Paradiso – Canto 14

La Divina Commedia Paradiso Canto XIV Das Lied des Salomone und des Jüngsten Gerichts Zeit: Donnerstag, 30. März 1301 (Mittwoch, 13. April 1300): nicht näher bestimmt (nach Ostern) Ort: Vierter Himmel: Sonne Fünfter Himmel: Mars Personen: Dante, Beatrice, Salmone © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Dal c ntro al c rchio, e sì dal c rchio al c ntro 2 4 6 8 m vesi l’acqua in un rit ndo va o, 1 4 8 3 sec ndo ch’è perc sso fu ri o d ntro: 2 6 8 ne la mia m nte fé sùbito ca o 4 7 qu sto ch’io dico, sì c me si tacque 1 4 6/7 6 la glorï a vita di Tomma o, 4 6 per la similitudine che nacque 6 del suo parlare e di qu l di Beatrice, 2 4 7 9 a cui sì cominciar, d po lui, piacque: 2 3 6 9 «A costui fa mesti ri, e n l vi dice 3 6 8 né con la v ce né pensando anc ra, 1 4 6 8 12 d’un altro v!ro"andare#a la radice. 2 4 6 Diteli se la luce$%nde s’infi&ra 1 6 7 v'stra sustanza, rimarrà con v(i 1 4 8 15 etternalm)nte sì c*m’ +ll’ è,-ra; 4 (6) 8 e se rimane, dite c.me, p/i 4 (6) 8 che sar0te vi1ibili rifatti, 3 6 18 2sser porà ch’al ved3r non vi nòi». 1 4 7 C4me, da più letizia pinti5e tratti, 1 (4) 6 8 a la fïata qu6i che vanno7a r8ta 4 6 8 21 l9van la v:ce;e rall<grano li=atti, 1 4 7 co>ì,?a l’orazi@n prAntaBe divCta, 2 6 7 li santi cDrchi mostrar nEva giFGia 2 4 7 8 24 nel torneHareIe ne la mira nJta. 4 8 Qual si lamKnta perché qui si mLMia 1 4 8 per viver colà sù, non vide quive 2 5 6 8 27 lo refrigNrio de l’ettOrna plPQia. 4 8

2 Vom Mittelpunkt zum Rand, vom Rand zur Mitte bewegt in rundem Topf das Wasser sich, 3 je wo man's anstößt, außen oder innen. Diese Erfahrung kam mir in den Sinn mit einem Male, als die hohe Seele 6 des Thomas schwieg, und ich das Widerspiel der Rede zwischen ihm und Beatrice erkannte, wie's dem Wasser ähnlich war, 9 da sie gefällig nun nach ihm begann: »Er braucht es, dieser hier, und sagt's euch nicht und spricht's nicht aus und denkt es gar noch nicht, 12 daß man ihm weitre Wahrheit noch ergründe. So sagt ihm, ob das Licht, das eurem Wesen entsteigt wie Blüte, bei euch bleiben wird 15 in Ewigkeit so wie es jetzt erscheint. Und wenn es bleibt, erklärt ihm, wie's geschieht, daß, wenn ihr wieder sichtbar seid im Leibe, 18 das eigne Licht nicht euer Sehen störe.« Wie manchmal, wenn sie sich im Reigen drehn, von größrer Lustigkeit ergriffen plötzlich, 21 die Tänzer heller jauchzen, muntrer springen, so zeigten bei der flinken, treuen Rede die heiligen Kreise eine neue Freude 24 in ihrem Reigenschwung und Hochgesang. – Es klagt wohl mancher, daß wir sterben müssen für höhres Leben, doch der sah noch nie 27 den Tau der ewigen Erquickung dort!

3 QuRll’ unoSe dueTe trU che sVmpre vive 2 4 6 8 e rWgna sXmpreYin trZ[e ’n due\e ’n uno, 2 4 6 8 30 non circunscritto,]e tutto circunscrive, 1 4 6 tr^ v_lte`ara cantato da ciascuno 2 6 di qublli spirti con tal melodia, 2 4 7 33 ch’ad cgne mdrto sarea giusto muno. 2 4 7 8 Efiogudi’ ne la luce più dia 2 4 7 (9) del minhr cerchioiuna vjce modksta, 3 4 7 36 flrse qual fu da l’angeloma Maria, 1 4 6 rispnnder: «Quanto foa lunga la fpsta 2 4 7 di paradiqo, tantoril nsstrotamure 4 6 8 39 si raggerà dintvrno cotal vwsta. 4 6 (9) La sua chiarxzza séguita l’ardyre; 2 4 6 l’ardzr la vi{ï|ne,}e qu~llaè tanta, 2 6 8 42 quant’ ha di grazia s€vra suo valre. 1 2 4 6 8 C‚me la carne glora e santa 1 4 8 f†a rivestita, la n‡stra persˆna 1 4 7 45 più grata f‰a per Šsser tutta quanta; 2 4 6 8 per che s’accrescerà ciò che ne d‹na 2 6 7 di gratüito lumeŒil smmo bŽne, 3 6 8 48 lume ch’a lui vedr ne condizina; 1 4 6 ‘nde la vi’ï“n cr”scer conv•ne, 1 6 7 cr–scer l’ard—r che di qu˜lla s’acc™nde, 1 4 7 51 cršscer lo raggio che da›œsso vne. 1 4 8 Ma sì cžme carbŸn che fiamma r nde, 2 (3) 6 8 e per vivo cand¡r qu¢lla sov£rchia, 3 6 7 54 sì che la sua parv¤nza si dif¥nde; 1 6

4 Der immer lebt in Einheit, Zweiheit, Dreiheit und immer herrscht in Drei- und Zwei- und Einheit 30 und unerfaßlich alles in sich faßt, dreimal besungen wurde ER von jedem der seligen Geister, und ihr Tongewebe 33 wär' vollster Lohn für jegliches Verdienst. Da hört' ich in dem sonnigsten der Lichter des kleinern Kreises eine Stimme, sittsam 36 wie etwa die des Engels zu Maria: »Solang das Fest des Paradieses dauert, solang wird unsre Liebe um sich her 39 ausstrahlen solch ein leuchtendes Gewand, wird heller glänzen, wenn sie heißer glüht und tiefer schaut, je nach der Gnade, die 42 zu ihren eignen Kräften sich gesellt. Wenn dann geheiligt und verklärt das Fleisch uns wieder kleidet, dann erscheinen wir 45 gefälliger in unsrem ganzen Wesen, und wachsen wird, was uns aus seiner Gnade das höchste Gut noch an Erleuchtung spendet, 48 Erleuchtung, daß wir IHN zu schaun vermögen, und wachsen muß in uns sein hohes Bild, und wachsen Liebesglut, die es entflammt, 51 daraus der Glanz noch heller wächst. Doch wie die Kohle in lebendiger Weißglut den eignen Flammenmantel überstrahlt 54 und Umriß und Gestalt für sich bewahrt,

5 co¦ì qu§sto folgór che già ne c¨rchia 2 3 6 8 f©a vintoªin appar«nza da la carne 2 6 57 che tutto dì la t¬rra ricop rchia; 2 4 6 né potrà tanta luce®affaticarne: 1 3 4 6 ché li¯°rgani del c±rpo saran f²rti 2 6 9 60 a tutto ciò che potrà dilettarne». 2 4 7 Tanto mi p³rver sùbiti´eµacc¶rti 1 4 6 e l’uno·e l’altro c¸ro¹a dicer «Amme!», 2 4 6 8 63 che bºn mostrar di»io d’i c¼rpi m½rti: 2 4 6 8 f¾rse non pur per l¿r, ma per le mamme, 1 4 6 per li padriÀe per liÁaltri che fuÂr cari 3 6 9 66 anzi che fÃsser sempitÄrne fiamme. 1 4 8 Ed ÅccoÆintÇrno, di chiarÈzza pari, 2 4 8 nascereÉun lustro sÊpra quËl che v’Ìra, 1 4 (6) 8 69 per guiÍa d’oriÎÏÐnte che rischiari. 2 6 E sì cÑmeÒal salir di prima sÓra 2 6 8 comincian per lo ciÔl nÕve parvÖnze, 2 6 7 72 sì che la vista pare×e non par vØra, 1 4 6 8.9 parvemi lì novÙlle sussistÚnze 1 4 6 cominciareÛa vedÜre,Ýe fareÞun giro 3 6 8 75 di fußr da l’altre due circunferànze. 2 4 6 áh vâro sfavillar del Santo Spiro! (1) 2 6 8 cãme si fäce sùbitoåe candænte (1) 4 6 78 a liçècchi miéi che, vinti, nol soffriro! 2 4 5 6 8 Ma Bëatrice sì bêllaëe ridìnte 4 7 mi si mostrò, che tra quílle vedute 4 7 81 si vuîl lasciar che non seguir la mïnte. 2 4 6 8

6 so wird der Glanz, der jetzt schon uns umgibt, dereinst an Helligkeit besiegt vom Fleische, 57 das heut sich noch im Schoß der Erde birgt. Und all dies Licht kann uns nicht müde machen, dieweil zu allem, was uns freuen kann, 60 die Sinnenkraft des künftigen Körpers ausreicht.« So flink und so behende stellten sich mit ihrem Amen beide Chöre ein, 63 daß man ihr Heimweh nach dem Leib erkannte – und nicht für sich allein, wohl auch für andre, für Mutter, Vater und die Lieben alle, 66 so wie sie einst vor der Verklärung waren. Und siehe, rings umher entstand ein Glanz von gleicher Klarheit wie der vorige, 69 als ob es dämmerte am Horizont. Und wie am Abend, wenn er sacht heraufsteigt, ein neues Leuchten durch den Himmel spielt, 72 daß man's zu sehen meint und doch nicht sieht, so scheinen dort mir neue Wesenheiten hervorzublinken, einen Kreis zu ziehn, 75 die beiden andern Ringe zu umfassen. – Wie funkelt Wahrheit aus dem heilgen Hauch so plötzlich und so glühend mir entgegen, 78 daß mein geblendet Aug es nicht erträgt! Doch schön und heiter zeigt sich Beatrice. Es bleibt mit manchen Wundern, die ich schaute, 81 unsagbar, weil mein Geist es nicht erreicht.

7 Quindi riprðser liñòcchi miói virtute 1 4 6 8 a rilevarsi;ôe vidimi tranõlato 4 6 84 söl con mia d÷nnaøin piùùalta salute. 1 4 7 Bún m’accûrs’ io ch’ioüýra più levato, 1 4 6 per l’affocato riþo de la st lla, 4 6 87 che mi par a più r ggio che l’u ato. 4 6 Con tutto ’l c re e con qu lla fav lla 2 4 7 ch’è una in tutti, a Dio f ci olocausto, 2 4 6 7 90 qual conven esi a la grazia nov lla. 1 4 7 E non r’ nco del mio p tto essausto 4 8 l’ard r del sacrificio, ch’io con bbi 2 6 8 93 sso litare stato acc tto e fausto; 1 4 6 8 ché con tanto luc re e tanto r bbi 3 6 8 m’apparvero splend r d ntro a due raggi, 2 6 7 (9) 96 ch’io dissi:!«"#Elïòs che sì li$add%bbi!». 2 (3) 6 8 C&me distinta da min'ri(e maggi 1 4 8 lumi bianch)ggia tra ’ p*li del m+ndo 1 4 (7) 99 Galassia sì, che fa dubbiar b,n saggi; 2 4 6 8 sì costellati fac-an nel prof.ndo (1) 4 7 Marte qu/i raggi0il venerabil s1gno 1 (3) 4 8 102 che fan giunture di quadranti2in t3ndo. 2 4 8 Qui vince la mem4ria mia lo ’ng5gno; 1 2 6 8 ché qu6lla cr7ce lampeggiava Cristo, 2 4 8 105 sì ch’io non so trovare8ess9mpro d:gno; 1.2 4 6 8 ma chi pr;nde sua cr<ce=e s>gue Cristo, 3 6 8 anc?r mi scu@erà di quAl ch’io lasso, 2 6 8 108 vedBndoCin quDll’ albEr balenar Cristo. 2 (4) 6 9

8 Das Auge wurde mir durch sie gestärkt zum Aufblick, und erhoben sah ich mich 84 in höhre Seligkeit, allein mit ihr. Daß ich gestiegen war, bemerkt ich wohl an dem entflammten Lachen des Planeten, 87 der glühender als sonst sich rötete. Aus ganzer Seele in des Herzens Sprache, die allen gleich ist, bracht ich Gott mich dar, 90 wie's für die neue Gnade sich gehörte; und ehe noch der Opferbrand verglühte in meiner Brust, erkannt ich, wie genehm 93 und glücklich wirksam meine Weihe war. Denn Lichter glühten auf, so hell und rot aus einem Bild von zwei gekreuzten Strahlen, 96 daß ich den sonnigen Herrn und Meister pries. Durch klein und größre Lichter abgezeichnet, milchweiß von Pol zu Pol durchzieht's die Welt, 99 und die Gelehrten können es nicht deuten: so sternbesät hob von dem Grund des Mars das Strahlenkreuz, das heilige, sich ab, 102 das die Quadranten in dem Kranze bindet. Hier wird Erinnrung stärker als Erfindung, denn wie an jenem Kreuz Christi Gestalt 105 aufflackerte, kann ich nicht würdig schildern. Doch wer sein Kreuz. auf Christi Spuren trägt und einst dies Christusbild aufleuchten sieht, 108 wird gern die Unterlassung mir verzeihen.

9 Di cFrnoGin cHrnoIe tra la cimaJe ’l basso 2 4 8 si movKen lumi, scintillando fLrte 3 4 8 111 nel congiMgnersiNinsiOmePe nel trapasso: 3 6 coQì si vRggion qui diritteSe tTrte, 2 4 6 8 velUciVe tarde, rinovando vista, 2 4 8 114 le minuzie d’i cWrpi, lungheXe cYrte, 3 6 8 mZversi per lo raggio[\nde si lista 1 6 7 talv]lta l’^mbra che, per sua dif_`a, 2 4 6 8 117 la gante con ingbgnocedarteeacquista. 2 6 8 E cfme gigageharpa,iin tjmpra tkla (2) 4 6 8 di mmlte cnrde, fa dolce tintinno 2 4 7 120 a tal da cui la npta non èqintrsa, 2 4 6 9 cotì da’ lumi che lì m’apparinno 2 4 7 s’accogliua per la crvcewuna melxde 3 6 123 che mi rapiva, sanzayintznder l’inno. 4 6 8 B{n m’acc|rs’ io ch’}lli~ra d’alte l€de, 1 4 (5) 6 8 però ch’a me venìa «Resurgi»e «Vinci» 2 (4) 6 8 126 c‚meƒa colui che non int„nde e†‡de. (1) 4 (6) 8 ˆo m’innamorava tanto quinci, 1 6 8 che ’nfino‰a lì non fuŠalcuna c‹Œa 2 4 6 8 129 che mi legasse con sì dlci vinci. 4 8 FŽrse la mia parla par trppo‘’“a, 1 (4) 6 8 9 pospon”ndo•il piac–r de li—˜cchi b™lli, 3 6 8 132 nš’ quai mirando mio di›ioœha pža; 2 4 8 ma chi s’avvŸde che i vivi sugg¡lli 2 4 7 d’¢gne bell£zza più fanno più su¤o, 1 4 (6) 7 (9) 135 e ch’io non m’¥ra lì riv¦lto§a qu¨lli, 2 4 6 8

10 Von Arm zu Arm und zwischen Fuß und Gipfel bewegten Lichter sich mit starkem Funkeln, 111 wenn sie sich trafen, wenn sie übersprangen. So sieht man Stäubchen hier, lange und kurze geradeaus und hin und her in Eile 114 und Weile bald und immer neu sich tummeln in einem Sonnenstrahl, der wie ein Streif durchs Dunkel manchmal zieht, das wir zur Abwehr 117 erfinderisch und künstlich uns bereiten. Und so wie Geig und Harfe, rein gestimmt und reich besaitet, lieblich Klanggemisch 120 in einem ungeübten Ohr erzeugen, so klang aus jenen Lichtern, die ich sah, durchs Kreuz hin eine Melodie zusammen, 123 die mich entzückte, die ich nicht verstand. Wohl merkt ich, daß es tönt' wie hohes Lob. »Steh auf und überwinde!« drang's zu mir 126 als zu dem Ohr, das hört und nicht versteht. Des wurde ich von Liebe überflutet, und nie bis dahin hat ein ander Ding 129 mit lieblicheren Banden mich umsponnen. Vielleicht erscheint mein Wort euch gar zu kühn, weil ich des Zaubers nicht gedenke, der 132 in ihren Augen all mein Sehnen stillt. Doch, wer begreift, wie jedes schöne Wesen je höher, desto lebensvoller wird, 135 und daß ich diesmal ihr noch nicht ins Auge

11 escu©ar puªmmi di qu«l ch’io m’accu¬o 3 4 (7) 8 per escu armi,®e ved¯rmi dir v°ro: 4 7 9 138 ché ’l piac±r santo non è qui dischiu²o, 3 4 7 8 perché si fa, montando, più sinc³ro. (2) 4 6 8

12 geschaut, der kann mich wohl entschuldigen und sehn, daß ich zu Recht mich hab entschuldigt. 138 Mein himmlisch Glück in ihr ist nicht vergessen: nur immer reiner wird es in den Höhen.

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