Inferno – Canto 15

La Divina Commedia Inferno Canto XV Das Lied des Brunetto Latini Zeit: Sonntag, 26. März 1301 (Samstag, 9. April 1300): der Morgendämmerung entgegen Ort: Kreis VII – Gruppe III: Gewalttätige gegen Gott, die Natur/Kunst (Gotteslästerer, Sodomiten, Wucherer) Personen: Dante, Virgilio, Brunetto Latini, Prisciano, Francesco d’Accorso, Andrea de’ Mozzi © 2021 Dr. M. Junker: Fonetik, Metrik & Akzente farbig, geschützt d. Namirial SpA © 1994 Le Lettere: Kritische Textausgabe der Divina Commedia (Giorgio Petrocchi) Deutsch von Karl Vossler: 1942/1945 (Atlantis)/1960 (Bertelsmann Lesering)

1 ra c n p rta l’un de’ duri margini; 1 4 6 8 e ’l fummo del rusc l di s pra aduggia, 2 6 8 3 sì che dal f co salva l’acqua e li argini. 1 4 6 8 Quali Fiamminghi tra Guizzante e Bruggia, (1) 4 8 tem ndo ’l fi tto che ’nv r’ l r s’avv nta, 2 4 7 8 6 fanno lo sch rmo perché ’l mar si fuggia; 1 4 8 e quali Pado n lungo la Br nta, 2 6 7 per dif nder l r ville e lor cast lli, 3 5 6 8 9 anzi che Carent na il caldo s nta: 1 6 8 a tale imagine ran fatti qu lli, 2 4 6 8 tutto che né sì alti né sì gr ssi, 1 (4) 6 (8) 12 qual che si f!sse, lo ma"#stro félli. 1 4 8 Già$eravam da la s%lva rim&ssi 1 4 7 tanto, ch’i’ non avr'i visto d(v’ )ra, 1 6 7 15 perch’ io*in di+tro riv,lto mi f-ssi, 2 4 7 quando.incontrammo d’anime/una schi0ra 1 4 6 che ven1an lungo l’argine,2e ciascuna 3 4 6 18 ci riguardava c3me su4l da s5ra 4 8 guardare6uno7altro s8tto nu9va luna; 2 (3) 4 6 8 e sì v:r’ n;i<aguzzavan le ciglia (2) 4 7 21 c=me ’l v>cchio sart?r fa ne la cruna. 1 3 6 7 Co@ìAadocchiato da cotal famiglia, 2 4 8 fui conosciuto daBun, che mi prCDe (1) 4 7 24 per lo lEmboFe gridò: «Qual maraviglia!». 3 6 7 EGio, quando ’l suo braccioHa me distIJe, 2 (3) 6 8 ficcaï liKLcchi per lo cMttoNaspOtto, 2 4 8 27 sì che ’l viPoQabbrusciato non difRSe 1 3 6 (8)

2 Der eine der versteinten Ränder trägt uns, der Nebel überm Bach beschattet uns 3 und hält das Wasser und die Dämme kühl. Wie zwischen Brügge und Wissant die Flamen sich vor der fürchterlichen Sturmflut schützen 6 und ihren Damm dem Meer entgegenstellen, und wie’s die Paduaner längs der Brenta zum Schutz der Burgen und der Häuser machen, 9 des Schnees gewärtig, der im Hochtal schmilzt, so waren ungefähr die Dämme hier, wenn schon so hoch nicht noch so breit gebaut 12 von eines unbekannten Meisters Hand. So weit vom Wald schon waren wir entfernt, daß ich ihn nicht mehr hätte sehen können, 15 hätt’ ich mich noch so eifrig umgetan, als eine Schar von Seelen uns entgegen den Damm entlang kam. Jede schaut’ uns an, 18 wie oft am Abend sich die Leute mustern bei Neumond unter ungewissem Licht. Sie schärften blinzelnd ihren Blick auf uns, 21 wie auf das Nadelöhr ein alter Schneider. Betrachtet so aus einer dieser Gruppen und schon erkannt wurd’ ich von einem, der 24 am Kleid mich fassend, rief: »Schau, dieses Wunder!« Wie er die Arme mir entgegenbreitet, schau ich durch sein vom Brand gebräuntes Aussehn 27 so scharf ihm ins verwüstete Gesicht,

3 la conoscTnza suaUal mio ’ntellVtto; 4 6 (8) e chinando la manoWa la sua faccia, 3 6 (9) 30 rispuXYi: «SiZte v[i qui, s\r Brun]tto?». 2 4.6.7 8 E qu^lli:_«` figliual mio, non ti dispiaccia 2 (5) 6 7 se Brunbtto Latinocun pdco teco 3 6 8 33 ritfrna ’n digtrohe lasciaiandar la traccia». 2 4 6 8 I’ dissi lui: «Quanto pjsso, vkn prlco; (2) 4 (5) 7 e se volmte che con vni m’assoggia, 4 8 36 faròl, se piacepa costui che vq srco». 2 4 7 (9) «s figliutl», disse, «qual di quusta grvggia 3 4 6 (8) s’arresta punto, giace pwi cxnt’ anni 2 4 6 8 39 sanz’ arrostarsi quando ’l fycozil f{ggia. 4 6 8 Però va|}ltre:~i’ ti verròa’ panni; 2 4 8 e p€i rigiugnerò la mia manada, 2 6 42 che va piang‚ndoƒi su„i ett†rni danni». 4 8 Io non o‡ava scˆnder de la strada (1/2) 4 6 per andar par di lui; ma ’l capo chino 3 6 8 45 ten‰a cŠm’ u‹m che reverŒnte vada. 2 4 8 El cominciò: «Qual fortunao destino 1 4 5 7 anzi l’ultimo dì qua giù ti mŽna? 1 3 6 8 48 e chiè qusti che m‘stra ’l cammino?». 3 4 7 «Là sù di s’pra,“in la vita ser”na», (1) 2 4 7 rispu•–’ io lui, «mi —marri’˜in una valle, (2/3) 4 7 51 avanti che l’età mia f™sse pišna. 2 7 8 Pur i›r mattina le vœlsi le spalle: 2 4 7 qusti m’apparve, tornand’ iožin quŸlla, 1 4 8 54 e red cemi¡a ca per qu¢sto calle». 3 6 8

4 daß mein Verstand ihn schließlich doch erkannte. Ich neigte mein Gesicht dem seinen zu 30 und sagte: »Herr Brunetto, Ihr seid hier?« Und er: »Mein Sohn, erlaube, daß Brunetto Latini dir zulieb den Zug der andern 33 verläßt und dich ein Stückchen Wegs begleitet.« »Ich bitt Euch drum«, erwidert ich, »gar sehr, und wenn Ihr wollt, daß ich mit Euch mich setze, 36 so tu ich’s gern, wenn’s meinem Führer recht ist.« »Mein Lieber«, sprach er, »wer von unsrem Trupp ein Weilchen stillsteht, hundert Jahre muß er 39 dann ohne Regung in dem Feuer liegen. Drum geh nur zu. Ich folge deinem Mantel und eile später den Gefährten nach 42 in ihren Jammerklagen ewigen Leides.« Ich wagte nicht, den Damm hinabzusteigen zu gleicher Höh mit ihm, doch senkte ich 45 das Haupt wie einer, der in Ehrfurcht pilgert. »Welch Zufall«, frug er, »welche Fügung führt vor deinem letzten Tag dich hier herab? 48 Und wer ist dieser, der den Weg dir zeigt?« Mein Antwort war: »In einem Tal verlor ich die Richtung, da ich droben heiter lebte, 51 noch eh ich in des Alters Fülle stand. Erst gestern morgen stieg ich draus hervor. Schon rückwärts wich ich wieder, als mir dieser 54 erschien; er führt auf diesem Steg mich heim.«

5 Ed £lli¤a me: «Se tu s¥gui tua st¦lla, 2 4 (6) 7 non pu§i fallire¨a glor頻o p«rto, 2 4 8 57 se b¬n m’acc rsi ne la vita b®lla; 2 4 8 e s’io non f¯ssi sì per t°mpo m±rto, 2 4 6 8 vegg²ndo³il ci´loµa te co¶ì benigno, 2 4 6 (8) 60 dato t’avr·i¸a l’¹pera confºrto. 1 4 6 Ma qu»llo¼ingrato p½polo maligno 2 4 6 che disc¾¿e di FiÀÁole b antico, 3 6 63 e tiÃneÄancÅr del mÆnteÇe del macigno, 2 4 6 ti si farà, per tuo bÈn far, nimico; 4 (6) 8 ed è ragiÉn, ché tra li lazzi sÊrbi 4 8 66 si disconviËn fruttareÌal dÍlce fico. 4 6 8 VÎcchia fama nel mÏndo li chiamaÐÑrbi; 1 3 6 9 gÒnt’ èÓavara,ÔinvidiÕÖa×e supØrba: 1 (2) 4 7 69 dai lÙr costumi fa che tu ti fÚrbi. 4 6 La tua fortuna tantoÛonÜr ti sÝrba, 4 6 8 che l’una parteÞe l’altraßavranno fame 2.4 6 8 72 di te; ma lungi fàa dal bácco l’ârba. 2 4 6 8 Faccian le bãstie fieäolane strame 1 4 8 di lår medæçme,èe non técchin la pianta, (2) 4 7 75 s’alcuna surgeêancëraìin lír letame, (2) 4 6 (8) in cui riviva la semînta santa 2 4 8 di que’ Roman che vi rimaïer quando 4 8 78 fu fattoðil nido di malizia tanta». 2 4 8 «Se fñsse tutto piònoóil mio dimando», 2 4 6 8 rispuôõ’ io lui, «vöi non sar÷steøancùra 2/3 4 5 8 81 de l’umana natura pústoûin bando; 3 6 (8)

6 Und er zu mir: »Folg immer deinem Sterne, du kannst das ehrenvolle Ziel nicht fehlen, 57 sofern ich’s richtig droben schon voraussah. Und wenn ich nicht so früh gestorben wäre, da ich den Himmel dir so gütig sah, 60 hätt’ ich in deinem Werke dich bestärkt. Jedoch das undankbare böse Volk, das einst von Fiesole herunterstieg, 63 den Berg, den Steinklotz immer noch im Sinn, wird feind dir werden, weil du Gutes tust. Und so gehört sich’s: zwischen herben Beeren 66 ist für die süße Feige kein Gedeih. Sie seien blind, sagt eine alte Sage, und geizig, neidisch, überheblich sind sie. 69 Schau, daß du rein von ihren Sitten bleibest. Dein Glück wird dich so hoch erheben, daß die eine und die andere Partei 72 dich fressen möcht – doch das sind saure Trauben. So mag das Fiesolaner Vieh sich selbst zu Stallmist stampfen, unberührt lass’ es 75 den Schößling stehn, wofern in seinem Kot ein Schößling noch gedeiht aus heilgem Samen der alten Römer, die im Lande blieben, 78 als dieses üble Nest bereitet wurde.« – »Wenn ganz sich mein Gebet erfüllen möchte« , sprach ich zu ihm, »so wäret Ihr noch lange der 81 menschlichen Natur erhalten blieben.

7 ché ’n la münte m’è fitta,ýeþ r m’acc ra, 3 6 8 la cara e bu na imagine pat rna 2 4 6 84 di v i quando nel m ndo ad ra ad ra 2 3 6 8 m’insegnavate c me l’u m s’ett rna: 4 6 8 e quant’ io l’abbia in grado, m ntr’ io vivo 2/3 4 6 8/9 87 convi n che ne la mia lingua si sc rna. 2 (6) 7 Ciò che narrate di mio c rso scrivo, 1 4 8 e s rbolo a chio ar con altro t sto 2 6 8 90 a d nna che saprà, s’a l i arrivo. 2 6 8 Tanto v gl’ io che vi sia manif sto, 1 4 7 pur che mia coscï nza non mi garra, 1 (3) 6 93 ch’a la Fortuna, c me vu l, s!n pr"sto. 4 8 Non è nu#va$a li%or&cchi mi'i tal arra: 3 6 8 però giri Fortuna la sua r(ta 2 3 6 (9) 96 c)me le piace* e ’l villan la sua marra». 1 4 7 (9) Lo mio ma+,stro-all.ra/in su la g0ta 2 4 6 d1stra si v2lse3in di4tro5e riguard6mmi; 1 4 6 99 p7i disse: «B8ne9asc:lta chi la n;ta». (1) 2 (4) 6 Né per tanto di m<n parlando v=mmi 3 6 8 con s>r Brun?tto,@e dimando chi sAno 2 4 7 102 li suBi compagni più nCtiDe più sEmmi. 4 7 Ed FlliGa me: «Saper d’alcunoHè buIno; 2 4 6 8 de liJaltri fKa laudabile tacerci, 2 6 105 ché ’l tLmpo sarMa cNrtoOa tanto suPno. 2 6 8 In sQmma sappi che tutti fur chRrci 2 4 7 e litterati grandiSe di gran fama, (4) 6 9 108 d’un peccato medTUmoVal mWndo lXrci. 3 6 8

8 Ich kann ja nicht vergessen, nicht verschmerzen Eur liebes, gutes, väterliches Bild, 84 da Ihr mir droben immer wieder zeigtet, wie man zu ewigen Werten sich erhebt. Wie dankbar ich Euch bin, das soll sich weisen 87 durch meine Worte noch, solang ich lebe. Ich schreib und wahre mir im Geist, was Ihr mir weissagt, und mit andren Texten laß ich’s 90 von Ihr, der Weisen, deuten, wenn ich dort bin. Das eine aber möchte ich Euch kundtun, wofern mich mein Gewissen nicht verleugnet, 93 daß ich gefaßt bin auf Fortunas Schickung. Der Zukunftston klingt meinem Ohr nicht neu. Hantiere denn mit ihrem Rad Fortuna 96 und mit dem Karst der Bauer – nach Belieben!« Da wandte nach der rechten Seite sich mein Meister rückwärts, sah mich an und sprach: 99 »Der gute Hörer merkt, was man ihm sagt.« Ich unterbrach indessen mein Gespräch mit Herrn Brunetto nicht und bat ihn, mir 102 die Bestbekannten seiner Schar zu nennen. Und er: » Von einigen erzählt man gern, von andern ist es löblicher zu schweigen; 105 auch reicht die Zeit zu soviel Stoff mir nicht. In Kürze denn: sie waren alle kirchlich und gar gelehrte, hochberühmte Geister, 108 befleckt im Fleische von demselben Laster.

9 PrisciYn sZn va con qu[lla turba grama, 2 4 6.8 e Franc\sco d’Acc]rso^anche;_e ved`rvi, 3 6 7 111 s’avassibavuto di tal tigna brama, 2 4 7 8 colui potci che dal sdrvo de’ servi 2 4 7 fu trafmutato d’Arnogin Bacchiglihne, 4 6 114 dive lasciò li mal protjki nlrvi. 4 6 8 Di più dirmi; ma ’l venirene ’l sermone (2) 4 7 più lungopqsser non può, però ch’i’ vrggio 2/3 6 8 117 là surger nusvo fummo del sabbitne. 1 2 (4) 6 Gunte vivn con la qualewxsser non dyggio. 1 3 6 7 Szeti raccomandato{il mio Te|}ro, 1 6 8 120 nel qual io vivo~ancra,€e più non chggio». 2 (4) 6 8 P‚i si rivƒlse,„e parve di col ro 1 4 6 che c†rrono‡a Verˆna‰il drappo vŠrde 2 6 8 123 per la campagna;‹e parve di costŒro 4 6 qulli che vince, non colui che pŽrde. 1 4 6 (8)

10 Priscian gesellt sich unsrer trüben Schar, Francesco von Accorso, und du könntest, 111 falls dich der Kitzel danach jucken sollte, den Mann betrachten, den der Knecht der Knechte vom Arno zum Bacchiglione schickte, 114 wo seine freche Lust erlosch mit ihm. Noch manches wüßt ich, doch ich darf nicht länger im Gehn und Reden mit dir sein. Ich sehe 117 wie dort ein Dunst sich aus dem Sande hebt: es kommen fremde, mir verbotne Leute. Laß meinen Tresor dir empfohlen sein, 120 in dem ich weiterlebe; das genügt mir.« Er kehrte um, und nun erschien er mir wie einer, der im Lauf ums grüne Tuch 123 durch das Gefilde bei Verona rennt und nicht zu spät kommt, sondern siegt im Ziele.

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