Paradiso – Canto 5

La Divina Commedia Paradiso Canto V Das Lied von der Doktrin des Gelübdes Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Erster Himmel: Mond Zweiter Himmel: Merkur Personen: Dante, Beatrice, Giustiniano © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 «S’ io ti fiamm ggio nel caldo d’am re 1 4 7 di là dal m do che ’n t rra si v de, 2 4 7 3 sì che del vi o tuo vinco il val re, 1 4 6 7 non ti maravigliar, ché ciò proc de 1 6 8 da perf tto ved r, che, c me appr nde, 3 6 7 (8) 6 co ì nel b ne appr o m ve il pi de. 2 (4) 6 8 Io v ggio b n sì c me già respl nde 2 4 (5.6) 8 ne l’intell tto tuo l’ett rna luce, 4 6 8 9 che, vista, s la e s mpre am!re"acc#nde; 1 2 4 6 8 e s’altra c$%a v&stro'am(r seduce, 2 4 6 8 non è se non di qu)lla*alcun vestigio, 2 4 6 8 12 mal conosciuto, che quivi traluce. 1 4 7 Tu vu+’ sap,r se con altro servigio, (1 2) 4 7 per manco v-to, si può r.nder tanto 2 4 8 15 che l’anima sicuri di letigio». 2 6 Sì cominciò Beatrice qu/sto canto; 1 4 6 8 e sì c0m’ u1m che suo parlar non sp2zza, 2 4 6 8 18 continüò co3ì ’l proc4sso santo: 4 6 8 «Lo maggi5r d6n che Dio per sua largh7zza 3 4 6 f8sse cre9ando,:e;a la sua bontate 1 4 8 21 più conformato,<e qu=l ch’e’ più>appr?zza, 1 4 6 7 8 fu de la volontà la libertate; 1 6 di che le cre@atureAintelligBnti, 2 6 24 e tutteCe sDle, fuEroFe sGn dotate. 2 4 6 8 Hr ti parrà, se tu quinciIargomJnti, 1 4 7 l’alto valKr del vLto, s’è sì fatto 1 4 6 8 27 che Dio consMnta quando tu consNnti; 2 4 6 8

2 »Wenn ich in Liebesglut so flammend dir wie du auf Erden es nie sahst, erstrahle, 3 daß du besiegt die Augen senken mußt, wundre dich nicht; es kommt aus hoher Schau, die, was sie auffaßt, im vollendet Guten 6 noch weiterdringend, zu erreichen strebt. Gar wohl erkenn ich, wie es widerschimmert in deinem Geiste schon, das ewige Licht, 9 das, kaum gesehen, immer Liebe zündet. Wenn etwas andres euch zur Liebe reizt, so ist es ein verkannter Abglanz, der 12 von jenem Licht in dieses andre durchscheint. Du fragst, ob sich durch anderweitig Dienen ein unerfüllt Gelübd ersetzen lasse, 15 daß sich die Seele ihren Frieden sichre.« So sprach einsetzend Beatrice, und, um Unterbrechung zu vermeiden, fuhr sie 18 in dieser heiligen Verhandlung fort. »Das herrlichste Geschenk in Gottes Schöpfung, das angemessenste für seine Güte, 21 das reichste, das Er über alles schätzt, es war und ist der freie Wille, den Er allen vernünftigen Geschöpfen, und 24 nur diesen, mitgegeben hat ins Dasein. Von hier kannst du den hohen Wert erkennen, der dem Gelöbnis dadurch zukommt, daß 27 das Ja des HERRN dabei ist, wenn du schwörst.

3 ché, nel fermar tra DioOe l’PmoQil patto, 1 4 6 8 vittima fassi di quRsto teSTro, 1 4 7 30 tal qualeUio dico;Ve fassi col suoWatto. (1.2) 4 6 Dunque che rXnder puYssi per ristZro? 1 3 4 6 Se cr[di b\ne]u^ar qu_l c’hai`offarto, 2 4 6 8 33 di maltollbtto vuc’ far budn lavero. 4 7 8 Tu sf’gomai del maggihr punto cirto; 1/2 4 8 ma perché Santa Chijkalin ciò dispmnsa, 3 4 6 8 36 che par cnntra lo vor ch’i’ t’hp scovqrto, 2 3 6 8 convirntisanctr sedurevun pwcoxa mynsa, 2 4 6 8 però che ’l cibo rigido c’hai prz{o, 2 4 6 39 richi|de}anc~raa€ito‚a tua dispƒnsa. 2 4 6 8 Apri la m„nte a qu†l ch’io ti pal‡ˆo 1 4 6 7 e f‰rmalviŠ‹ntro; ché non fa scïŒnza, 2 4 8 42 sanza lo ritenre,Žavreint‘’o. 1 6 8 Due c“”e si conv•gnono–a l’ess—nza 1 2 6 di qu˜sto sacrificio: l’una™è qušlla 2 6 8 45 di che si fa; l’altr’ è la conven›nza. 2 4 5/6 Quœst’ ultima già mai non si canclla 2 6 se non servata;žeŸint rno di l¡i 2 4 7 48 sì preci¢o di s£pra si fav¤lla: 1 3 6 però necessitato fu¥a li¦Ebr§i 2 6 8 pur l’offer¨re,©ancªr ch’alcuna«off¬rta 1 4 6 8 51 si permutasse, c me sav®r d¯i. 4 9 L’altra, che per mat°ria t’è±ap²rta, 1 6 8 pu³te b´n µsser tal, che non si falla 1 (3) 4 6 54 se con altra mat¶ria si conv·rta. 3 6

4 Denn im Vertragsschluß zwischen Gott und Mensch wird das besagte köstliche Geschenk 30 geopfert, ja es bringt sich selbst zum Opfer. Was kannst du also zum Ersatze bieten? Das Hingegebne auch noch schön verwenden? 33 Willst mit Gestohlnem gute Arbeit machen? – Im Hauptpunkt hast du nunmehr die Gewißheit; doch weil die Kirche darin Nachsicht übt, 36 was scheinbar meiner Lehre widerstrebt, empfiehlt sich's, daß du noch ein wenig hier zu Gaste bleibest, denn die strenge Kost 39 braucht Hilfe, wenn sie dir gedeihen soll. Vernimm, was ich dir offenbare, und bewahr's im Geist, denn nur verstehn und nicht 42 behalten, wäre keine Wissenschaft. Zwei Dinge sind zum Wesen dieses Opfers vonnöten: erstens ist's die Sache, die 45 geopfert wird, und zweitens ist's der Pakt. Der letztere ist nie zu tilgen, außer daß man ihn hält und ganz erfüllt, und dieses 48 ist die genaue Meinung voriger Rede. Drum war's den alten Juden unerläßlich, ein Opfer darzubringen, wenn auch manchmal 51 die Gabe, wie du weißt, gewechselt wurde. Das, was ich unter Sache oder Stoff verstehe, kann wohl derart sein, daß es 54 sich ohne Fehl vertauschen läßt mit anderm.

5 Ma non tra¸muti carco¹a la sua spalla 2 4 6 per suoºarbitrio»alcun, sanza la v¼lta (2) 4 6 7 57 e de la chiave bianca½e de la gialla; 4 6 e¾¿gne permutanza crÀdi stÁlta, 2 6 8 se la cÂÃa dimÄssaÅin la sorprÆÇa 3 6 60 cÈme ’l quattro nel sÉi non è raccÊlta. 3 6 8 Però qualunque cËÌa tanto pÍÎa 2 4 6 8 per suo valÏr che traggaÐÑgne bilancia, (2) 4 6 7 63 sodisfar non si può con altra spÒÓa. 3 (4) 6 8 Non prÔndan li mortaliÕil vÖto×a ciancia; 2 6 8 siate fedØli,ÙeÚa ciò far non biÛci, 1 4 (7) 8 66 cÜmeÝIeptèÞa la sua prima mancia; 1 4 8 cui più si convenßa dicer ‘Mal fàci’, 1 2 6 7 9 che, servando, far pággio;âe coãì stälto 1 3 (5) 6 9 69 ritrovar puåiæil gran duca dç’ Grèci, 3 4 (6) 7 énde pianseêEfigèniaëil suo bìl vílto, 1 3 6 8/9 e fé pianger di séîi fïlliðeñi savi 3 6 8 72 ch’udir parlar di coòì fatto cólto. 2 4 8 Siate, Cristiani,óa muôvervi più gravi: 1 4 6 (9) non siate come põnnaöad ÷gne vønto, 1 2 4 6 8 75 e non crediùte ch’úgneûacqua vi lavi. 2 4 6 7 Avüteýil nþvo e ’l v cchio Testam nto, 2 4 6 e ’l past r de la Chi a che vi guida; 3 6 78 qu sto vi basti a v stro salvam nto. 1 4 6 Se mala cupidigia altro vi grida, 2 6 7 u mini si te, e non p core matte, 1 4 6 7 81 sì che ’l Giud o di v i tra v i non rida! 1 4 6 8

6 Doch niemand soll nach eigenem Belieben die übernommne Last vertauschen ohne 57 die golden-silberne Gewähr der Schlüssel. Als falsch sei jeglicher Ersatz gerechnet, wenn das Erlaßne in dem Übernommnen 60 nicht voll enthalten ist, wie vier in sechs. Was also so gewichtig in der Schale mit seinem Werte liegt, daß nichts ihn aufwiegt, 63 das läßt mit keinem Preis mehr sich erkaufen. Gelöbnisse sind keine Possenspiele. Treu sollt ihr sein, doch auch nicht unbedacht, 66 wie Jephta mit der Erstlingsgabe war. Besser hätt er gesagt: »Ich tat nicht gut«, als, wortgetreu, noch Schlimmres tun. Und töricht 69 muß auch der Griechen Großfürst dir erscheinen, der Iphigeniens holdes Antlitz trübte, daß alle Narren, alle Weisen weinten, 72 da sie von solchem Menschenopfer hörten. – O Christenheit! Geh würdiger zu Werke und flattre nicht in jedem Wind wie Flaum 75 und glaub nicht, daß dich jedes Wasser wäscht! Ihr habt den alten und den neuen Bund und habt den Kirchenhirten, der euch führt, 78 das soll zu eurer Rettung euch genügen. Wenn schnöde Habgier euch verlockend anruft, seid Menschen, seid nicht triebhaft wie die Schafe, 81 daß euch der Jude auslacht ins Gesicht,

7 Non fate c m’ agn l che lascia il latte 2 6 8 de la sua madre, e s mplice e lascivo 4 6 84 s co mede mo a suo piac r combatte!». 1 4 8 Co ì Beatrice a me c m’ ïo scrivo; 2 4 6 8 p i si riv!lse tutta di"ïante 1 4 6 87 a qu#lla parte$%ve ’l m&ndo'è più vivo. 2 4 5 7 Lo suo tac(re)e ’l tra*mutar sembiante 2 4 8 pu+,er sil-nzio.al mio cupido/ing0gno, 1 4 7 90 che già nu1ve questi2ni3av4a davante; 2 3 6 8 e sì c5me sa67tta che nel s8gno 2 6 percu9te pria che sia la c:rda qu;ta, 2 4 6 8 93 co<ì corr=mmo nel sec>ndo r?gno. 2 4 8 Quivi la d@nna mia vid’ io sì liAta, 1 4 6 8 (9) cBme nel lume di quCl ciDl si miEe, 1 4 8 96 che più lucFnte se ne fé ’l pianGta. 2 4 8 E se la stHlla si cambiòIe riJe, 4 8 qual mi fKc’ io che pur da mia natura 1 4 6 (8) 99 traLmutabile sMn per tutte guiNe! 3 6 8 COme ’n peschiPra ch’è tranquillaQe pura 1 4 8 trRggonsiSi pTsciUa ciò che viVn di fWri 1 4 (6) 8 102 per mXdo che lo stimin lYr pastura, 2 6 8 sì vid’ io bZn più di mille splend[ri 1 (3) 4 (5) 7 trarsi v\r’ n]i,^e_in ciascun s’udia: 1 4 8 105 «`cco chi crescerà li nastribamcri». 1 6 8 E sì cdme ciascunoea nfi venìa, 2 6 8 vedgasi l’hmbra piina di letizia 2 4 6 108 nel folgór chiaro che di ljikuscia. 3 4 8

8 und wollet nicht dem Lämmlein gleichen, das die Muttermilch verschmäht und dumm und keck 84 aus Mutwill springend mit sich selber kämpft.« So sprach, wie ich es schreibe, Beatrice zu mir; dann wandte sie voll Sehnsucht sich 87 dorthin, wo höchste Lebensfülle ist. Ihr Schweigen, ihr verändert Angesicht beschwichtigen den Wissensdrang in mir, 90 der schon mit neuen Fragen wieder kam. Und wie ein Pfeil, der in die Scheibe trifft, noch eh die Sehne ausgeschwungen hat, 93 flogen wir auf ins zweite Himmelreich. Da sah ich meine Herrin so verklärt im Licht des neu erreichten Himmels, daß 96 auch der Planet davon noch heller wurde. Und wenn der Stern sich wandelte und lachte, wie muß erst ich, der von Natur so leicht 99 veränderlich ich bin, geworden sein! So wie in einem stillen klaren Fischteich die Fischlein dort zusammenschwärmen, wo 102 etwas hineinfällt, das nach Futter aussieht, so sah ich mehr als tausend Seelenlichter um uns sich sammeln, und aus jedem sprach es: 105 »Der Liebe in uns mehren wird, ist da!« Und da sie näher zu uns traten, sah ich, wie voller Freude jede Hülle war, 108 am Strahlenglanz, der blitzend aus ihr drang. –

9 Plnsa, lettmr, se qunl che qui s’inizia 1 4 6 8 non procedosse, cpme tuqavrrsti (1) 4 8 111 di più savsretangosciuva carizia; 2 4 7 e per te vederai cwme da quxsti 3 6 (7) m’yrazin di{io d’udir l|r condizi}ni, 1 4 6 7 114 sì c~mea li€cchi mi fur manif‚sti. 1/2 4 7 «ƒ b„ne nato a cui ved†r li tr‡ni (1) 2 4 6 8 del trïunfoˆetternal conc‰de grazia 3 6 8 117 prima che la milizia s’abbandŠni, 1 6 del lume che per tutto‹il ciŒl si spazia 2 6 8 ni sŽmoacc‘i;’e però, se di“ii 1 2 4 7 120 di n”i chiarirti,•a tuo piac–r ti sazia». 2 4 6 8 Co—ì da˜un di qu™lli spirti pii 2 4 6 8 dštto mi fu;›e da Beatrice: «Dì, dì 1 4 8 123 sicuramœnte,e crždi cŸme a dii». 4 6 8 «Io v¡ggio b¢n sì c£me tu t’annidi (1) 2 4 (5 (6)) 8 nel pr¤prio lume,¥e che de li¦§cchi¨il traggi, 2 4 8 126 perch’ e’ corusca sì c©me tu ridi; 2 4 6 (9) ma non sª chi tu s«’, né perché¬aggi, 3 6 7 9 anima d gna,®il grado de la sp¯ra 1 4 6 129 che si v°la±a’ mortai con altrui raggi». 3 6 9 Qu²sto diss’ io diritto³a la lum´ra 1 4 6 che pria m’avµa parlato;¶·nd’ ¸lla f¹ssi 2 4 6 8 132 lucºnte più»assai di qu¼l ch’½ll’ ¾ra. 2 4 6 8 (9) Sì c¿meÀil sÁl che si cÂlaÃÄlli stÅssi (1 (2)) 4 7 8 per trÆppa luce, cÇme ’l caldoÈha róse 2 4 8 135 le temperanze d’i vapÉri spÊssi, 4 8

10 Wenn jetzt, was hier beginnt, nicht weiterginge, bedenke Leser, wie dein Wissensdurst 111 angstvoll enttäuscht den Mangel fühlte, und du kannst ermessen, wie in mir der Wunsch, den Zustand dieser Seelen zu erfahren, 114 sich regte, da ich so sie vor mir hatte. »Zum Heil Geborner du, Begnadeter, der hier den ewigen Sieg erblicken darfst, 117 noch eh der Kriegsdienst dir zu Ende ging, vom Licht, das durch den ganzen Himmel strömt, sind wir in Glut, drum stille deine Lust, 120 wenn dich nach Klarheit über uns verlangt.« So ging von einem dieser frommen Geister das Wort an mich. Drauf Beatrice: »Sprich nur 123 getrost und glaube ihrem Himmelswesen.« »Wohl seh ich, wie du dich ins eigne Licht verspinnst, wie du es aus den Augen ziehst, 126 daher es blitzt in ihnen, wenn du lächelst. Jedoch ich weiß nicht, wer du bist, noch weiß ich, warum du, Edle, in dem Stern dich zeigst, 129 der sich vor uns im Sonnenstrahl verbirgt.« So sagt' ich, zu der Lichtgestalt gewendet, die erst mich angesprochen und die jetzt 132 viel heller noch erstrahlte als zuvor. So wie die Sonne, die sich selbst verschleiert im Übermaß des Lichtes, wenn vor Hitze 135 die Dämpfungen, die dunstigen, vergehn,

11 per più letizia sì mi si nascËÌe 2 4 6 dÍntroÎal suo raggio la figura santa; 1 4 8 138 e coÏì chiuÐa chiuÑa mi rispuÒÓe 3 4 6 nel mÔdo che ’l seguÕnte canto canta. 2 6 8

12 also verbarg aus eitel Freude sich die heilige Gestalt in ihren Strahlen 138 und sprach zu mir aus ihrer Heimlichkeit, was ich im folgenden Gesang euch singe.

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