Paradiso – Canto 6

La Divina Commedia Paradiso Canto VI Das Lied des Giustiniano Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Zweiter Himmel: Merkur Personen: Dante, Beatrice, Giustiniano, Romeo di Villanova © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 «P scia che Costantin l’aquila v lse 1 6 7 c ntr’ al c rso del ci l, ch’ lla seguio 3 6 7 3 di tro a l’antico che Lavina t lse, 1 4 8 c nto e c nt’ anni e più l’ucc l di Dio 1 3 4 6 8 ne lo str mo d’Eur pa si rit nne, 3 6 6 vicino a’ m nti d ’ quai prima uscìo; 2 4 7 8 e s tto l’ mbra de le sacre p nne 2 4 8 governò ’l m ndo lì di mano in mano, 3 4 6 8 9 e, sì cangiando, in su la mia perv nne. 1 2 4 8 C are fui e s n Iustinïano, 1 4 6 che, per vol!r del primo"am#r ch’i’ s$nto, 1 4 6 8 12 d’%ntro le l&ggi trassi'il tr(ppo)e ’l vano. 1 4 6 8 E prima ch’io*a l’+vra f,ssi-att.nto, 2 4 6 8 una natura/in Cristo01sser, non piùe, 1 4 6 7 9 15 cred2a,3e di tal f4de56ra cont7nto; 2 5 6 7 ma ’l bened8tto9Ag:pito, che fue 4 6 s;mmo past<re,=a la f>de sinc?ra 1 4 7 18 mi dirizzò con le par@le sue. 4 8 Io li credAtti;Be ciò che ’n sua fCdeDEra, 1 4 6 9 vFgg’ ioGHr chiaro sì, cIme tu vJdi 2 (3) 4 6 (9) 21 Kgne contradiziLneMe falsaNe vOra. 1 6 8 TPsto che con la ChiQRa mSssiTi piUdi, 1 6 8 a Dio per grazia piacque di spirarmi 2 4 6 24 l’alto lavVro,We tutto ’n lui mi diXdi; 1 4 6 8 eYal mio BeliZ[r commendai l’armi, 3 6 9 cui la d\stra del ci]l fu sì congiunta, 1 3 6 8 27 che s^gno fu ch’i’ dov_ssi po`armi. 2 4 7

2 »Seit Konstantin den Kaiseradler gegen den Lauf der Sterne lenkte, dem er bisher 3 gefolgt war mit Aeneas und Lavinia, hielt zweimal hundert Jahr und mehr der Vogel des Herrn im östlichen Europa sich 6 den Bergen nah, von wo er ausgeflogen. Im Schatten seines heiligen Gefieders schützt' er die Welt, schwang sich von Hand zu Hand, 9 und so gelangt' er auf die meinige, und Kaiser wurd ich. Ich bin Justinianus. Durch wesentliche Liebeskraft befreite 12 ich das Gesetz von Übermaß und Hohlheit. Bevor ich diesem Werk mich widmete, begnügte ich mich mit dem Glauben, daß 15 eine Natur allein in Christo sei; bis der gebenedeite Agapetus, der höchste Hirte, mir zum reinen Glauben 18 den rechten Weg mit seinen Worten wies. Ich folgte ihm, und jetzt erkenn ich klar den Kern in seinem Glauben, so wie du 21 in jedem Widerspruch das Wahr' und Falsche. Seitdem die Kirche meine Schritte lenkte, gefiel's dem Herrn, den Geist mir zu erheben 24 zum hohen Werk, dem ich nun ganz mich weihte. Die Waffen ließ ich meinem Belisar, die ihm der Himmel sichtbar führen half, 27 daß mir's ein Wink war, still am Werk zu bleiben.

3 ar quiba la questicn prima s’appunta 1 2 6 7 la mia rispdsta; ma sua condiziene 4 7 30 mi stringefa seguitaregalcuna giunta, 2 6 8 perché tu vhggi con quanta ragiine 2 4 7 si mjve ckntr’ al sacrosanto slgno 2 4 8 33 e chi ’l s’apprmpriane chioa lui s’opppne. 2 4 6 8 Vqdi quanta virtù l’ha fatto drgno 1 3 6 8 di reversnza;te cominciò da l’ura 4 8 36 che Pallante morì per darli rvgno. 3 6 8 Tu sai ch’wl fxceyin Alba sua dimzra 2 4 6 per trec{nto|anni}e~ltre,€infinoal fine 3 4 6 8 39 che‚i trƒ„a’ tr pugnar per lui†anc‡ra. 2 4 6 8 E sai ch’ˆl fé dal mal de le Sabine 2 4 6 al dol‰r di LucrŠzia‹in sŒtte rgi, 3 6 8 42 vincŽndointrno le g‘nti vicine. 2 4 7 Sai qu’l ch’“l fé portato da li”egr•gi 1 2 4 6 Romani–inc—ntro˜a Br™nno,šinc›ntroœa Pirro, 2 4 6 8 45 incntroža liŸaltri principi e coll¡gi; 2 4 6 ¢nde Torquato£e Quinzio, che dal cirro 1 4 6 negl¤tto fu nomato,¥i D¦ci§e ’ Fabi 2 6 8 48 ¨bber la fama che volonti©r mirro. 1 4 9 ªsso«atterrò l’org¬glio de li Aràbi 1 4 6 che di r®tro¯ad An°bale passaro 3 6 51 l’alp±stre r²cce, P³, di che tu labi. 2 4 6 9 S´tt’ µsso giovan¶tti trïunfaro 2 6 Scipï·ne¸e Pomp¹o;ºe»a qu¼l c½lle 3 6 54 s¾tto ’l qual tu nasc¿sti parveÀamaro. 3 (4) 6 8

4 Hier endet auf die erste deiner Fragen die Antwort; aber das Besondre dran 30 bewegt mich, einiges hinzuzufügen. Auf daß du siehst, wie falsch das Recht, womit das sakrosankte Kaiserzeichen man 33 in der Parteien Streitigkeit benützt, sieh nun, wie hoch die Macht, die es erhob, verehrungswürdig von der Stunde an, 36 da Pallas starb und ihm die Herrschaft ließ. Du weißt, daß es sodann in Alba thronte dreihundert Jahr und mehr, bis um des Zeichens 39 Besitz die dreie mit den dreien rangen. Was seit dem Wehe der Sabinerinnen bis zu Lukretias Schmerz es wirkte, weißt du. 42 In sieben Königen die Nachbarn schlug es. Und, was es wirkte, von den edlen Römern getragen gegen Brennus, gegen Pyrrhus 45 und gegen viele Fürsten noch, du weißt es. Daher Torquat und Quintius, der Krause, und Decier und Fabier den Ruhm 48 errangen, den ich ihnen gern bewahre. Es schlug den Stolz der Araber zu Boden, die unter Hannibal den Fels der Alpen 51 dort, Po, wo du herabsteigst, überschritten. Jünglinge triumphierten mit dem Zeichen: Scipio, Pompejus. Und der Hügel, wo 54 du deine Heimat hast, bekam's zu fühlen.

5 PÁi, prÂssoÃal tÄmpo che tutto ’l ciÅl vÆlle 1 2 4 7 9 redur lo mÇndoÈa suo mÉdo serÊno, 2 4 7 57 CËsare per volÌr di RÍmaÎil tÏlle. 1 6 8 E quÐl che fé da VaroÑinfinoÒa RÓno, 2 4 6 8 ÔÕara videÖed ×raØe vide SÙnna 1 4 6 8 60 eÚÛgne valleÜÝnde RÞdanoßè piàno. 2 4 5 7 Quál che fé pâi ch’ãlliäuscì di Ravånna 1 3/4 5 7 e saltò Rubicæn, fu di tal vçlo, 3 6 7 9 63 che nol seguiterèa lingua né pénna. 2 6 7 (9) Invêr’ la Spagna rivëlse lo stuìlo, 2 4 7 píi vîr’ Durazzo,ïe Farsðlia percñsse 1 4 7 66 sì ch’al Nil caldo si sentì del duòlo. (1 3) 4 8 Antandroóe Simeôõnta,ö÷nde si møsse, 2 6 7 rivideùe là dúv’ ûttore si cuba; 2 4 6 69 e mal per Tolomüo pýscia si scþsse. 2 6 7 Da indi sc e folgorando a Iuba; 2 4 8 nde si v lse nel v stro occid nte, 1 4 7 72 ve sent a la pompe ana tuba. 1 4 8 Di qu l che fé col b iulo segu nte, 2 4 6 Bruto con Cassio ne l’inf rno latra, 1 4 8 75 e M dena e Perugia fu dol nte. 2 6 Pi ngene anc r la trista Cle opatra, 1 4 6 che, fugg ndoli innanzi, dal colubro 1 3 6 78 la m rte pr e subitana e atra. 2 4 8 Con costui c!rse"infino#al lito rubro; 3 4 6 8 con costui pu$%e&il m'ndo(in tanta pace, 3 4 6 8 81 che fu serrato)a Giano*il suo delubro. 2 4 6 8

6 Und wie die Stunde nahte, da der Himmel den Frieden brachte über alle Welt, 57 ergriff, so wollt' es Rom, Cäsar das Zeichen. Und was vom Varus bis zum Rhein es wirkte, Isara sah's und Era sah's und Senna 60 und jedes Seitental des Rhodanus. Wie es sodann sich von Ravenna her den Rubikon herüberschwang, das war 63 ein Flug, dem weder Zung noch Feder folgen. Und gegen Spanien trieb es seine Heere und nach Dyrrhachium; Pharsalos schlug es, 66 daß gar der warme Nil davon erbebte. Antandros und Simois sah es wieder und Hektors Grab, wovon es ausgegangen. 69 Zu Ptolemäus' Schaden wandt' es sich und blitzte nieder auf den König Juba. Nach eurem Westen kehrt es dann zurück, 72 wo kriegrisch des Pompejus Hörner klangen. Was durch den nächsten Träger es vollbrachte, Brutus und Cassius heulen's in der Hölle, 75 in Modena beweint man's, in Perugia. Kleopatra, die Elende beklagt es und flieht vor ihm und holt sich von der Schlange 78 den plötzlichen und unheilvollen Tod. Mit diesem Kaiser drang das Zeichen bis zum Roten Meer; mit ihm befriedete 81 es alle Welt und schloß den Janustempel.

7 Ma ciò che ’l s+gno che parlar mi face 2 4 8 fatto,av-a prima.e p/i01ra fatturo 1 3 4 6 (7) 84 per lo r2gno mortal ch’a lui soggiace, 3 6 8 div3nta4in appar5nza p6co7e scuro, 2 6 8 se8in mano9al t:rzo C;sare si mira 2 4 6 87 con <cchio chiaro=e con aff>tto puro; 2 4 8 ché la viva giustizia che mi spira, 3 6 li conced?tte,@in manoAa quBl ch’i’ dico, 4 6 8 90 glCria di far vendDttaEa la suaFira. 1 4 6 Gr qui t’ammiraHin ciò ch’io ti replìco: 1 2 4 6 (7) pIscia con TitoJa far vendKtta cLrse 1 4 (6) 8 93 de la vendMtta del peccatoNantico. 4 8 E quandoOil dPnte longobardo mQrse 2 4 8 la Santa ChiRSa, sTtto le sueUali 2 4 6 96 Carlo Magno vincVndo, la soccWrse. (1) 3 6 Omai puXi giudicar di quYi cotali 2 3 6 8 ch’ioZaccu[ai di s\pra]e di l^r falli, 1 4 6 (9) 99 che s_n cagi`n di tutti vastri mali. 2 4 6 8 L’unobal pubblico scgnodi gigli gialli 1 3 6 8 oppene,fe l’altrogapprhpria quilloja parte, 2 4 6 8 102 sì ch’è fkrtela vedmr chi più si falli. 1 3 6 8 Faccian li Ghibellin, faccian lnr arte 1 6 7 (9) sott’ altro spgno, ché mal sqgue qurllo 2 4 7 8 105 ssmpre chi la giustiziate lui diparte; 1 (3) 6 8 e non l’abbattauvsto Carlo novwllo 2 4 5 7 cxi Guylfi suzi, ma t{ma de li|artigli 2 4 6 108 ch’a più}alto le~n trasser lo v€llo. 3 6 7

8 Doch alles, was das Zeichen, das ich lobe, auf Erden, wo es überall gebeut, 84 dereinst vollbracht und noch vollbringen sollte, erscheint gering und dunkel im Vergleich, sobald man auf des dritten Kaisers Hände 87 mit hellem Aug und reiner Liebe schaut. Denn dort hat die Gerechtigkeit, die lebt und mich entflammt, dem Zeichen Ruhm gegönnt, 90 daß es die Rache ihres Zorns vollstrecke Nun staune, was ich dir entgegenhalte: mit Titus eilt das Zeichen drauf, zu rächen 93 die erste Rache für die alte Sünde. Und als der Langobarden Zahn sich in die heilige Kirche schlug, da schirmt' sie Karl 96 der Große siegreich unter Adlerfittich. Urteile selbst nun, ob ich nicht zu Recht den Mißbrauch vorhin tadelte, durch den 99 all euer Unglück in der Welt entsteht. Der eine stellt gegen das Kaiserzeichen die gelben Lilien auf, der andre nimmt es 102 für eigne Sach. Wer weiß, was schlimmer ist? Ein ander Zeichen für sein Handwerk soll der Gibelline wählen! Dieses paßt nicht 105 für Leute, die vom Weg des Rechtes weichen. Auch soll der junge Karl mit seinen Welfen es nicht herunterholen! Fürchten soll er 108 den Adler, der schon größre Löwen zauste.

9 Mlte fïate già pianser li figli 1 4 6 7 per la c‚lpa del padre,ƒe non si cr„da 3 6 8 111 che Dio tra muti l’armi per su†i gigli! 2 4 6 9 Qu‡sta pˆcciola st‰lla si corrŠda 1 3 6 d’i bu‹ni spirti che sŒn statiattivi 2 4 8 114 perchéŽonree fama li succ‘da: 2 4 6 e quando li di’iri p“ggian quivi, 2 6 8 sì di”vïando, pur convi•n che–i raggi 1 4 6 8 117 del v—ro˜am™rešin sù p›ggin mœn vivi. 2 4 6 7 9 Ma nel commensurar d’i nstri gaggi 2 6 8 col mžrtoŸè parte di n stra letizia, 2 4 7 120 perché non li ved¡m min¢r né maggi. 2 6 8 (9) Quindi£addolcisce la viva giustizia 1 4 7 in n¤i l’aff¥tto sì, che non si pu¦te 2 4 6 8 123 t§rcer già mai¨ad alcuna nequizia. 1 4 7 Div©rse vªci fanno d«lci n¬te; 2 4 6 8 co ì div®rsi scanni¯in n°stra vita 2 4 6 8 126 r±ndon d²lce³armonia tra qu´ste rµte. 1 3 6 8 E d¶ntro·a la pre¸¹nte margarita 2 6 luce la luce di Romºo, di cui 1 4 8 129 fu l’»vra grande¼e b½lla mal gradita. 2 4 6 8 Ma¾i Provenz¿i che fÀcer cÁntra lui 4 6 8 non hanno riÂo;Ãe però mal cammina 2 4 7 8 132 qual si fa danno del bÄn fareÅaltrui. 1 4 (7) 8 Quattro figlieÆÇbbe,Èe ciascuna reÉina, 1 3 4 7 RamÊndo BeringhiËre,Ìe ciò li fÍce 2 6 8 135 RomÎo, persÏnaÐumìleÑe peregrina. 2 4 6

10 Die Kinder büßen oft der Väter Schuld. Drum soll er ja nicht glauben, daß der Herrgott 111 sein Adlerwappen für die Lilien tausche. In unserm kleinen Stern erglänzen Geister, die einst im Leben brav und tüchtig waren, 114 um Ehre sich und Nachruhm zu verdienen. Wenn darauf sich bis ins Abseitige das Streben richtet, dann natürlich steigt 117 die wahre Liebe minder hell nach oben. Doch finden wir im Ausgleich unsres Lohnes mit dem Verdienst auch wieder unser Glück; 120 denn nicht zu wenig ward uns, noch zu viel. Die so empfundene Gerechtigkeit besänftigt unser Herz und stillt es, daß 123 kein böser Wille bei ihm Eingang findet. Verschiedne Stimmen geben schöne Lieder, verschiedne Stufen unsres Lebens bilden 126 in diesen Sphären schöne Harmonie. Im Perlenglanze unsres Sternes leuchtet das helle Licht des guten Romieu, dessen 129 großherzig Tun die Welt so schlecht belohnt hat. Die ihn verleumdeten, die Provenzalen, lachten nicht lang. Es ist ein schlechtes Fahren, 132 des andern gute Taten übelnehmen. Vier Töchter von Graf Raimund Berengar an Könige vermählt! und solches hatte 135 der stille Pilger Romieu ihm verschafft.

11 E pÒiÓil mÔsser le parÕle biÖce 2 4 8 a dimandar ragi×neØa quÙsto giusto, 4 6 8 138 che liÚassegnò sÛtteÜe cinque per diÝce, 4 5 7 indi partissi pÞveroße vetusto; 1 4 6 e se ’l màndo sapásseâil cãr ch’älliåæbbe 3 6 8 (9) 141 mendicando sua vitaça frustoèa frusto, 3 6 8 assai lo léda,êe più lo loderëbbe». 2 4 6

12 Und dann, durch scheele Worte aufgestachelt, will Rechenschaft der Graf von dem Gerechten, 138 der ihm von zehn auf zwölf die Einkunft mehrte – und nun als armer alter Mann dahinzieht. Ja, wenn die Welt das große Herz verstände, 141 wie er mit Betteln sich das Leben fristet, sie könnt ihn besser loben als sie tut.«

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