Paradiso – Canto 33

La Divina Commedia Paradiso Canto XXXIII Das Lied von der Vision Gottes Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Zehnter Himmel: Empireo Personen: Dante, Beatrice, san Bernardo, la vergine Maria la Trinità divina © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 «V rgine Madre, figlia del tuo figlio, 1 4 6 (9) umile e alta più che cre atura, 1 4 6 3 t rmine fisso d’ett rno consiglio, 1 4 7 tu s ’ col i che l’umana natura (1) 2 4 7 nobilitasti sì, che ’l suo fatt re 4 6 8 6 non di degnò di farsi sua fattura. 1 4 6 8 Nel v ntre tuo si racc e l’am re, 2 4 7 per lo cui caldo ne l’ett rna pace 3 4 8 9 co ì è germinato qu sto fi re. 2 6 8 Qui s ’ a n i meridïana face 1 4 8 di caritate, e giu o, intra ’ mortali, 4 6 7 12 s ’ di speranza fontana vivace. 1 4 7 D nna, s ’ tanto grande e tanto vali, 1 4 6 8 che qual vu l grazia e a te non ric!rre, 2 4 7 15 sua di"ïanza vu#l volar sanz’ ali. 4 8 La tua benignità non pur socc$rre 2 6 8 a chi domanda, ma m%lte fïate 4 7 18 liberam&nte'al dimandar prec(rre. 4 8 In te mi)eric*rdia,+in te pietate, 2 6 8 in te magnific,nza,-in te s’aduna 2 6 8 21 quantunque.in cre/atura0è di bontate. 2 6 (7) 1r qu2sti, che da l’3nfima lacuna 1 2 6 de l’univ4rso5infin qui6ha vedute 4 7 24 le vite spiritali7ad una8ad una, 2 6 8 s9pplica:a te, per grazia, di virtute 1 4 6 tanto, che p;ssa con li<=cchi levarsi 1 4 7 27 più>alto v?rso l’ultima salute. 2 4 6

2 »Jungfrau und Mutter, Tochter Deines Sohnes, bescheidenstes und höchstes der Geschöpfe, 3 im ewigen Plan bestimmt und auserwählt, Du hast in Dir die menschliche Natur so hoch geläutert, daß der Schöpfergott 6 sich gerne geben ließ als ihr Geschöpf. In Deinem Blute regte sich die Liebe, die lebenswarme wieder, die im Frieden 9 vor Gott hier diese Rose knospen ließ. Uns Seligen bist Du die Mittagssonne, die Liebe, und den Sterblichen auf Erden 12 bist Du der Hoffnung lebensvoller Quell. Du Herrin bist so groß und bist so mächtig, daß jedem Flehenden, der Dich nicht sucht, 15 mit lahmen Flügeln seine Sehnsucht schmachtet. Zur Hilfe aber eilet Deine Güte dem Bittenden: und oft aus freier Hand 18 bringt sie Gewähr, noch eh die Bitte ging. Frommes Erbarmen, Mitleid, Herrlichkeit und alles Gute eines Menschenherzens, 21 in Dir, in Dir, in Dir ist es vereint. Sieh, dieser, der vom tiefsten Nichts der Welt bis hieher stufenweise schauen durfte 24 die geistigen Lebensformen aller Seelen, fleht jetzt zu Dir. Verleih ihm, Gnadenvolle, noch soviel Kraft, daß er mit Augen sich 27 höher erhebe bis zum letzten Heil.

3 E@io, che mai per mio vedAr non arsi 2 4 (6) 8 più ch’i’ fB per lo suo, tutti miCi priDghi 1 3 6 7 (9) 30 ti pErgo,Fe priGgo che non sHeno scarsi, 2 4 8 perché tuIJgne nube li diKlLghi 3 4 6 di sua mortalità cM’ priNghi tuOi, 2 6 8 33 sì che ’l sPmmo piacQr li si dispiRghi. 1 3 6 AncSr ti priTgo, regina, che puUi 2 4 7 ciò che tu vuVli, che consWrvi sani, 1 4 8 36 dXpo tanto vedYr, liZaff[tti su\i. 3 6 8 Vinca tua guardia]i movim^nti_umani: 1 4 8 v`di Beatrice con quanti beaati 1 4 7 39 per li mibi pricghi ti chiudon le mani!». 3 4 7 Lidecchi da Dio dilfttige venerati, 1 4 6 fissi ne l’orathr, ne dimostraro 1 6 42 quantoii devjti prikghi le sln grati; 1 (4) 6 indima l’ettnrno lume s’addrizzaro, 1 4 6 nel qual non si doe crpder che s’invii 2 5 6 45 per creqatura l’rcchio tanto chiaro. 4 6 8 Esio ch’al fine di tutt’ i ditii 2 4 7 appropinquava, sì cum’ io dovva, 4 6 8 48 l’ardwr del dexidyriozin me finii. 2 6 8 Bernardo m’accennava,{e sorrid|a, 2 6 perch’ io guardassi su}o; ma~io€ra 2 4 6 9 51 già per me stsso tal qual ‚i volƒa: 1 (3) 4 6 8 ché la mia vista, ven„ndo sinc ra, (3) 4 7 e più†e più‡intrava per lo raggio 2 4 6 54 de l’alta luce che da séˆè v‰ra. 2 4 8

4 Und ich, der ich das Glück des Schauens mir nicht durstiger begehrte je als ihm, 30 all mein Gebet – oh, daß es nicht versage – schick ich zu Dir. Nimm drüben Dunst der Erde Du ganz mit Deiner Bitte von ihm ab, 33 auf daß die höchste Lust sich ihm erschließe. Und ferner bitt ich, Königin, denn alles vermagst Du, was Du willst, daß seine Sinne 36 auf all den Anblick hin sich nicht verwirren. Die Regung seiner Menschenbrust bewache. Sieh, wie zu meinem Beten Beatrice 39 und all die andern ihre Hände falten.« Ihr Mutterauge, lieb und wert vom Herrgott, betrachtete den Betenden und zeigte, 42 wie wohlgefällig fromm Gebet vor Ihr. Dann richtete es sich ins ewige Licht, in das gewiß kein anderes Geschöpf 45 so klaren Auges schauen kann wie Sie. Da ich dem Endziel aller Wünsche nun mich näherte, beschwichtigt' ich in mir 48 wie sich's gehört, das glühende Verlangen. Bernhardus winkte mir und lächelte, daß ich empor sollt schaun, doch hatt ich schon 51 von selbst mich angeschickt, wie er es wollte. Allmählich klärte sich mir mein Gesicht und arbeitet den Strahlen sich entgegen 54 zum hohen Licht, dem Wahren in sich selbst.

5 Da quinciŠinnanzi‹il mio vedŒr fu maggio 2 4 (6) 8 che ’l parlar mstra, ch’a tal vista cŽde, 3 4 (7) 8 57 e cde la memria‘a tanto’oltraggio. 2 6 8 Qual è colüi che sognando v“de, (1/2) 4 8 che d”po ’l s•gno la passi–ne—impr˜ssa (2) 4 8 60 rimane,™e l’altroša la m›nte non riœde, 2 4 7 cotal sn io, ché quaži tutta cŸssa 2 4 6 8 mia vi ï¡ne,¢e£anc¤r mi distilla (1) 4 7 63 nel c¥re¦il d§lce che nacque da¨©ssa. 2 4 7 Coªì la n«ve¬al s l si disigilla; 2 4 6 co®ì¯al v°nto ne le f±glie l²vi 2 4 8 66 si perd³a la sent´nza di Sibilla. 3 6 µ s¶mma luce che tanto ti l·vi 1 2 4 7 da’ conc¸tti mortali,¹a la mia mºnte 3 6 (9) 69 ripr»sta¼un p½co di qu¾l che par¿vi, 2 4 7 e fa la lingua mia tanto possÀnte 2 4 6 7 ch’una favilla sÁl de la tua glÂria 1 4 6 9 72 pÃssa lasciareÄa la futura gÅnte; 1 4 (8) ché, per tornareÆalquantoÇa mia memÈria 1 4 6 e per sonareÉun pÊcoËin quÌsti vÍrsi, 4 6 8 75 più si conceperà di tua vittÎria. 1 6 8 Io crÏdo, per l’acume ch’io soffÐrsi (1) 2 6 (8) del vivo raggio, ch’i’ sarÑi Òmarrito, 2 4 8 78 se liÓÔcchi miÕi da lui fÖssero×avØrsi. 2 4 6 7 Ù’ mi ricÚrda ch’io fui piùÛardito (1) 4 7 per quÜstoÝa sostenÞr, tanto ch’i’ giunsi 2 6 7 81 l’aspßtto mio col valàreáinfinito. 2 4 7

6 Und in der Folge wuchs mein Schauen so, daß unser Wort versagt, und das Gedächtnis 57 dem Übermaß der Bilder unterliegt. Mir ist wie einem, der im Schlafe schaut, und nach dem Traume bleibt ihm die Erregung 60 im Geist, indes das Bild nicht wiederkehrt. So ist's in mir – es schwinden die Gesichte fast ganz, und immer träuft die Seligkeit, 63 die sie mir brachten, immer noch ins Herz. So löst der Schnee sich an der Sonne auf, und so verloren sich in Wind und Blättern 66 flüsternd die Weisheitssprüche der Sibylle. Du über alle menschliche Begriffe erhabne Klarheit, leihe meinem Geist 69 ein Kleines noch einmal von deiner Lichtspur und schenke meinen Worten so viel Kraft, daß einen Funken doch von deiner Glorie 72 ich zu den künftigen Geschlechtern trage. Wenn nur ein Weniges mir ins Gedächtnis zurückkehrt und im Verse leis erklingt, 75 wird man von deinen Siegen größer denken. Der heilige Lichtstrahl, dem ich standhielt, hätte mit seiner Schärfe, glaub ich, mich zerstört, 78 hätt' ich die Augen von ihm abgewandt. Und ich erinnre mich, wie um so kühner ich dann das Licht ertrug, bis endlich sich 81 mein Schauen dem Unendlichen verband.

7 âhãabbondante graziaäånd’ io preæunsi 1 4 6 8 ficcar lo viço per la luceèettérna, 2 4 8 84 tanto che la veduta vi consunsi! 1 6 Nel suo profêndo vidi che s’intërna, 2 4 6 legato con amìreíin un volume, 2 6 8 87 ciò che per l’univîrso si squadïrna: 1 6 sustanzeðeñaccidòntióe lôr costume 2 6 8 quaõi conflatiöinsi÷me, per tal mødo 1 4 6 (9) 90 che ciò ch’i’ dicoùèúun sûmplice lume. 2 4 7 La fürmaýuniversal di quþsto n do 2 6 8 cr do ch’i’ vidi, perché più di largo, 1 4 (7) 8 93 dic ndo qu sto, mi s nto ch’i’ g do. 2 4 7 Un punto s lo m’è maggi r letargo 2 4 (6) 8 che venticinque s coli a la ’mpr a 4 6 96 che fé Nettuno ammirar l’ mbra d’Argo. 2 4 7 8 Co ì la m nte mia, tutta sosp a, 2 4 6 7 mirava fissa, imm bile e att nta, 2 4 6 99 e s mpre di mirar fac asi acc a. 2 6 8 A qu lla luce cotal si div nta, 2 4 7 che v lgersi da l i per altro!asp"tto 2 6 8 102 è#impossibil che mai si cons$nta; 4 7 però che ’l b%n, ch’è del vol&re'obi(tto, 2 4 (5) 8 tutto s’acc)glie*in l+i,,e fu-r di qu.lla 1 4 6 8 105 è defett/vo ciò ch’è lì perf0tto. 4 6 8 Omai sarà più c1rta mia fav2lla, 2 4 6 8 pur a qu3l ch’io ric4rdo, che d’un fante (1) 3 (4) 6 108 che bagni5anc6r la lingua7a la mamm8lla. 2 4 6

8 Du überreiche Gnade gabst mir Mut, ins ewige Licht den Blick so tief zu senken, 84 daß mir das Schaun gelang – bis zur Erschöpfung. In seiner Tiefe sah ich innerlich in einem Liebesbunde, was sich draußen 87 im Universum auseinanderfaltet. Substanz und Akzidens und ihr Verhalten gleichsam in eines dergestalt verschmolzen, 90 daß, was ich sage, nur ein blasser Schein ist. Die Grundform dieser Allverbindung, glaub ich, hab ich geschaut; und schon es auszusprechen 93 erweitert freudig mir – ich fühl's – die Brust. Ein Augenblick der Abkehr ist mir länger als zweieinhalb Jahrtausend Todesschlaf, 96 seitdem das erste Schiff den Meergott schreckte. Deshalb verharrte regungslos und straff gespannt in seiner Schau mein Geist, und mehr 99 und immer mehr entzündet ihn dies Schauen. Von diesem Licht werden wir so gefangen, daß wir hinweg von ihm nach etwas andrem 102 mit gutem Willen nimmermehr uns kehrten! Dieweil das Gute, unsres Willens Ziel, sich all in diesem Lichte trifft. Was hier 105 vollkommen ist, wird draußen fehlerhaft. Doch jetzt bleibt meine Rede hinter der Erinnrung weit zurück und stammelt nur, 108 als wie ein Knäblein an der Mutter Brust.

9 Non perché più ch’un s9mplice sembiante 1 3 4 6 f:sse nel vivo lume ch’io mirava, 1 4 6 8 111 che tal è s;mpre qual s’<ra davante; 2 4 7 ma per la vista che s’avvalorava 4 in me guardando,=una s>la parv?nza, 2 4 7 114 mut@ndom’ io,Aa me si travagliava. 2 4 6 Ne la profBndaCe chiara sussistDnza 4 6 de l’alto lume pErvermi tre giri 2 4 6 9 117 di tre colFriGe d’una contenHnza; 2 4 6 e l’un da l’altro cImeJiri daKiri 2 4 (6) 7 parLa reflMsso,Ne ’l tOrzo parPa fQco (2) 4 6 (9) 120 che quinciRe quindiSigualmTnte si spiri. 2 4 7 Uh quantoVè cWrtoXil direYe cZme fi[co 1 2 4 6 (8) al mio conc\tto!]e qu^sto,_a qu`l ch’i’ vidi, 4 6 8 123 è tanto, che non bastaaa dbcer ‘pcco’. 2 6 8 d luceeettfrna che sglahin te sidi, (1) 2 4 7 9 sila t’intjndi,ke da telintellmtta 1 4 7 126 enintendonte tepamiqerarridi! 4 6 7 Quslla circulazitn che sì concutta 1 6 8 parvvawin te cxme lume reflysso, 2 4 (5) 7 129 da liz{cchi miei|alquanto circunsp}tta, 2 4 6 d~ntro da sé, del suo clore st€sso, 1 4 6 8 mi parve pinta de la nstra‚effƒge: 2 4 8 132 per che ’l mio vi„o in l†i tutto‡ˆra m‰sso. 2 (3) 4 6 7 (8) Qual è ’l geomètra che tutto s’affige 2 4 7 per miŠurar lo c‹rchio,Œe non ritrva, 4 6 8 135 pensando, quŽl principiond’ ‘lli’indige, 2 4 6 8

10 Zwar bot nicht mehr als einen schlichten Anblick der Lebensstrahl, den ich betrachtete 111 – und immer ist er wie er vorher war –. Doch weil in mir die Sehkraft sich verstärkte durch Schaun, verwandelte für mich die eine 114 Erscheinung sich, da ich mich selbst veränderte. Und so erschienen in der tiefen, klaren Substanz des Himmelslichtes mir drei Kreise: 117 an Farbe dreifach, doch von einem Umfang. Der ein und andre wie zwei Regenbogen bespiegelten einander, und der dritte 120 war eine Glut, von beiden gleich geschürt. Wie klein, wie schwächlich ist das Wort, gemessen an meinem Denken, ach! Und dieses erst 123 an dem, was ich erschaute. Kaum ein Hauch! Du ewig Licht ruhst in dir selbst allein, verstehst, erkennst dich, bist erkannt, verstanden 126 in dir und lächelst dir in Liebe zu. Der Lichtkreis, der, in dir so eingeschlossen, wie eine Spiegelung von dir erschien, 129 von meinen Augen um und um betrachtet, erwies sich mir mit unsrem Ebenbild in seinem Innern in derselben Farbe 132 bemalt, daß ich mich ganz darein versenkte. Dem Rechner gleich, der seine Kräfte sammelt, um einen Kreis zu messen, und's nicht findet, 135 und auf den Lehrsatz sinnt, der nötig wäre,

11 tal “ra”io•a qu–lla vista n—va: 1 4 6 8 ved˜r vol™va cšme si conv›nne 2 4 (6) 138 l’imagoœal crchiože cŸme vi s’ind va; 2 4 (6) ma non ¡ran da ciò le pr¢prie p£nne: 3 6 8 se non che la mia m¤nte fu perc¥ssa 2 6 (8) 141 da¦un fulg§re¨in che sua v©glia vªnne. 4 6 8 A l’alta fanta«ia qui mancò p¬ssa; 2 6 7 9 ma già volg va®il mio di¯io°e ’l v ll , 2 4 (6) 8 144 sì come r±ta ch’igualm²nte³è m´ssa, 1.2 4 8 l’amµr che m¶ve·il s¸le¹e l’altre stºlle. 2 4 6 8

12 so wollt ich an dem neuen Bild begreifen, wie hier zum Kreis das Menschenangesicht 138 sich einigte und wo's zusammenhängt. Doch dazu reichten eigne Flügel nicht – bis plötzlich mir der Geist getroffen wurde 141 von einem Blitzstrahl, der dem Sehnen half. Der hohe Flug des Schauens brach; schon aber war jeder Wunsch und Wille mir ergriffen 144 von Liebesallgewalt, die still und einig im Kreis die Sonne führt und alle Sterne.

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