Paradiso – Canto 29

La Divina Commedia Paradiso Canto XXIX Das zweite Lied der Engel Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Neunter Himmel: Primo Mobile oder Cristallino Personen: Dante, Beatrice © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Quando ambedue li figli di Lat na, 1 4 6 coperti del Mont ne e de la Libra, 2 6 3 fanno de l’ori nte insi me na, 1 6 8 quant’ è dal punto che ’l cenìt inlibra 2 4 8 infin che l’uno e l’altro da qu l cinto, 2 4 6 (9) 6 cambiando l’emisp rio, si dilibra, 2 6 tanto, col v lto di ri o dipinto, 1 4 7 si tacque Bëatrice, riguardando 2 6 9 fi o nel punto che m’av a vinto. 1 4 (8) P i cominciò: «Io dico, e non dimando, 1 4 (5) 6 8 qu l che tu vu li udir, perch’ io l’ho visto 1 (3) 4 6 (8) 12 là ’ve s’appunta gne b e gne qu nd . 1 4 (5) 6 (8) Non per av r a sé di b ne!acquisto, 1 4 6 8 ch’"sser non può, ma perché suo splend#re 1 4 7 8 15 pot$sse, risplend%ndo, dir: “S bs st ”, 2 6 8 in sua&etternità di t'mpo f(re, 2 6 8 fu)r d’*gne+altro compr,nder, c-me.i piacque, 1 2 3 6 8 18 s’ap/rse0in nu1vi2am3r l’ett4rno5am6re. 2 4 6 8 Né prima qua7i torp8nte si giacque; (1) 2 4 7 ché né prima né p9scia proced:tte (2) 3 (5) 6 21 lo disc;rrer di Dio s<vra qu=st’ acque. 3 6 7 (9) F>rma?e mat@ria, congiunteAe purBtte, 1 4 7 uscCroDad Esser che non avFa fallo, 2 4 9 24 cGme d’arco tricHrdo trI saJKtte. 3 6 8 E cLmeMin vNtro,Oin ambraPoQin cristallo (2) 4 6 raggio resplRnde sì, che dal venire 1 4 6 27 a l’Ssser tutto non èTintervallo, 2 4 7

2 Wenn die zwei Leto-Kinder, Sonn und Mond, geborgen bei dem Widder, bei der Waage, 3 am gleichen Rand sich gegenüber treten, hält der Zenit ihnen das Gleichgewicht solange, bis das ein und andre abrückt 6 vom Horizont und Hemisphäre wechselt: genauso lang schwieg Beatrice lächelnd und schaute festen Auges auf den Punkt, 9 der mich mit seinem Licht bezwungen hatte. Dann fing sie an: »Ich frag nicht erst, ich sage sofort dir, was du hören willst, ich las es 12 im Spiegel, wo sich Raum und Zeit begegnen. Nicht um für sich nur Gutes zu erwerben (was ja nicht möglich), nur damit sein Glanz 15 im Widerscheine kündete: ich bin! entließ aus sich der ewig Liebende nach seiner Lust, jenseits der Zeit und jenseits 18 von jeglichem Verstehn, ein neues Lieben. Nicht daß Er vorher wie im Dumpfen dämmerte; denn weder vorher war's noch nachher, als 21 der Geist des Herrn über den Wassern schwebte. Die Form, der Stoff, vereint und rein geschieden, traten ins Dasein ohne Fehl: so fliegen 24 drei Pfeile von dem dreigesträngten Bogen. Und wie auf Glas, auf Bernstein, auf Kristall ein Lichtstrahl trifft und ohne Aufenthalt 27 im gleichen Nu hineingedrungen ist,

3 coUì ’l trifVrmeWeffXtto del suo sire 2 4 6 ne l’Ysser suo raggiòZinsi[me tutto 2 4 6 8 30 sanza distinzï\ne]in essordire. 1 6 Concre^ato fu_`rdineae costrutto 3 6 a le sustanze;be quclle furon cima 4 6 8 33 nel mdndoein che purofatto fu produtto; 2 (5) 6 (8) pura potgnza thnne la parteiima; 1 4 6 9 nel mjklo strinse potmnza con atto 2 4 7 36 tal vime, che già mai non si divima. 1 2 6 (7) Iernnimo vi scrisse lungo tratto 2 6 8 di socoli de lipangeli creqati 2 6 39 anzi che l’altro mrndo fssse fatto; 1 4 6 8 ma qutsto vurovè scrittowin mxlti lati 2 4 6 8 da li scrittyr de lo Spirito Santo, 4 7 42 e tu te n’avvedrai se benezagguati; 2 6 8 e{anche la ragi|ne}il v~dealquanto, 2 6 8 che non conceder€bbe ch ’ mot‚ri (2) 6 45 sanza sua perfeziƒn f„sser cotanto. 1 3 6 7 r sai tu d†ve‡e quando quˆsti‰amŠri 1 (2 3) 4 6 8 furon cre‹atiŒe cme: sì che spŽnti 1 4 6 8 48 nel tuo diïo già sn tr‘’ard“ri. (2) 4 6 8 Né giugner”esi, numerando,•al v–nti 1 4 8 sì t—sto, c˜me de li™angeli parte 1 2 4 7 51 turbòšil sugg›tto d’i vœstrialimžnti. 2 4 7 L’altra rimaŸe, e cominciò qu¡st’ arte 1 4 8 che tu disc¢rni, con tanto dil£tto, 4 7 54 che mai da circüir non si diparte. 2 6 (7)

4 so strahlte dreigestufte Wirkung aus vom Herrn ins Dasein auf ein einzig Mal, 30 und war kein Unterschied im Anbeginn. Und einerschaffen wurden Rang und Ordnung den Wesen allen. An den Gipfel kamen 33 die für das reine Tun Berufenen. Die reine Möglichkeit fand unten Raum, und in der Mitte Actus und Potentia 36 mit einem Band verknüpft, das nie sich löst. – Wohl schrieb Hieronymus von einer langen Jahrhundertfolge, da die Engel schon 39 geschaffen waren, und die Welt noch nicht; doch steht der wahre Tatbestand geschrieben an vielen Stellen in der Heiligen Schrift. 42 Du kannst es selbst gewahren, wenn du achtgibst. Auch die Vernunft kann einiges erfassen: es widerspräche ihr, wenn die Beweger 45 so lang bestanden hätten, eh sie wirkten. Nun weißt du, wo und wann und wie erschaffen die Liebesgeister wurden. Damit sind 48 schon drei der heißen Wünsche dir gelöscht. Und eh man noch bis zwanzig zählt, so rasch verwirrte schon ein Teil der Engel euch 51 im irdischen Untergrund die Elemente. Die andern blieben treu, und gleich begannen sie, wie du siehst, mit solcher Lust die Kunst, 54 von der sie, Reigen tanzend, nimmer lassen.

5 Principio del cad¤r fu¥il malad¦tto 2 6 (7) superbir di colui che tu ved§sti 3 6 (8) 57 da tutti¨i p©ªi del m«ndo costr¬tto. 2 4 7 Qu lli che v®di qui furon mod¯sti 1 (4) 6 7 a ricon°scer sé da la bontate 4 6 60 che li±av²a fatti³a tanto´intµnder pr¶sti: (3) 4 6 8 per che le viste l·r furo¸essaltate (2) 4 6 7 con grazia¹illuminanteºe con l»r m¼rto, 2 6 9 63 sì c’hanno f½rma¾e pi¿na volontate; 1.2 4 6 e non vÀglio che dubbi, ma sia cÁrto, 3 6 9 che ricÂver la graziaÃè meritÄrio 3 6 66 secÅndo che l’affÆtto l’èÇapÈrto. 2 6 (8) Omai dintÉrnoÊa quËsto consistÌrio 2 4 6 puÍi contemplareÎassai, se le parÏle 1 4 6 69 mie sÐn ricÑlte, sanz’ altroÒaÓiutÔrio. 1 4 6 7 Ma perché ’n tÕrra per le vÖstre sc×le (3) 4 8 si lØgge che l’angÙlica natura 2 6 72 è tal, che ’ntÚndeÛe si ricÜrdaÝe vÞle, 2 4 8 ancßr dirò, perché tu vàggi pura 2 4 (7) 8 la verità che là giù si confánde, 4 7 75 equivocandoâin sì fatta lettura. 4 (6) 7 Quãste sustanze, päi che fur giocånde 1 4 6 8 de la faccia di Dio, non vælser viço 3 6 7 8 78 daèéssa, da cui nulla si nascênde: 2 6 però non hanno vedëreìinterciío 2 4 7 da nîvoïobiðtto,ñe però non biòógna 2 4 7 81 rememorar per concôtto diviõo; 4 7

6 Zum Abfall trieb der fluchbeladne Stolz des einen, den du in der Tiefe sahst, 57 von allem Schweren in der Welt umdrängt. Bescheiden blieben, die du droben siehst in ihrem Dank für Gottes Güte, daß Er 60 so willig sie und so verständig machte. Durch gnädige Erleuchtung und Verdienst ward drum ihr Schauen so erhöht, daß sie 63 den vollen und den festen Willen haben. Du sollst gewiß sein, zweifeln darfst du nicht, daß Gnade zu empfangen ein Verdienst ist: 66 je offner das Gemüt sich ihr ergibt. Nun kannst du über diese Himmelsscharen dir vieles noch betrachtend klären, wenn du 69 mein Wort dir, ohne fremde Hilfe, merkst. Doch weil in euern Schulen bei den Menschen gelehrt wird, daß die englische Natur 72 Verstand, Erinnerung und Willen habe, sag ich noch mehr, auf daß du rein und schlicht die Wahrheit schauest, die man dort verwirrt 75 in doppelsinniger Gelehrsamkeit. Seit im Gesichte Gottes diese Wesen sich laben, wandten sie den Blick noch nie 78 hinweg von dort, wo nichts verborgen bleibt. Ihr Schauen wird daher nicht unterbrochen durch andre Gegenstände, und es braucht 81 kein Rückbesinnen auf Zusammenhang.

7 sì che là giù, non dormöndo, si s÷gna, (1) 4 7 credøndoùe non credúndo dûcer vüro; 2 (4) 6 (8) 84 ma ne l’unoýè più cþlpa e più verg gna. 3 (5) 6 (8) Voi non andate giù per un senti ro 1 4 6 (8) filo ofando: tanto vi trasp rta 4 6 87 l’am r de l’appar nza e ’l suo pensi ro! 2 6 8 E anc r qu sto qua sù si comp rta 3 4 7 con m n di d gno che quando è posp sta 2 4 7 90 la divina Scrittura o quando è t rta. 3 6 8 Non vi si p nsa quanto sangue c sta (1) 4 6 8 seminarla nel m ndo e quanto piace 3 6 8 93 chi umilm nte con ssa s’acc sta. (1) 4 7 Per appar r ciascun s’ing gna e face 4 6 8 sue!invenzi"ni;#e qu$lle s%n trasc&rse (1) 4 6 (8) 96 da’ predicanti'e ’l Vang(lio si tace. 4 7 Un dice che la luna si rit)rse 1 2 6 ne la passi*n di Cristo+e s’interpu,-e, 4 6 99 per che ’l lume del s.l giù non si p/rse; 3 6 7 e m0nte, ché la luce si nasc12e 2 6 da sé: però3a li Spani4e5a l’Indi 2 4 7 102 c6me7a’ Giud8i tale9eclissi rispu:;e. 4 5 7 Non ha Fior<nza tanti Lapi=e Bindi 2 4 6 8 quante sì fatte favole per anno 1 (3) 4 6 105 in p>rgamo si gridan quinci?e quindi: 2 6 8 sì che le pecor@lle, che non sanno, 1 6 (9) tornan del pasco pasciute di vAnto, 1 4 (7) 108 e non le scuBa non vedCr lo danno. (2) 4 (6) 8

8 Du siehst, man träumt mit offnem Aug dort unten und gibt's für Wahrheit, ob man's glaubt, ob nicht – 84 und desto schlimmer, wenn man's selbst nicht glaubt. Eure Philosophie geht nicht nach einem Verfahren vor. Es lockt die Lust am Schein 87 mit ihrem Trugschluß euch vom Wege ab. Doch trägt man dies im Himmel mit geringrer Entrüstung, als wenn gar die Heilige Schrift 90 bei euch hintangesetzt wird und mißdeutet. Dabei vergißt man, wieviel Blut die Aussaat des Wortes kostet, und wie gottgefällig 93 ein schlichter Sinn, der ihm in Demut folgt. Ein jeder möchte glänzen und bringt seine Erfindung vor, die von den Predigern 96 besprochen wird – und Gottes Botschaft schweigt. Das sagt man, daß der Mond bei Christi Leiden zurückgewichen sei, das Sonnenlicht 99 verdeckend, daß es nicht mehr scheinen konnte. Falsch! sagt ein andrer, denn das Licht verbarg sich von selbst, daher bei Spaniern und bei Indern 102 die Finsternis wie bei den Juden eintrat. Und solcher Fabeln werden Jahr für Jahr mehr als Lapi und Bindi in Florenz 105 von allen Kanzeln in die Welt geschrien. Die armen Schäflein, die nichts ahnen, kehren mit Wind gefüttert von der Weide heim, 108 und ihre Blindheit kann sie nicht entschuldigen.

9 Non disse CristoDal suo primo convEnto: 2 4 7 ‘Andate,Fe predicateGal mHndo ciance’; 2 6 8 111 ma diIde lJr verace fondamKnto; (2) 4 6 e quLl tanto sonò ne le sue guance, (2) 3 6 (9) sì ch’a pugnar per accMnder la fNde 1 4 7 114 de l’EvangOlio fPro scudoQe lance. 4 (6) 8 Rra si va con mSttiTe con iscUde 1 4 6 a predicare,Ve pur che bWn si rida, 4 6 8 117 gXnfiaYil cappuccioZe più non si richi[de. 1 4 6 Ma tale\ucc]l nel becch^tto s’annida, 2 4 7 che se ’l vulgo_il ved`sse, vederabbe 3 6 120 la perdonanza di ch’bl si confida: 4 7 per cui tanta stoltczzadin terra crfbbe, 2 3 6 8 che, sanza prgva d’alcun testimhnio, 1 2 4 7 123 ad igne promessijn si correrkbbe. 2 6 Di qulstomingrassanil porco sant’ Antpnio, 2 4 6 8 eqaltrirassai che ssnotancur più pvrci, 2 4 6 8 126 pagando di monwta sanza cxnio. 2 6 8 Ma perché siym digrzssi{assai, rit|rci 3 4 6 8 li}~cchioramai v€rso la dritta strada, 1 4 5 8 129 sì che la via col tmpo si racc‚rci. 1 4 6 Quƒsta natura sì„ ltre s’ingrada 1 4 6 7 in numero, che mai non fu loqu†la 2 6 8 132 né conc‡tto mortal che tanto vada; 1 3 6 8 e se tu guardi quˆl che si rev‰la 4 6 per Danïèl, vedrai che ’n sue migliaŠia 4 6 8 135 determinato numero si c‹la. 4 6

10 Christus hat seinen Jüngern nicht gesagt: Geht hin in alle Welt und predigt Possen! 111 Die Grundwahrheit, die echte, gab er ihnen, und diese nur erscholl von ihren Lippen; drum ward das Evangelium für sie 114 im heißen Glaubenskampfe Schild und Lanze. Jetzt aber wird mit Witzeln und Getändel gepredigt, und es bläht sich die Kapuze, 117 wenn's ein Gelächter gibt, mehr will man nicht. Doch im Kapuzenzipfel hockt ein Vogel, so schwarz, daß, wenn die Leute ihn entdecken, 120 sie auch den Wert des Ablasses durchschauten. Die Torheit ist schon so verbreitet drunten, daß man auch ohne Bürgschaft und Beweis, 123 nur auf Versprechung hin gelaufen käme. Des heiligen Antonius Schwein und andre noch Schweinischere mästen sich davon 126 und zahlen euch mit falscher Münze aus. – Doch wir sind weit vom Wege abgeschweift. Richte die Augen jetzt darauf zurück, 129 damit wir kurz und rasch die Bahn vollenden. Das Volk der Engel hebt sich stufenweise so über alle Zahl, daß keine Sprache 132 und kein Begriff der Menschen es erreicht. Und wenn du Daniels Traumgesicht betrachtest, so siehst du, daß in seinen »Tausenden« 135 sich eine festbestimmte Zahl verbirgt.

11 La prima luce, che tutta la raŒia, (2) 4 7 per tanti mdiŽin ssa si recpe, 2 4 6 138 quanti s‘n li splend’ri“a chi s’appa”ia. 1 3 6 8 •nde, però che–a l’atto che conc—pe 1 4 6 s˜gue l’aff™tto, d’amar la dolcšzza 1 4 7 141 diversam›nteœin ssa fžrveŸe t pe. 4 6 8 V¡di l’ecc¢lso£omai¤e la largh¥zza 1 4 6 de l’ett¦rno val§r, p¨scia che tanti 3 6 7 144 sp©culi fatti s’haªin che si sp«zza, 1 4 6 (8) uno man¬ndo in sé c®me davanti». 1 4 6 (7)

12 Das Licht, das aus dem Urquell strahlt auf alle, wird so verschiedenartig aufgenommen, 138 als Flämmchen sind, mit denen es sich paart. Und wie mit dem Empfangen Hand in Hand ein Fühlen geht, so wirkt gedämpft und glühend 141 verschiedentlich das Liebesglück in ihnen. Nun sieh die Weite, die Erhabenheit des Ewigen, der sich so viele Spiegel 144 erschuf, in die sich seine Macht zerteilt, und dabei in sich einig bleibt wie vorher.«

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