blick danach zurückgewendet, 6 wie hätt ich jetzt mich noch entschuldigen können? Wir stiegen auf im Fels durch eine Gasse, die sich bald da, bald dorthin winden mußte, 9 wie Welle, wenn sie weicht und wiederkehrt. »Hier ist es nötig, einige Kunst zu brauchen«, begann mein Führer, »um sich anzuschmiegen 12 bald hier, bald dort der fliehenden Seitenwand.« Wir kamen nur in kleinen Schritten vorwärts, so daß der Mond, im Schwund begriffen, schon 15 sein Ruhelager wiederum erreichte, bevor wir aus dem engen Hohlweg waren. Als wir ins freie Offne kamen, oben 18 wo sich der Berg zusammenzieht, verjüngt, war ich ermattet, und wir waren beide des Weges ungewiß und machten halt 21 auf einem Plan, wie Wüstenweg so öde. Vom Rande, wo's ins Leere fällt bis zu der Bergwand, die noch immer steigt, beträgt 24 des Planes Breite wohl drei Menschenlängen. So weit mein Blick sich immer schwingen konnte, sei's nach der linken, nach der rechten Flanke, 27 der Sims bot jedesmal das gleiche Bild.

3 Là sù non ^ran m_ssi`i piè nastribcnco, 2 (4) 6 8 9 quand’ io condbbi quella ripafintgrno 2 4 6 8 30 che dritto di salitahaviva manco, 2 6 8 jsser di marmo candidokeladdmrno 1 4 6 d’intagli sì, che non pur Policlnto, 2 4 6 7 33 ma la natura lìoavrpbbe scqrno. 4 6 8 L’rngel che vsnnetin turra col decrvto 1 4 6 de la mwlt’ anni lagrimata pace, 3 4 8 36 ch’apxrseyil cizl del suo lungo divi{to, 2 4 7 dinanzi|a n}i par~va sì verace 2 4 6 (8) quiviintagliato€in un atto soave, 1 4 7 39 che non sembiava‚imagine che tace. 2 4 6 Giurato si sarƒa ch’„l dic sse†‘ v !’; 2 6 7 9 perché‡iv’ ˆra‰imaginata quŠlla 2 4 8 42 ch’ad aprir l’alto‹amŒr vlse la chiave; 3 4 6 7 eŽavain atto‘impr’ssa“”sta fav•lla 2 4 6 7 ‘ cc – nc ll D ’, propriam—nte 1 4 6 45 c˜me figura™in cšra si sugg›lla. (1) 4 6 «Non tenœr pur ad un lco la mžnte», 1 3 4 7 disse ’l dŸlce ma ¡stro, che m’av¢a 1 3 6 48 da qu£lla parte¤¥nde ’l cu¦re§ha la g¨nte. 2 4 5 7 (8) Per ch’i’ mi m©ssi col viªo,«e ved¬a (2) 4 7 di r tro da Maria, da qu®lla c¯sta 2 6 8 51 °nde m’±ra colui che mi mov²a, (1) 3 6 un’altra st³ria ne la r´cciaµimp¶sta; 2 4 8 per ch’io varcai Virgilio,·e f¸’mi pr¹sso, 2 4 6 8 54 acciò che fºsse»a li¼½cchi mi¾i disp¿sta. 2 4 6 8

4 Wir hatten noch nicht einen Schritt getan, als ich erkannte, daß ringsum die Wand, 30 noch abgeschrägt, bevor sie senkrecht stieg, aus reinem Marmor war und ausgeschmückt mit Bildwerk, daß nicht nur ein Polyklet, 33 ja die Natur sich übertroffen fühlt. Der Engel, der zur Erde den Bescheid des langersehnten Friedens bringt und endlich 36 den alten Sündenbann des Himmels bricht, er stand in Stein geschnitten so wahrhaftig vor uns und mit so lieblicher Gebärde, 39 daß er nicht aussah wie ein stumm Gebilde; geschworen hätte man: jetzt sagt er Ave! dieweil im Bild hier dargestellt auch sie, 42 durch die die hohe Liebe sich erschloß. In ihrer Haltung lag das stille Wort »ich bin die Magd des Herrn«, so ganz und gar 45 beschlossen, wie im Wachs die Form des Siegels. – »Schau nicht auf eine Stelle immer nur«, sagte mein trauter Meister, da ich ihm 48 zur Seite bei dem Platz des Herzens stand. Ich ließ das Auge wandern und gewahrte hinter Maria auf derselben Seite, 51 wo eifrig neben mir der Führer ging, ein zweites Bildwerk in der Felsenwand. Ich trat hinzu, vorüber an Vergil, 54 damit ich's näher vor den Augen hätte.

5 ÀraÁintagliato lì nel marmo stÂsso 1 4 6 8 lo carroÃe ’ buÄi, traÅÆndo l’arca santa, 2 4 6 8 57 per che si tÇmeÈofficio non commÉsso. (2) 4 6 (8) Dinanzi parÊa gËnte;Ìe tutta quanta, 2 5 6 8 partitaÍin sÎtte cÏri,Ða’ due miÑ’ sÒnsi 2 4 6 8 (9) 60 facÓva dir l’un ‘No’, l’altro ‘Sì, canta’. 2 4 5 6 7 9 SimilemÔnteÕal fummo de li ’ncÖnsi 4 6 che v’×raØimaginato, liÙÚcchiÛe ’l naÜo 2 6 8 63 eÝal sìÞeßal no discàrdi fánsi. 3 6 8 Lì precedâvaãal benedätto vaåo, 1 4 8 trescandoæalzato, l’umile salmista, 2 4 6 66 e piùçe mèn che réêëraìin quíl caso. 2 4 6 7 (9) Di cîntra,ïeffigïataðad una vista 2 6 d’un gran palazzo, Micòl ammirava 2 4 7 69 sì cñme dònna dispettóôaõe trista. 1 4 8 I’ mössi÷i piè del løco dùv’ io stava, 2 4 6 (9) per avvisar da prússoûun’altraüistýria, 4 6 8 72 che di diþtro a Micòl mi biancheggiava. 3 6 Quiv’ ra storïata l’alta gl ria (1) 2 6 8 del roman principato, il cui val re 3 6 (8) 75 m sse Greg rio a la sua gran vitt ria; 1 4 8 i’ dico di Tra iano imperad re; 2 6 e una vedov lla li ra al fr no, 2 6 8 78 di lagrime atteggiata e di dol re. 2 6 Int rno a lui par a calcato e pi no 2 4 (6) 8 di cavali ri, e l’aguglie ne l’ ro 4 7 81 s vr’ ssi in vista!al v"nto si movi#no. 2 4 6

6 Da war, demselben Marmor eingeschnitten, die Bundeslade mit dem Ochsenkarren 57 – als Warnung vor dem angemaßten Amt. – Voran ging vieles Volk, das war geteilt in sieben Chöre zum Gesang. Ich meinte, 60 ich hörte sie und hörte sie auch nicht. Beim Weihrauch, der da abgebildet war, gerieten ähnlich Auge mir und Nase 63 mit Ja und Nein in zweifelvolle Zwietracht. Dem heiligen Gefäß voran, zum Tanze hoch aufgeschürzt, bescheiden der Psalmist, 66 der mehr hier als ein König war und weniger. Ihm gegenüber, dargestellt am Fenster eines Palastes, schaute Mikal zu 69 als wie ein höhnisches und böses Weib. Den Standort meines Schauns verließ ich nun, da ich ein andres Szenenbild bemerkte, 72 das hinter Mikal weiß herüberstrahlte. Da stellte sich im Bild die Großtat dar des römischen Prinzipates, dessen Tugend 75 zum Wundersieg erhöht' Gregors Gebet – ich spreche von Trajanus Imperator. Am Zügel seines Pferds steht eine Witwe, 78 in Trauer und in Tränen aufgelöst, und um ihn her sieht man ein groß Gedränge von Reitern und die goldnen Adlerzeichen 81 zu Häupten ihm, im Winde sich bewegend.

7 La mi$er%lla&intra tutti cost'ro 4 7 par(va dir: «Segn)r, fammi vend*tta 2 4 6 7 84 di mio figliu+l ch’è m,rto,-.nd’ io m’acc/ro»; (2) 4 6 8 ed 0lli1a l2i risp3ndere:4«5r asp6tta 2 4 6 8 tanto ch’i’ t7rni»;8e qu9lla: «Segn:r mio», 1 4 6 (9) 87 c;me pers<na=in cui dol>r s’affr?tta, 1 4 (6) 8 «se tu non t@rni?»;Aed Bi: «Chi fCa dDv’ io, (2) 4 6 (7) 8 la ti farà»;Eed Flla: «L’altrui bGne 4 6 9 90 a te che fHa, se ’l tuo mIttiJin oblio?»; 2 4 6 7 Knd’ Llli:M«Nr ti confOrta; ch’Pi convQne 2 3 6 8 ch’i’ sRlvaSil mio dovTreUanzi ch’i’ mVva: 2 6 7 93 giustizia vuWleXe pietà mi ritYne». 2 4 7 Colui che mai non vide coZa n[va 2 4 6 8 produsse\]sto vi^ibile parlare, 2 3 6 96 nov_llo`a nai perché qui non si trbva. 2 4 7 (8) Mcntr’ io mi dilettava di guardare 2 6 l’imagini di tantedumilitadi, 2 6 99 e per lo fabbro lerofa vedgr care, 4 6 9 «hcco di qua, ma fannoii passi radi», 1 4 6 8 mormoravajil poklta, «mmlte gnnti: 3 6 8 102 quosti ne ’nvïerannopa liqalti gradi». 1 6 8 Lirscchi miti, ch’a mirareuvran contwnti 1 3 6 7 per vedxr novitadiyznd’ {’ s|n vaghi, 3 6 8 105 volg}ndosi v~r’ lui non furon lnti. 2 6 8 Non v€’ però, lettr, che tu ti ‚maghi 2 4 6 8 di buƒn proponim„nto per udire 2 6 108 c me Dio vu†l che ’l d‡bito si paghi. 3 4 6

8 Das arme Weib, inmitten dieses Aufzugs, sagt, wie es scheint: o Herr, Gerechtigkeit 84 für meines Sohnes Tod, der mir das Herz bricht. Und er zur Antwort ihr: so warte doch bis ich zurück bin. Aber sie: o Herr – 87 in Schmerzensungeduld scheint sie zu sprechen – und wenn du nicht mehr kommst? – Der mich ersetzt, schafft dir dein Recht. – Und sie: was nützt es dir, 90 wenn der das Gute tut, das du versäumst? Drauf er: nun tröste dich, ich muß ja wohl die Pflicht erfüllen, eh ich weiterziehe. 93 So will's das Recht, mich hält die fromme Scheu. Er, dem nichts Neues in der Welt begegnet, erschuf dies sichtbare Gespräch so neu 96 für uns, weil hier dergleichen sich nicht findet. Ich freute mich noch lange im Betrachten von Bildern solcher demutsvoller Haltung, 99 dem Aug so lieb um ihres Künstlers willen; da flüsterte mein Dichter: »Schau, dort kommen, langsamen Schrittes freilich, viele Menschen, 102 die weisen uns den Stufengang hinauf.« Mein Auge, im Begriff umherzuspähn nach Neuigkeiten, die es gerne sucht, 105 nahm unverzüglich Richtung jetzt auf ihn. – Nun aber, Leser, laß dich nicht beirren in deinem guten Streben, wenn du hörst, 108 was Gott dem Schuldner auferlegt zu leisten.

9 Non attˆnder la f‰rma del martìre: 3 6 pŠnsa la successi‹n; pŒnsa ch’al pggio 1 6 7 111 Žltre la gran sentnza non puòire. 1 4 6 (8/9) Io cominciai: «Ma‘’stro, qu“l ch’io v”ggio 1 4 6 8 (9) mu•vere–a n—i, non mi sembian pers˜ne, 1 4 7 114 e non s™ che, sì nel vedšr van›ggio». (2) 4 (5) 8 Ed œllia me: «La grave condizižne 2 4 6 di lŸr torm nto¡a t¢rra li rannicchia, 2 4 6 117 sì che ’ mi£i¤¥cchi pria n’¦bber tenci§ne. 1 4 6 7 Ma guarda fi¨o là,©e diªviticchia 2 4 6 col vi«o qu¬l che vi n s®tto¯a qu°i sassi: 2 (4) 6 7 (9) 120 già sc±rger pu²i c³me ciascun si picchia». 1 2 4 8 ´ supµrbi cristian, mi¶eri lassi, 1 3 6 7 che, de la vista de la m·nte¸inf¹rmi, 1 4 8 123 fidanzaºav»te n¼’ retr½¾i passi, 2 4 8 non v’accorg¿te vÀi che nÁi siam vÂrmi 1 4 6 8 natiÃa formar l’angÄlica farfalla, 1 4 6 126 che vÅlaÆa la giustizia sanza schÇrmi? 2 6 8 Di che l’animo vÈstroÉin alto galla, 2 3 6 8 pÊi siËte quaÌiÍantÎmataÏin difÐtto, (1 2) 4 6 129 sì cÑme vÒrmoÓin cui formaziÔn falla? 1 4 6 9 CÕme per sostentar solaÖio×o tØtto, 1 6 8 per mÙnsola talvÚltaÛuna figura 2 6 132 si vÜde giugner le ginÝcchiaÞal pßtto, (2) 4 8 la qual fa del non vàr vára rancura (2) 3 5 6 7 nascere ’n chi la vâde; coãì fatti 1 (4) 6 9 135 vid’ io colär, quando puåæi bçn cura. 2 4 (5) 7 9

10 Nicht auf die Form der Qualen kommt es an. Bedenk die Zukunft, denn im schlimmsten Fall 111 kann es den großen Spruch nicht überdauern. Ich sprach zum Meister: »Was sich da auf uns einherbewegt, sieht nicht wie Menschen aus. 114 Was mag es sein? Ich weiß nicht, was ich schaue.« Und er: »Es ist die schwere Strafbestimmung, die lastend sie zur Erde niederkrümmt. 117 Zu Anfang traut' ich meinen Augen nicht. Schau richtig hin und fasse und entwirre, was unter jener Steine Last einherkriecht, 120 dann siehst du bald, wie der und der sich abmüht.« Hoffärtige Christen, arme schwache Menschen, wie krank ist eures Geistes Auge doch, 123 daß ihr mit störrischen Schritten vorwärts wollt! Begreift ihr nicht, daß wir nur Würmer sind, bestimmt, den Himmelsschmetterling zu bilden, 126 der zum Gericht sich ohne Panzer schwingt? Was bläht sich also euer Mut so hoch? Mißratenen Insekten ähnlich seid ihr, 129 ein Wurm mit fehlgegangener Entwicklung. Um einen Vorbau, um ein Dach zu stützen, sieht man als Kragstein manchmal ein gekrümmtes 132 Figürchen mit den Knien an der Brust, das durch den bloßen Anschein im Beschauer wahrhaftige Beklemmung weckt, und so 135 sah ich in sorglicher Betrachtung diese.

11 Vèroéè che piùêe mënoìíran contratti (1) 2 4 6 7 secîndo ch’avïen piùðe mñnoòa dósso; 2 5 6 8 138 e qual più pazïônzaõavöa ne li÷atti, 2 3 6 8 piangøndo parùa dicer: ‘Più non pússo’. 2 5 6 8

12 Sie waren zwar mehr oder weniger gekrümmt, je nach der Last, die jeder trug, 138 doch der Geduldigste in seinem Ausdruck war noch ein Jammerlaut: ich kann nicht mehr!

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