Inferno – Canto 26

La Divina Commedia Inferno Canto XXVI Das Lied des Ulisse Zeit: Sonntag, 26. März 1301 (Samstag, 9. April 1300): um 12 Uhr mittags Ort: Kreis VIII (Malebolge): Betrüger Graben VIII: betrügerische Berater Personen: Dante, Virgilio, Ulisse, Diomede © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 G di, Fior nza, p i che s ’ sì grande 1 4 6 8 9 che per mare e per t rra batti l’ali, 3 6 8 3 e per lo ’nf rno tuo n me si spande! 4 7 Tra li ladr n trovai cinque cotali 4 6 7 tu i cittadini nde mi v n verg gna, 1 4 5 8 6 e tu in grande orranza non ne sali. (2) 4 6 8 Ma se pr sso al mattin del v r si s gna, 3 6 8 tu sentirai, di qua da p cciol t mpo, (1) 4 6 8 9 di qu l che Prato, non ch’altri, t’ag gna. 2 4 7 E se già f sse, non sar a per t mpo. 4 8 Co ì f ss’ i, da che pur sser d e! 2 4 (6) 8 12 ché più mi graverà, c!m’ più m’att"mpo. 2 6 8 Noi ci partimmo,#e su per le scal$e 1 4 6 che n’av%a fatto&ib'rni(a sc)nder pria, 4 6 8 15 rimontò ’l duca mio*e trasse m+e; 3 4 6 8 e prosegu,ndo la solinga via, 4 8 tra le sch-gge.e tra ’ r/cchi de lo sc0glio 3 6 18 lo piè sanza la man non si spedia. 2 3 6 7 All1r mi dolsi,2e34ra mi rid5glio 2 4 6 quando drizzo la m6nte7a ciò ch’io vidi, 1 3 6 8 21 e più lo ’ng8gno9affr:no ch’i’ non s;glio, 2 4 6 8 perché non c<rra che virtù nol guidi; 2 4 8 sì che, se st=lla b>na?o migli@r cABa 2 4 6 9 24 m’ha dato ’l bCn, ch’io stDssi nol m’invidi. 2 4 6 Quante ’l villan ch’al pEggio si ripFGa, 1 4 6 nel tHmpo che colui che ’l mIndo schiara 2 6 8 27 la faccia suaJa nKi tiLn mMnoNascOPa, 2 (4) 6 8

2 Freu dich, Florenz, so groß ist deine Macht, daß über Land und Meer dein Flügel rauscht – 3 und durch die ganze Hölle hallt dein Name. Fünf Dieben unter deinen großen Bürgern begegnete ich dort, ich muß mich schämen, 6 und dir erwächst kein’ große Ehre draus. Wenn uns im Morgentraume Wahrheit dämmert, bekommst du bald zu spüren, was dir Prato, 9 von anderen zu schweigen, Böses wünscht. Und wär’s schon da, es käme nicht zu früh. O wär es doch! da es ja kommen muß, 12 und härter träf es mich im hohen Alter. Wir gingen weiter und hinauf die Stufen, die vorher uns zum Abstieg dienlich waren, 15 hißte mein Führer sich und zog mich nach. Sodann den unbegangnen Pfad dahin durch Felsenblöcke, Splitter, Steingeröll 18 mußt oft die Hand dem Fuße vorwärts helfen. Da überkam mich schmerzlich ein Gedanke, der heut beim Schauspiel des Betrugs mir weh tut, 21 so daß ich straffer meine Künste zügle und sie vor krummen Wegen treu bewahre, daß nur ich selbst, was mir ein guter Stern 24 und höhre Mächte gaben, nicht vergifte! – Es sieht der Landmann, auf dem Hügel ruhend, zur Jahreszeit der lauen Sommernächte, 27 wenn sich die Sonne kurze Zeit vebirgt,

3 cQme la mRsca cSdeTa la UanVara, 1 4 6 vWde lXcciole giù per la vallYa, 3 6 30 fZrse colà d[v’ \’ vend]mmia^e_ara: 1 4 (6) 8 di tante fiamme tutta risplend`a 2 4 6 l’ottava balgia, sì cbm’ io m’acccrsi 2 4 (6.8) 33 tdsto che fui là ’ve ’l fendo parfa. 1 4/5 7 E qual colui che si vengiò con lighrsi 2 4 8 vide ’l carro d’Eliajal dipartire, 1 3 6 36 quandoki cavallilal cimlonorti levprsi, 1 4 6 7 che nol potqa sì con lirscchi seguire, 4 5 7 ch’el vedtsseualtro che la fiamma svla, 3 4 8 39 sì cwme nuvolxtta,yin sù salire: 1 (2) 6 8 tal si mzve ciascuna per la g{la 1 3 6 del f|sso, ché nessuna m}stra ’l furto, 2 6 8 42 e~gne fiamma€un peccatre‚invƒla. (2) 4 8 Io stava s„vra ’l p nte†a ved‡r surto, (1) 2 4 6 9 sì che s’io non avˆssi‰un ronchiŠn pr‹Œo, 1 3 6 9 45 caduto sari giù sanz’ Žsser urto. (2) 6 8 E ’l duca, che mi vide tantoatt‘o, 2 6 8 disse: «D’ntro dai fu“chi s”n li spirti; 1 3 6 8 48 catun si fascia di qu•l ch’–lli—è˜inc™šo». 2 4 7.8 «Ma›œstro mio», rispuž’ io, «per udirti 2 4 7 sŸn io più c rto; ma già m’¡ra¢avvi£o (2) 4 7 8 51 che co¤ì f¥sse,¦e già vol§va dirti: (3) 4 6 8 chi¨è ’n qu©l fªco che vi«n sì divi¬o 2 4 7 8 di s pra, che par surger de la pira 2 6 54 d®v’ Ete¯òcle col frat°l fu mi±o?». 4 8

4 die Fliege schlummert und die Schnake schwirrt, Glühwürmchen schwärmen überm Wiesengrund, 30 wo er zu ernten und zu pflügen pflegt, so viele als ich Flammen flackern sah im achten Graben, da ich dorthin kam, 33 wo man ihn überschaun kann bis zum Boden. Und wie der »Kahlkopf«, den die Bären rächten, den Feuerwagen des Elias sah, 36 als himmelan die Pferde sich erhoben und mit den Augen ihm nicht folgen konnte, und nur den Flammenwirbel noch gewahrte, 39 der wie ein Wölkchen in die Höhe flog: so schwebte Flamm um Flamme hier dahin durch Tales Schlund, verhüllend ihren Raub, 42 und jede Flamm entführte einen Sünder. Ich reckte schaubegierig auf der Brücke mich so, daß ich gestürzt wär, ungestoßen, 45 hätt ich nicht einen Felsblock noch erfaßt. Und als der Führer meine Spannung sah, sagt er: »Im Kern der Flamme sind die Geister, 48 ein jeder hüllt in seine Brust sich ein.« Und ich: »Durch deine Worte wird es mir gewisser noch, es schien mir schon, o Meister, 51 daß es so sei, und fragen wollt ich dich: wer wohnt in jener Flamme, die nach oben sich teilt, als stieg sie auf vom Scheiterhaufen 54 der feindlichen thebanischen Gebrüder?«

5 Rispu²³e´a me: «Là dµntro si martira 2 4 6 Ulisse¶e Dïom·de,¸e co¹ìºinsi»me 2 6 9 57 a la vend¼tta vanno c½me¾a l’ira; 4 6 8 e d¿ntro da la lÀr fiamma si gÁme 2 6 7 l’agguato del caval che fé la pÂrta 2 6 (8) 60 ÃndeÄuscì dÅ’ RomaniÆil gentil sÇme. 1 3 6 (9) PiangevisiÈÉntro l’arte per che, mÊrta, 1 4 6 9 DeïdamìaËancÌr si duÍl d’Achille, 4 6 8 63 e del Palladio pÎna vi si pÏrta». 4 6 «S’Ði pÑsson dÒntro da quÓlle faville 1 2 4 7 parlar», diss’ io, «maÔÕstro,Öassai t×n priØgo 2 4 6 8 66 e ripriÙgo, che ’l priÚgo vaglia mille, 3 6 8 che non mi facci de l’attÛnder niÜgo 4 8 fin che la fiamma cornuta qua vÝgna; (1) 4 7 (9) 69 vÞdi che del dißio vàr’ lái mi piâgo!». 1 6 8 Ed ãlliäa me: «La tua preghiåraæè dçgna 2 4 (6) 8 di mèlta léda,êeëio però l’accìtto; 2 4 6 8 72 ma fa che la tua lingua si sostígna. 2 6 Lascia parlareîa me, ch’i’ïho concðtto 1 4 6 8 ciò che tu vuñi; ch’òi saróbbero schivi, (1) 4 5.7 75 perch’ ô’ fuõr gröci, f÷rse del tuo døtto». (3) 4 6 (9) Pùi che la fiamma fu venuta quivi 1 4 8 dúve parveûal mio duca tümpoýe lþco, 3 6 8 78 in qu sta f rma lui parlare audivi: (2) 4 6 8 « v i che si te due d ntro ad un f co, 2 (4) 6 7 s’io meritai di v i m ntre ch’io vissi, 4 6 7 81 s’io meritai di v i assai o p co 4 6 8

6 Und er: »Zusammen werden dort gefoltert Ulyss und Diomed, wie sie zusammen 57 in Krieg und Groll sich einst vergangen haben. In ihrer Flamme wird gebüßt die Arglist des hohlen Pferdes, das die Bresche brach, 60 durch die der edle Same Roms entfloh. Gebüßt wird dort auch die Verstellungskunst, durch die Deidámia ihren Freund verlor, 63 auch des Palladiums Raub wird dort bestraft.« »Wenn sie in ihrer Lohe sprechen können, so bitte ich dich, Meister«, sagte ich, 66 »gar sehr und bitte tausendmal darum, daß du mir nicht verweigerst, hier zu warten, bis die gehörnte Flamme näher kommt, 69 der sich, du siehst’s, mein Wunsch entgegenbeugt.« Und er: »Gar lobenswert ist deine Bitte, daher ich gerne sie erfülle, aber 72 gib acht, daß seine Sprache würdig sei. Laß lieber mir das Wort; ich weiß genau, was du begehrst; sie könnten Anstoß nehmen 75 an deiner Sprechart, weil sie Griechen waren.« Als nun die Flamme hergeflogen war, ersah mein Führer die Gelegenheit, 78 und seine Rede lautete wie folgt: »Die ihr zu zweit im selben Feuer wallet, hab ich’s verdient um euch in meinem Leben 81 und wirklich es verdient, sei’s noch so wenig,

7 quando nel m ndo li alti v rsi scrissi, (1) 4 6 8 non vi mov te; ma l’un di v i dica (1) 4 7 9 84 d ve, per lui, perduto a morir gissi». 1 4 6 9 Lo maggi r c rno de la fiamma antica 3 4 8 cominciò a crollarsi mormorando, 3 6 87 pur c me qu lla cui v nto affatica; 1 4 7 indi la cima qua e là menando, 1 4 6 8 c me f!sse la lingua che parlasse, 3 6 90 gittò v"ce di fu#ri$e disse: «Quando 2 3 6 8 mi diparti’ da Circe, che sottrasse 4 6 me più d’un anno là pr%sso&a Ga'(ta, 1 2 4 6 7 93 prima che sì)En*a la nomasse, 1 4 6 né dolc+zza di figlio, né la pi,ta 1 3 6 8 del v-cchio padre, né ’l d.bito/am0re 2 4 6 7 96 lo qual dov1a Penelopè far li2ta, 2 4 8 vincer pot3ro d4ntro5a me l’ard6re 1 4 6 8 ch’i’78bbi9a divenir del m:ndo;esp<rto 2 6 8 99 e de li vizi=umani>e del val?re; 4 6 ma mi@i me per l’alto mareAapBrto 2 4 6 8 sCl con un lDgnoEe con quFlla compagna 1 4 7 102 pGcciola da la qual non fui diHIrto. 1 6 8 L’un litoJe l’altro vidiKinfin la Spagna, 1 2 4 6 8 fin nel MorrLcco,Me l’iNola d’i Sardi, 1 4 6 105 e l’altre che quOl marePintQrno bagna. 2 6 8 IoRS ’ compagniTeravam vUcchiVe tardi 1 4 7 8 quando venimmoWa quXlla fYce strZtta 1 4 6 8 108 d[v’ \rcule segnò li su]i riguardi 2 6 (8)

8 als ich mein Heldenlied auf Erden schrieb, so fliegt nicht weg, und sage mir der eine, 84 wohin er sich verlor, den Tod zu finden.« Da flackerte mit ihrem höchsten Gipfel die griechische Doppelflamme und begann 87 zu brausen wie ein windgepeitschtes Feuer und regte gleich die Spitzen hin und her, als wollte sie mit einer Zunge reden. 90 Und eine Stimme kam heraus und sprach: Da ich mich losgemacht von Kiirke, die mich länger als ein Jahr gehalten hatte 93 am Strand (Gaëta heißt er seit Aeneas), da fesselte mich nichts mehr. Vaterglück und Sohnesdankbarkeit und Gattenliebe, 96 wie sie Penelope um mich verdiente, ward alles aufgezehrt in meiner Brust vom heißen Drang, durch alle Länder hin 99 der Menschen Wert und Narrheit zu erfahren. Ich fuhr hinaus ins offne hohe Meer auf einem einzgen Schiff mit meiner kleinen 102 Gesellenschar, die nimmer mich verließ; besucht’ in Nord und Süd die Ufer bis nach Spanien und Marokko, sah Sardinien 105 mit all den vielen Inseln jenes Meeres. Wir wurden alte Männer, bis wir endlich an jene enge Wasserstraße kamen, 108 wo Herkules die Warnungszeichen setzte,

9 acciò che l’u^m più_`ltre non si matta; (2) 4 6 (8) da la man dbstra mi lasciai Sibilia, 4 8 111 da l’altra già m’avca lasciata Sdtta. 2 (4) 6 8 “e frati”, dissi, “che per cfnto milia 2 4 8 perigli sigte giuntiha l’occidinte, 2 4 6 114 a qujsta tanto pkcciola vigilia 2 4 6 d’i nlstri smnsi ch’è del rimannnte 2 4 6 non vogliate negar l’esperïonza, 1 3 6 117 di rptroqal srl, del msndo sanza gtnte. (2) 4 6 8 Considerate la vustra semvnza: 4 7 fatti non fwstexa viver cyme bruti, 1 4 6 (8) 120 ma per seguir virtuteze canosc{nza”. 4 6 Li mi|i compagni f}c’ io sì~aguti, (2) 4 7 8 con qusta€orazin p‚cciola,ƒal cammino, 2 5 6 123 che„a p na p†scia li‡avrˆi ritenuti; 2 4 7 e v‰lta nŠstra p‹ppa nel mattino, 2 4 6 dŒ’ rmi facŽmmoalial f‘lle v’lo, 2 5 6 8 126 s“mpre”acquistando dal lato mancino. 1 4 7 Tutte le st•lle già de l’altro p–lo 1 4 6 8 ved—a la n˜tte,™e ’l nšstro tanto basso, (2) 4 6 8 129 che non surg›a fuœr del marin sulo. 4 6 9 Cinque vžlte raccŸ o¡e tante casso 1 3 6 8 lo lume¢£ra di s¤tto da la luna, 2 3 6 132 p¥i che ’ntrati¦eravam ne l’alto passo, 1 3 6 8 quando n’apparve§una montagna, bruna 1 4 8 per la distanza,¨e parvemi©alta tanto 4 6 8 135 quanto veduta non avéaªalcuna. 1 4 8

10 auf daß der Mensch sich hier nicht weiter wage. Ich aber ließ Sibilia zur Rechten 111 und hatte links schon Setta hinter mir und – ›Brüder‹, sprach ich, ›die durch hunderttausend Gefahren nach dem Westen seid gelangt, 114 entziehet nicht dem kurzen Lebensabend, der uns noch bleibt, die sinnliche Erfahrung 117 der unbewohnten Welt dort nach der Sonne! Bedenkt, wes hohen Samens Kind ihr seid und nicht gemacht, um wie das Vieh zu leben! 120 Erkenntnis suchet auf und Tüchtigkeit.‹ Mit dieser kurzen Rede stachelt ich meine Genossen auf und trieb sie vorwärts 123 so scharf, daß niemand sie gezügelt hätte. Das Hinterschiff dem Morgen zugekehrt, mit tollen Ruderschlägen ging der Flug 126 hinaus und vorwärts, immer mehr nach links. Bald sah man nachts des andern Poles Sterne, und wie sie alle kamen, sank der unsre, 129 bis er sich nicht mehr aus dem Meer erhob. Schon fünfmal hatte volles Licht vom Mond herabgestrahlt und fünfmal war’s geschwunden 132 seit wir zur großen Fahrt uns aufgemacht. Da tauchte dunkel in dem fernen Dunst ein Berg herauf und schien mir riesenhoch, 135 so hoch, wie ich noch nichts gesehen hatte.

11 N«i ci¬allegrammo, e t®sto tornò¯in pianto; 1 4 6 9 ché de la n°va t±rra²un turbo nacque (1) (4) 6 8 138 e perc³sse del l´gnoµil primo canto. 3 6 8 Tr¶ v·lte¸il fé girar con tutte l’acque; (1) 2 6 8 a la quarta levar la p¹ppaºin su»o 3 6 8 141 e la pr¼ra½ire¾in giù, c¿m’ altrui piacque, 3 4 6 9 infin che ’l mar fu sÀvra nÁi richiuÂo». 2 4 (6) 8

12 Wir jubelten. – Die Lust ward bald zunichte, denn von dem fernen Lande kam ein Wirbel, 138 der faßte an der Spitze gleich das Schiff und dreht es dreimal um im Strudelkreise, beim vierten hob er’s hinten auf – und köpflings, 141 wie fremde Macht es wollte, fuhr’s hinab. Dann schloß sich langsam über uns das Wasser.«

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