Paradiso – Canto 4

La Divina Commedia Paradiso Canto IV Das Lied von der Struktur des Paradieses Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Erster Himmel: Mond Personen: Dante, Beatrice © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Intra due cibi, distanti e mov nti 1 4 7 d’un m do, prima si morr a di fame, 2 4 8 3 che liber’ mo l’un recasse ai d nti; (2) 4 6 8 sì si star bbe un agno intra due brame 1 4 6 7 di fi ri lupi, igualm nte tem ndo; 2 4 7 6 sì si star bbe un cane intra due dame: 1 4 6 7 per che, s’i’ mi tac a, me non ripr ndo, 2 6 7 da li mi i d bbi d’un m do sospinto, 4 7 9 p i ch’ ra necessario, né comm ndo. (1/2) 6 8 Io mi tac a, ma ’l mio di ir dipinto (1) 4 8 m’ ra nel vi o, e ’l dimandar con llo, 1 4 8 12 più caldo assai che per parlar distinto. 2 4 8 Fé sì Beatrice qual fé Danï!llo, (1) 2 4 7 Nabuccod"no#or levando d’ira, 4 8 15 che l’av$a fatto%ingiustam&nte f'llo; 3 4 8 e disse:(«Io v)ggio b*n c+me ti tira 2 3.4 6 uno,e-altro di.io, sì che tua cura 1 3 6 (7.8) 18 sé st/ssa l0ga sì che fu1r non spira. 2 4 6 8 Tu2argom3nti: “Se ’l bu4n vol5r dura, (1) 4 7 9 la vïol6nza7altrui per qual ragi8ne 4 6 8 21 di meritar mi sc9ma la mi:ura?”. 4 6 Anc;r di dubitar ti dà cagi<ne 2 6 (8) par=r tornarsi l’anime>a le st?lle, 2 4 6 24 sec@ndo la sentAnza di PlatBne. 2 6 QuCste sDn le questiEn che nel tuo v ll 1 3 6 pFntanoGigualmHnte;Ie però pria 1 6 9 27 tratterò quJlla che piùKha di fLlle. 3 4 7/8

2 Zwischen zwei Speisen, lockend und entfernt auf gleiche Weise, stürb man eher Hungers, 3 als daß man eine frei zum Munde führte. So stände auch, gehemmt von gleicher Angst, ein Lamm zwischen zwei gierig wilden Wölfen, 6 und, so gehemmt, ein Hund zwischen zwei Hinden. Drum kann ich mich nicht tadeln, wenn ich schwieg, getrieben gleichermaßen von zwei Zweifeln, 9 noch loben, denn es war notwendig so. Ich schwieg denn auch, doch mein Begehren drückte sich im Gesicht mir aus samt meinem Fragen, 12 viel hitziger als Worte sagen konnten. Wie Daniel mit Nabuccodonosor, dem ungerecht ihm Zürnenden, verfuhr, 15 so Beatrice nun mit mir; sie sagte: »Ich sehe wohl, zwei Zweifel zerren so dich hin und her, daß dir dein eigner Eifer 18 zur Fessel wird und sich nicht äußern kann. Du klügelst: wenn mein guter Wille anhält, mit welchem Rechte kann mir äußre, fremde 21 Gewalt das Ausmaß des Verdienstes schmälern? Den zweiten Anlaß deines Zweifelns gibt der Anschein, daß die Seelen zu den Sternen 24 heimkehren, wie die Lehre Platos will. Dies sind die Fragen, die auf deinen Willen gleichmäßig drücken, und ich will zuerst 27 diejenige, die schärfer droht, behandeln.

3 D’i Serafin colui che più s’india, (1) 4 6 8 Moïsè, SamuMNl, e quOl Giovanni 3 6 8 30 che prPnder vuQli,Rio dico, non Maria, 2 4 6 8 non hannoSin altro ciTloUi lVro scanni 2 4 6 (8) che quWsti spirti che mX t’appariro, 2 4 7 33 néYhannoZa l’[sser l\r più]o m^no_anni; 2 4 6 7 9 ma tutti fanno b`lloail primo giro, 2 4 6 8 e differentembntechan ddlce vita 6 8 36 per sentir piùee mfn l’ettgrno spiro. 3 4 6 8 Qui si mostraro, non perché sortita 1 4 6 (8) sia quhsta spira ljr, ma per far skgno 1 2 4 6 39 de la celestïal c’ha mln salita. 6 8 Comì parlar convinnsioal vpstroqingrgno, 2 4 6 8 però che sslo da sensatotapprunde 2 4 8 42 ciò che fa pvscia d’intellwtto dxgno. (1) 4 8 Per quysto la Scrittura condescznde 2 6 a v{stra facultate,|e pi}di~e mano 2 6 8 45 attribuisce€a Dioe‚altroƒint„nde; 4 6 8 e Santa Chi †a con asp‡ttoˆumano 2 4 8 Gabrï‰l e MichŠl vi rappre‹Œnta, 3 6 48 e l’altro che Toba rifŽce sano. 2 6 8 Qul che Timo de l’anime‘argom’nta 1 4 6 non è simile“a ciò che qui si v”de, (2) 3 6 8 51 però che, c•me dice, par che s–nta. 2 3 6 8 Dice che l’alma—a la sua st˜lla ri™de, 1 4 8 credšndo qu›lla quindiœsser deciža 2 4 6 7 54 quando natura per fŸrma la di de; 1 4 7

4 Der gottverklärteste der Seraphime und Moses, Samuel oder ein Johannes, 30 gleichgültig welcher, ja sogar Maria, sie alle haben ihre Sitze in demselben Himmel wie die Geister, die 33 du eben sahst; auch gibt's kein jung und alt; sie zieren insgesamt den höchsten Himmel. Der Unterschied ist in der Seligkeit, 36 je wie der Geist im Wechsel sie ergreift. In diesem Kreis erschienen sie: nicht daß er ihnen zugewiesen wäre, nur 39 um eine kleinre Stufe anzudeuten. So will es dein Verstand, daß man ihm spreche, denn nur im Sinnlichen kann er ergreifen, 42 was er hernach in die Vernunft erhebt. Zu eurem Maßstab steigt drum auch die Bibel hernieder und begabt mit Füß und Händen 45 den Herrgott, den sie anders doch versteht. Und menschengleich stellt auch die heilige Kirche den Gabriel und Michael euch vor 48 und Raphael, der den Tobias heilte. Was der »Timäus« von den Seelen lehrt, ist dem, was du hier anschaust, nicht vergleichbar; 51 denn wörtlich scheint er, was er sagt, zu meinen. Die Seele, sagt er, kehre heim zum Stern, von dem sie, glaubt er, weggegangen sei, 54 um Lebensform zu werden durch Natur.

5 e f¡rse sua sent¢nza£è d’altra gui¤a 2 6 8 che la v¥ce non su¦na,§ed ¨sser pu©te 3 6 8 57 con intenziªn da non «sser deri¬a. 4 7 S’ lli®int¯nde tornare°a qu±ste ru²te 1 3 6 8 l’on³r de la´influµ¶nza·e ’l bi¸¹mo, fºrse 2 6 8 60 in alcun v»ro suo¼arco percu½te. 3 4 7 Qu¾sto principio, male¿intÀÁo, tÂrse 1 4 6 8 già tuttoÃil mÄndo quaÅi, sì che GiÆve, 1.2 4 6 (8) 63 MercÇrioÈe MarteÉa nominar trascÊrse. 2 4 8 L’altra dubitaziËn che ti commÌve 1 6 ha mÍn velÎn, però che sua malizia 2 4 6 (8) 66 non ti porÏa menar da meÐaltrÑve. (1) (4) 6 8 ParÒreÓingiusta la nÔstra giustizia 2 4 7 ne liÕÖcchi d’i mortali,×èØargomÙnto 2 6 (7) 69 di fÚdeÛe non d’erÜtica nequizia. 2 4 6 Ma perché puÝte vÞstroßaccorgimànto (3) 4 6 bán penetrareâa quãsta veritate, 1 4 6 72 cäme diåiri, ti farò contænto. 4 8 Se vïolçnzaèè quando quél che pate 4 6 8 nïênte conferisceëa quìl che sfírza, 2 6 8 75 non fuîr quïst’ alme per ðssa scuñate: 2 4 7 che volontà, se non vuòl, non s’ammórza, 4 7 8 ma fa côme natura faceõin föco, 2 6 8 78 se mille v÷lte vïolønzaùil túrza. 2 4 8 Per che, s’ûlla si piügaýassaiþo p co, 2 3 6 8 s gue la f rza; e co ì qu ste f ro 1 4 7 8 81 poss ndo rifuggir nel santo l co. 2 6 8

6 Vielleicht ist Platos Meinung aber anders als sie im Wortlaut klingt, und es kann sein, 57 daß man im Kern sie nicht verspotten darf. Wenn er an Ruhm und Schmach der Wirkung denkt, die man zurückführt auf die Sterne, dann 60 ist doch wohl etwas Treffendes dabei. Die falsche Deutung dieser Lehre hat sodann die Welt dazu verführt, von Sternen 63 als Jupiter, Merkur und Mars zu fabeln. Der andre Zweifel, der dich umtreibt, ist minder gefährlich, weil sein Stachel dich 66 nicht gar so weit von mir entfernen kann. Wenn himmlische Gerechtigkeit als Unrecht dem Menschenaug erscheint, so ist's ein Antrieb 69 zum Glauben, nicht zu ketzerischer Bosheit. Weil aber eure Findigkeit sehr wohl in diese Wahrheit einzugehn vermag, 72 so tu ich, wie du wünschest, dir Genüge. Nur dort ist Vergewaltigung vorhanden, nur dort Entschuldigung, wo der Gequälte 75 nicht das Geringste dem Verfolger zugibt; denn wer nicht will, des Will' wird nicht erstickt: er bleibt, dem Feuer gleich, sich selbst getreu 78 und strebt, auch tausendfach gedrückt, nach oben. Beim kleinsten Zugeständnis wie beim größten erliegt er aber. Diese unterlagen. 81 Zum Kloster gab es immer einen Weg;

7 Se f sse stato lor vol re int ro, 2 4 6 8 c me t nne Lor nzo in su la grada, 3 6 84 e f ce Muzio a la sua man sev ro, 2 4 8 co ì l’avr a ripinte per la strada 2 4 6 nd’ ran tratte, c me fu ro sci lte; 2 4 8 87 ma co ì salda v glia è tr ppo rada. (3) 4 6 8 E per qu ste par!le, se ric"lte 3 6 l’hai c#me d$i,%è l’argom&nto casso 1 4 (5) 8 90 che t’avr'a fatto n()ia*anc+r più v,lte. 3 (4) 6 8 Ma-.r ti s’attrav/rsa0un altro passo 2 6 8 dinanzi1a li23cchi, tal che per te st4sso 2 4 6 93 non uscir5sti: pr6a sar7sti lasso. (1) 4 6 8 Io t’h8 per c9rto ne la m:nte m;sso (1) 2 4 8 ch’ alma be<ata non por=a mentire, 1 4 8 96 però ch’ è s>mpre?al primo v@roAapprBsso; 2 4 6 8 e pCi potDsti da PiccardaEudire 2 4 8 che l’affeziFn del vGl Costanza tHnne; 4 6 8 99 sì ch’Illa par qui mJco contradire. 2 4.5 6 MKlte fïate già, frate,LaddivMnne 1 4 6 7 che, per fuggir periglio, cNntra grato 1 4 6 8 102 si fé di quOl che far non si convPnne; 2 4 6 (7) cQmeRAlmeSTne, che, di ciò pregato 4 6 8 dal padre suo, la prUpria madre spVnse, 2 4 6 8 105 per non pWrder pietà si fé spietato. 3 6 8 A quXsto punto vYglio che tu pZnse 2 4 6 (9) che la f[rza\al vol]r si mischia,^e fanno 3 6 8 108 sì che scu_ar non si p`sson l’offanse. 1 4 (5) 7

8 denn hätten sie den ganzen Willen fest, so wie Sankt Lorenz auf dem Rost, gehalten, 84 wie Mucius die Hand im Feuerbecken: der Wille trieb sie gleich, sobald der Weg sich wieder öffnete, zurück den Weg. 87 So fester Wille, ach, ist allzu selten. Mit diesen Worten, wenn du sie gebührend bedenkst, erledigt sich der Gegenstand, 90 der dich noch manches Mal belästigt hätte. Nun aber tritt ein ander Hindernis dir in den Weg, mit dem du selbst wohl nie 93 zustande kämst und müßtest dran ermatten. Ich hab dir die Gewißheit beigebracht, daß heilige Seelen niemals lügen können, 96 weil sie dem Quell des Wahren immer nahe; und dann erfuhrst du durch Piccarda, daß »dem Schleier treu im Herzen blieb« Konstanze, 99 was meinem Wort zu widersprechen scheint. Es ist schon oft geschehen, Bruder, daß, um Schlimmres zu vermeiden, wider Willen, 102 man etwas Ungehöriges beging. So ließ Alkmäon sich von seinem Vater erbitten, daß er tötete die Mutter 105 und wurde, um getreu zu bleiben, ruchlos. An diesem Punkte sollst du wohl erwägen, wie sich Gewalt und Wille derart mischen, 108 daß das Verbrechen unentschuldbar wird.

9 Vbgliacassoluta non consdnteeal danno; 1 4 (6) 8 ma consfntevigin tantohin quanto time, 3 6 8 111 se si ritrje, cadkrelin piùmaffanno. 4 6 8 Però quando Piccarda qunllo sprome, 2 3 6 8 de la vpgliaqassolutarintsnde,teuio 3 6 8 114 de l’altra; sì che vvr diciamowinsixme». 2 (4) 6 8 Cotal fu l’ondeggiar del santo rio 2 (3) 6 8 ch’uscì del fyntez{nd’ |gne v}r deriva; 2 4 6 8 117 tal pu~e€in paceuno‚eƒaltro di„io. 1 2 4 5 7 « †amanza del primo‡amante,ˆo diva», (1) 3 6 8 (9) diss’ io‰apprŠsso,‹«il cui parlar m’inŒnda (2) 4 (6) 8 120 e scalda sì, che piùe più m’avviva, 2 4 6 8 non è l’affeziŽn mia tanto profnda, 2 5 6 7 che bastia r‘nder v’i grazia per grazia; 2 4 6 7 123 ma qu“i che v”de•e pu–te—a ciò risp˜nda. 2 4 6 8 Io v™ggio bšn che già mai non si sazia 2 4 7 n›stroœintelltto, se ’l vžr non loŸillustra 1 4 7 (8) 126 di fu r dal qual nessun v¡ro si spazia. 2 4 6 7 P¢£asi¤in ¥sso, c¦me f§ra¨in lustra, 1 4 8 t©sto che giunto l’ha;ªe giugner pu«llo: 1 4 6 8 129 se non, ciascun di¬io sar bbe fr str . 2 4 6 8 Nasce per qu®llo,¯a gui°a di ramp±llo, 1 4 (6) a piè del v²ro³il dubbio;´ed è natura 2 4 6 (8) 132 ch’al sµmmo pinge n¶i di c·llo¸in c¹llo. 2 4 6 8 Quºsto m’invita, qu»sto m’assicura 1 4 6 con rever¼nza, d½nna,¾a dimandarvi 4 6 135 d’un’altra verità che m’è¿oscura. 2 6 8

10 Der reine Wille will kein Unheil stiften, doch gibt er nach insoweit als er fürchtet, 111 durch Weigerung in größre Not zu kommen. Piccardas Ausdruck nun bezieht sich auf den reinen Willen, während ich den andern 114 versteh, so daß wir wahrhaftig uns ergänzen.« So wogt' es hin und her im heiligen Wasser, das aus der Quelle aller Wahrheit fließt, 117 und brachte beide Zweifel mir zur Ruhe. – »Des ersten Liebenden Geliebte, du, o Göttliche«, sprach ich, »mich überströmt 120 und wärmt dein Wort und gibt mir neues Leben; doch so tief ist mein Fühlen nicht, daß es die Freud mit Freude zu vergelten ausreicht. 123 Mög Er, der es versteht und kann, dir lohnen. Ich sehe wohl, daß unser Denken nimmer sich sättigt, eh die Wahrheit ihm nicht leuchtet, 126 die eine, neben der nichts sonst noch wahr ist. Und wie ein Tier in seiner Höhle ruht es in ihr, sobald es sie erreicht hat; ja, 129 erreichen kann es sie. Vergebens wäre sonst jedes Streben; darum sprießt der Zweifel am Fuß der Wahrheit, und so muß er aufwärts 132 von Fels zu Fels uns nach dem Gipfel jagen. – Das lädt mich ein, das gibt mir Zuversicht, in Ehrfurcht euch noch weiter zu befragen 135 nach einer Wahrheit, Herrin, die ich suche.

11 Io vÀ’ sapÁr se l’uÂm può sodisfarvi 2 4 6 7 ai vÃti manchi sì con altri bÄni, 2 4 6 8 138 ch’a la vÅstra statÆra non sÇen parvi». 3 6 9 Beatrice mi guardò con liÈÉcchi piÊni 2 6 8 di faville d’amËr coÌì divini, 3 6 8 141 che, vinta, mia virtute diè le rÍni, 1 2 6 8 e quaÎi mi perdÏi con liÐÑcchi chini. 2 6 8

12 Ich möchte wissen, ob der Mensch Ersatz für unerfüllt Gelöbnis leisten kann, 138 daß es für voll auf eurer Waage gelte.« Aus offnen Augen schaute Beatrice, göttliche Liebe sprühend, zu mir her, 141 daß plötzlich mich der Mut verließ, und ich gesenkten Blicks wie ein Verlorner stand.

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