Inferno – Canto 27

La Divina Commedia Inferno Canto XXVII Das Lied des Guido da Montefeltro Zeit: Sonntag, 26. März 1301 (Samstag, 9. April 1300): um 12 Uhr mittags Ort: Kreis VIII (Malebolge): Betrüger Graben VIII: betrügerische Berater Personen: Dante, Virgilio, Guido da Montefeltro © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 Già ra dritta in sù la fiamma e qu ta 1 4 6 8 per non dir più, e già da n i s n gia (2) 4 (6) 8 3 con la lic nza del d lce po ta, 4 7 quand’ un’altra, che di tro a l i venìa, 3 (6) 8 ne f ce v lger li cchi a la sua cima 2 4 6 6 per un confu o su n che fu r n’uscia. 4 6 8 C me ’l bue cicilian che mugghiò prima 1 (3) 6 9 col pianto di colui, e ciò fu dritto, 2 6 8 9 che l’av a temperato con sua lima, 3 6 mugghiava con la v ce de l’afflitto, 2 6 sì che, con tutto che f sse di rame, (2) 4 7 12 pur el par va dal dol r trafitto; (2) 4 8 co ì, per non av r via né forame 2 6 7 dal principio nel f!co,"in suo linguaggio 3 6 8 15 si convert#an le par$le grame. 4 8 Ma p%scia ch’&bber c'lto l(r vïaggio 2 4 6 8 su per la punta, dandole qu)l guizzo (1) 4 6 18 che dato*av+a la lingua,in l-r passaggio, 2 4 6 8 udimmo dire:.«/ tu0a cu’1io drizzo 2 4 6 8 la v2ce3e che parlavi m4 lombardo, 2 6 8 21 dic5ndo6“Istra t7n va, più non t’adizzo,” 2 3 6 7 perch’ io sia giunto f8rse9alquanto tardo, 2 4 6 8 non t’incr:sca restare;a parlar m<co; 3 6 9 24 v=di che non incr>sce?a me,@eAardo! 1 6 8 Se tu pur mBCin quDsto mEndo ciFco 2 4 (6) 8 caduto sG’ di quHlla dIlce tJrra 2 4 (6) 8 27 latinaKLnd’ io mia cMlpa tutta rNco, 2 4 6 8

2 Emporgerichtet stand die Flamme still; sie sprach nicht mehr, und schon entschwebt sie uns, 3 entlassen von des Dichters holden Worten, als hinter ihr gleich eine andre kam, nach deren Spitze unsre Blicke gingen, 6 weil sie verworrne Laute von sich gab. Der siziliansche Stier, dessen Gebrüll das erstemal vom Schmerz des Künstlers kam 9 (mit Recht), der ihn so sinnreich hergerichtet, der eh’rne, brüllte immer mit der Stimme des armen Menschen in ihm, daß es klang, 12 als fühlte tief es Weh das heiße Erz. Und so die Jammerlaute, eingeschlossen ins Feuer, ohne rechten Ausweg noch, 15 vermummten sich in Feuers Brausesprache, bis sie den Weg zur Flammenspitze fanden, die sie zu ihrer Zunge schmeidigten, 18 daß klare Worte wir vernehmen konnten: »An dich ergeht mein Wort, der du lombardisch soeben noch gesprochen hast und sagtest: 21 ›Jetzt geh, ich will dich länger nicht bemühn.‹ Vielleicht bin ich ein wenig spät gekommen, doch laß dich nicht gereun, mit mir zu reden, 24 und sieh, wie’s mich im Feuer nicht gereut. Bist du erst jetzt in dieses dunkle Reich aus jenem lieblichen lateinischen Land 27 herabgestürzt, wo ich mich schuldig machte,

3 dimmi se RomagnuOliPhan paceQo guRrra; 1 6 8 ch’io fui d’i mSnti làTintraUOrbino 2 4 6 7 30 e ’l giVgo di che TWver si disXrra.» 2 6 IoYZra[in giu\o]anc^ra_att`ntoae chino, (2) 4 6 8 quandobil mio duca mi tentò di ccsta, (1) (3) 4 8 33 dicdndo: «Parla tu; questifè latino». 2 4 6 7 Egio, ch’avha già printa la rispjsta, 2 4 6 sanzakindugiola parlaremincominciai: 1 3 6 36 «noanima che sp’ là giù nascqsta, 2 6 8 Romagna tua non è,re non fu mai, 2 4 6 8 sanza gusrra nt’ cuur dv’ suwi tiranni; 1 3 6 8 39 ma ’n palxye nessunaz{r vi lasciai. 3 6 7 Rav|nna sta c}me stata~è mlt’ anni: 2 4 7 9 l’aguglia da Pol€nta la si cva, 2 6 42 sì che C‚rvia ricuƒpre c„’ su i vanni. 3 6 9 La t†rra che fé già la lunga pr‡va 2 5 6 8 e di Francˆschi sanguin‰Šo mucchio, 4 8 45 s‹tto le branche vŒrdi si ritrva. 1 4 6 E ’l mastin vŽcchioe ’l nuvo da Verrucchio, 3 4 6 che f‘cer di Montagna’il mal gov“rno, 2 6 8 48 là d”ve s•glion fan d’i d–nti succhio. 1 4 6 8 Le città di Lam—ne˜e di Sant™rno 3 6 conducešil lïonc›l dal nido bianco, 2 6 8 51 che muta parte da la stateœal vrno. 2 4 8 E qužlla cu’Ÿil Savio bagna il fianco, 2 6 8 co¡ì com’ ¢lla si£’ tra ’l piano¤e ’l m¥nte, 2 4 6 8 54 tra tirannia si vive¦e stato franco. 4 6 8

4 so sprich: ist Krieg, ist Friede in Romagna? Denn aus dem Bergland bin ich, das Urbino 30 vom Joche trennt, aus dem der Tiber springt.« Ich lauschte noch, hinabgebeugt, auf ihn, als mir der Meister an die Seite rührte, 33 und sagte: »Jetzt sprich du; der ist Lateiner.« Ich hatte meine Antwort schon bereit und ohne Zögern fing ich an und sprach: 36 »Flammenumhüllte Seele du dort unten, Krieg ist und war bei deinen Romagnolen im Herzen ihrer Zwingherrn heut und immer, 39 doch offen jetzt im Land sah ich ihn nicht. Ravenna ist seit alter Zeit das gleiche; der Adler von Polenta horstet dort 42 und breitet über Cervia seine Schwingen. Forli, die Stadt, die lange widerstand, zum blutgen Haufen manchen Franzmann warf, 45 ruht nun im Schutz der grünen Löwentatze. Der alte und der junge Hund Verrucchio, die den verhafteten Montagna würgten, 48 sie beißen noch und beuten aus wie einst. Die Städte am Lamone und Santerno verwahrt im weißen Nest der Löwenjunge, 51 der die Partei nach Hitz und Kälte wechselt. Am Strand des Savio die Stadt Cesena, wie zwischen Ebene und Berg sich schmiegend, 54 so lebt sie zwischen Freiheit und Tyrannis.

5 §ra chi s¨’, ti pri©go che ne cªnte; 1 4 6 non «sser duro più ch’altri sia stato, 2 4 7 57 se ’l n¬me tuo nel m ndo t®gna fr¯nte». 2 4 6 8 P°scia che ’l f±co²alquanto³´bbe rugghiato 1 4 6 7 al mµdo suo, l’aguta punta m¶sse (2) 4 6 8 60 di qua, di là,·e p¸i diè cotal fiato: 2 4 6 7 «S’i’ cred¹sse che mia rispºsta f»sse 3 8 a pers¼na che mai tornasse½al m¾ndo, 3 6 8 63 qu¿sta fiamma starÀa sanza più scÁsse; 1 3 6 7 ma però che già mai di quÂsto fÃndo 3 6 (8) non tornò vivoÄalcun, s’i’ÅÆdoÇil vÈro, 3 4 6 8 66 sanza tÉma d’infamia ti rispÊndo. 1 3 6 Io fuiËuÌm d’arme,Íe pÎi fui cordigliÏro, 2 4 6 7 credÐndomi, sì cinto, fareÑammÒnda; 2 6 8 69 e cÓrtoÔil crÕder mio venìaÖint×ro, 2 4 6 8 se non fØsseÙil gran prÚte,Ûa cui mal prÜnda!, 3 (5) 6 8/9 che mi rimiÝe ne le prime cÞlpe; (2) 4 8 72 e cßmeàe qu r , váglio che m’intânda. 2 4 6 Mãntre ch’io färma fui d’åssaæe di pçlpe 1 (3) 4 6 7 che la madre mi diè, l’èpere mie 3 6 7 75 non furon leéonine, ma di vêlpe. 2 6 Liëaccorgimìntiíe le copîrte vie 4 8 io sïppi tutte,ðe sì menai lñr arte, (1) 2 4 6 8 78 ch’al fine de la tòrraóil suônoõuscie. 2 6 8 Quando mi vidi giuntoöin qu÷lla parte 1 4 6 (8) di miaøetadeùúve ciascun dovrûbbe (2) 4 (5) 8 81 calar le vüleýe raccþglier le sarte, 2 4 7

6 – Und jetzo bitt ich, sag uns, wer du bist, wolle nicht spröder als die andern sein, 57 daß sich dein Name in der Welt behaupte.« Da brauste erst nach ihrer Art die Flamme, dann regte sie allmählich ihre Spitze 60 und formte atmend hin und her die Worte: »Wenn ich vermutete, daß meine Antwort noch je einmal nach oben kommen könnte, 63 so rührt ich meine Flammenzunge nicht mehr. Jedoch, da niemand aus der Unterwelt, wenn man mir recht berichtet, wieder aufsteigt, 66 geb ich dir ohne Furcht vor Schande Auskunft. Ich war Soldat und nachher Franziskaner. Den Strick gegürtet, dacht ich mich zu bessern, 69 und sicher hätt’ es so sich mir verwirklicht, wenn nicht der große Pfaff – verflucht sein Name! – mich in die Schuld zurückgestoßen hätte. 72 Wieso, weshalb, das will ich dir erklären. Da ich als Mutterkind, geformt aus Fleisch und Bein noch lebte, waren meine Taten 75 nicht eines Löwen, sondern eines Fuchses. Verdeckte Wege und Verschlagenheiten, die kannt ich alle, übte sie so kunstvoll, 78 daß überall davon die Rede ging. Als ich das Greisenalter kommen sah, die Zeit, in der sich’s ziemt für jedermann 81 die Segel und die Taue heimzuholen,

7 ciò che pria mi piacéa, allor m’incr bbe, 1 3 6 8 e pentuto e conf sso mi rend i; 3 6 84 ahi mi er lasso! e giovato sar bbe. 1 2 4 7 Lo principe d’i n vi Fari i, 2 6 av ndo gu rra pr sso a Laterano, 2 4 6 87 e non con Saracin né con Giud i, 2 6 7 ché ciascun suo nimico ra cristiano, 3 6 7 e nessun ra stato a vincer Acri 3 6 8 90 né mercatante in t rra di Soldano, (1) 4 6 né s mmo officio né ordini sacri 1 2 4 6 7 guardò in sé, né in me qu l cap stro 2 4 5 7 (8) 93 che sol a fare i su i cinti più macri. 4 7 Ma c!me Costantin chi"#e Silv$stro 2 6 7 d’%ntro Siratti&a guerir de la l'bbre, 1 4 7 96 co(ì mi chi)*e qu+sti per ma,-stro 2 4 6 a guerir de la sua sup.rba f/bbre; 3 6 8 domand0mmi consiglio,1e2io tac3tti 3 6 8 99 perché le sue par4le parver 5bbre. 2 (4) 6 8 E’ p6i ridisse: “Tuo cu7r non sosp8tti; 2 4 7 (8) fin9r t’ass:lvo,;e tu m’ins<gna fare 2 4 6 8 102 sì c=me Penestrino>in t?rra g@tti. (1/2) 6 8 Lo ciAl pBss’ io serrareCe diserrare, 2 4 6 cDme tu sai; però sEn due le chiavi (1) 4 6 8 105 che ’l mioFantecessGr non Hbbe care”. 2 6 8 AllIr mi pinser liJargomKnti gravi 2 4 8 là ’ve ’l tacLr mi fuMavviNo ’l pOggio, 1 4 8 108 e dissi: “Padre, da che tu mi lavi 2 4 (7.8)

8 da ward mir leid, was ehedem mich freute, und reuig und geständig beugt ich mich. 84 Wehe mir Armen, hätt es nur geholfen! Der Fürst der neuen Pharisäer führte nicht gegen Sarazenen oder Juden, 87 nur gegen Christen Krieg im eignen Haus. Beim Lateran, dort kämpfte er und nicht gegen die Heiden, die bei Akre siegten, 90 noch gegen Händler in des Sultans Landen. Das höchste Amt, die heilgen Weih’n mißachtet er an sich selbst, so wie an mir den Strick, 93 den einst nur abgezehrte Mönche trugen. Wie Konstantin den heiligen Silvester aus des Soracte Höhle rief zur Heilung 96 vom Aussatz, also rief er mich zu Rate, daß ich sein’ fieberhafte Herrschsucht heile. Er wollte Anleitung von mir! Ich schwieg, 99 denn seine Worte waren wie ein Rausch. Da sagt er mir: ›Sei unverzagten Herzens. Ich sprech dich frei im voraus: also zeig mir, 102 wie ich Praenestes Burg zerstören kann. Den Himmel auf- und zuzuschließen hab ich die Macht, du weißt’s, ich habe beide Schlüssel. 105 Mein Vorgänger wußte sie nicht zu schätzen.‹ So trieben die gewicht’gen Argumente mich dahin, daß ich nicht zu schweigen wagte, 108 und sprach: ›Dieweil du, Vater, von der Sünde,

9 di quel peccatoPQv’ io mR cader dSggio, 2 4 6 7 9 lunga promTssa con l’attUnder cVrto 1 4 8 111 ti farà trïunfar ne l’alto sWggio”. 3 6 8 FrancXsco vYnne pZi, c[m’ io fu’ m\rto, 2 4 6 8 per me; ma]un d’i n^ri cherubini 2 4 6 114 li disse: “Non portar; non mi far t_rto. 2 4 6 7 (9) Venir se ne d`e giù tra ’ miai meschini 2 5 6 8 perché dibde ’l consiglio frodolcnte, (2) 3 6 117 dal qualedin qua stato li senofa’ crini; 2 4 5 (8) ch’assglver non si può chi non si phnte, 2 4 6 8 né pentireje volkrelinsimme punssi 1 3 6 8 120 per la contradizion che nol conspnte”. 6 8 qh me dolrnte! csme mi risctssi 1 2 4 6 quando mi pruve dicwndomi: “Fxrse (1) 4 7 123 tu non pensavi ch’io löico fyssi!”. 1.2 4 7 A Minòs mi portò;ze qu{lli|att}rse 3 6 8 ~tto vlte la c€daal d‚sso duro; 1 3 6 8 126 e pƒi che per gran rabbia la si m„rse, 2 5 6 disse: “Qu sti†è d’i r‡i del fˆco furo”; 1 3 (4) 6 8 per ch’io là d‰ve vŠdi s‹n perduto, 2 3 6 (8) 129 e sì vestito,Œandando, mi rancuro». 2 4 6 Quand’ lliŽbbe ’l suo dir coì compiuto, 2 3 6 8 la fiamma dolorando si part‘o, 2 6 132 torc’ndo“e dibatt”ndo ’l c•rno–aguto. 2 6 8 N—i passamm’ ˜ltre,™ešio›e ’l duca mio, 1 3 4 6 8 su per lo scœglioinfinožin su l’altr’ arco (1) 4 6 135 che cuŸpre ’l f sso¡in che si paga¢il fio 2 4 8

10 der ich nun doch verfallen muß, mich reinigst, so sei’s: Versprechen reichlich. Halten kärglich, 111 das schafft Triumphe dir auf hohem Stuhl.‹ Dann, als ich starb, kam meinethalb Franziskus, mich abzuholen. Doch ein schwarzer Engel 114 entgegnet’ ihm: ›Laß los und prell mich nicht! Hinab muß er mit mir zu meinen Knechten, weil er den Rat, den tückischen, gegeben. 117 Seit jenem Spruch bin ich ihm auf der Spur. Wer nicht bereut, der ist nicht freizusprechen. Bereun und Tun zugleich geht auch nicht an, 120 dieweil der Widerspruch es nicht erlaubt.‹ Weh mir! Es war ein schreckliches Erwachen, als er mich faßte mit dem Wort: ›Vermutlich 123 entging dir meine Schärfe in der Logik.‹ Vor Minos schleppt’ er mich, und dieser schlug achtmal mit seinem Schweif die harten Schultern 126 und tat noch wütend einen Biß und schrie: ›Hinweg mit ihm zum Feuertanz des Truges!‹ Drum bin ich hier verloren, wie du siehst, 129 und wandle qualvoll in der Flammenhülle.« Nachdem er sich so ausgesprochen hatte, fuhr in der Flamme klagend er hinweg, 132 und flackernd krümmte sich ihr spitzes Horn. Wir gingen weiter auf der Klippe Grat, ich und mein Führer, bis zum nächsten Bogen 135 über den Graben, drin die Zwietrachtstifter

11 a qu£i che scommett¤ndo¥acquistan carco. 2 6 8

12 die schwere Bürde ihrer Schuld bezahlen.

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